Schilderung von Teilen der übersinnlichen Welt
► Leib – Seele – Geist

Warum erscheint dem Menschen die Welt in dieser dreifachen Art? Eine einfache Betrachtung kann das lehren: Ich gehe über eine mit Blumen bewachsene Wiese. Die Blumen künden mir ihre Farbe durch mein Auge. Das ist die Tatsache, die ich als gegeben hinnehme. – Ich freue mich über die Farbenpracht. Dadurch mache ich die Tatsache zu meiner eigenen Angelegenheit. Ich verbinde durch meine Gefühle die Blumen mit meinem eigenen Dasein. Nach einem Jahre gehe ich wieder über dieselbe Wiese. Andere Blumen sind da. Neue Freude erwächst mir aus ihnen. Meine Freude vom Vorjahre wird als Erinnerung auftauchen. Sie ist in mir; der Gegenstand, der sie angefacht hat, ist vergangen. Aber die Blumen, die ich jetzt sehe, sind von derselben Art wie die vorjährigen; sie sind nach denselben Gesetzen gewachsen wie jene. Habe ich mich über diese Art, über diese Gesetze aufgeklärt, so finde ich sie in den diesjährigen Blumen so wieder, wie ich sie in den vorjährigen erkannt habe. Und ich werde vielleicht also nachsinnen: Die Blumen des Vorjahres sind vergangen; meine Freude an ihnen ist nur in meiner Erinnerung geblieben. Sie ist nur mit meinem Dasein verknüpft. Das aber, was ich im vorigen Jahre an den Blumen erkannt habe und dies Jahr wieder erkenne, das wird bleiben, solange solche Blumen wachsen. Das ist etwas, was sich mir geoffenbart hat, was aber von meinem Dasein nicht in gleicher Art abhängig ist wie meine Freude. Meine Gefühle der Freude bleiben in mir; die Gesetze, das Wesen der Blumen bleiben außerhalb meiner in der Welt. So verbindet sich der Mensch immerwährend in dieser dreifachen Art mit den Dingen der Welt. Es ergibt sich aus dieser Tatsache, daß der Mensch drei Seiten in seinem Wesen hat. Dies und nichts anderes soll hier vorläufig mit den drei Worten Leib, Seele und Geist angedeutet werden. [1]

Leib

Mit Leib ist hier dasjenige gemeint, wodurch sich dem Menschen die Dinge seiner Umwelt offenbaren, wie im obigen Beispiele die Blumen der Wiese. Mit dem Worte Seele soll auf das gedeutet werden, wodurch er die Dinge mit seinem eigenen Dasein verbindet, wodurch er Gefallen und Mißfallen, Lust und Unlust, Freude und Schmerz an ihnen empfindet. Als Geist ist das gemeint, was in ihm offenbar wird, wenn er, nach Goethes Ausdruck, die Dinge als «gleichsam göttliches Wesen» ansieht. – In diesem Sinne besteht der Mensch aus Leib, Seele und Geist. Durch seinen Leib vermag sich der Mensch für den Augenblick mit den Dingen in Verbindung zu setzen. Durch seine Seele bewahrt er in sich die Eindrücke, die sie auf ihn machen; und durch seinen Geist offenbart sich ihm das, was sich die Dinge selbst bewahren. Nur wenn man den Menschen nach diesen drei Seiten betrachtet, kann man hoffen, Aufschluß über seine Wesenheit zu erhalten. Denn diese drei Seiten zeigen ihn in dreifach verschiedener Art mit der übrigen Welt verwandt. Durch seinen Leib ist er mit den Dingen verwandt, die sich seinen Sinnen von außen darbieten. Die Stoffe der Außenwelt setzen diesen seinen Leib zusammen; die Kräfte der Außenwelt wirken auch in ihm. Und wie er die Dinge der Außenwelt mit seinen Sinnen betrachtet, so kann er auch sein eigenes leibliches Dasein beobachten. Aber unmöglich ist es, in derselben Art das seelische Dasein zu betrachten. [2] So ist der Mensch Bürger dreier Welten. Durch seinen Leib gehört er der Welt an, die er auch mit seinem Leibe wahrnimmt; durch seine Seele baut er sich seine eigene Welt auf; durch seinen Geist offenbart sich ihm eine Welt, die über den beiden anderen erhaben ist. Durch leibliche Sinne lernt man den Leib des Menschen kennen. Und die Betrachtungsart kann dabei keine andere sein als diejenige, durch welche man andere sinnlich wahrnehmbare Dinge kennenlernt. Gleich den Mineralien baut er seinen Leib aus den Stoffen der Natur auf; gleich den Pflanzen wächst er und pflanzt sich fort; gleich den Tieren nimmt er die Gegenstände um sich herum wahr und bildet auf Grund ihrer Eindrücke in sich innere Erlebnisse. Ein mineralisches, ein pflanzliches und ein tierisches Dasein darf man daher dem Menschen zusprechen. [3] Wie man dem menschlichen Leib die drei Formen des Daseins, die mineralische, die pflanzliche und die tierische, zuspricht, so muß man ihm noch eine vierte, die besondere menschliche, zusprechen. Durch seine mineralische Daseinsform ist der Mensch verwandt mit allem Sichtbaren, durch seine pflanzliche mit allen Wesen, die wachsen und sich fortpflanzen; durch seine tierische mit allen, die ihre Umgebung wahrnehmen und auf Grund äußerer Eindrücke innere Erlebnisse haben; durch seine menschliche bildet er schon in leiblicher Beziehung ein Reich für sich. [4]

Ätherleib

Innerhalb der offenbaren Welt ist der physische Menschenleib dasjenige, worinnen der Mensch der mineralischen Welt gleich ist. Dagegen kann nicht als physischer Leib das gelten, was den Menschen vom Mineral unterscheidet. Für eine unbefangene Betrachtung ist vor allem die Tatsache wichtig, daß der Tod dasjenige von der menschlichen Wesenheit bloßlegt, was, wenn der Tod eingetreten ist, mit der mineralischen Welt gleicher Art ist. Es sind im physischen Menschenleibe dieselben Stoffe und Kräfte wirksam wie im Mineral, aber ihre Wirksamkeit ist während des Lebens in einen höheren Dienst gestellt. Sie wirken erst der mineralischen Welt gleich, wenn der Tod eingetreten ist. Da treten sie auf, wie sie ihrer eigenen Wesenheit gemäß auftreten müssen, nämlich als Auflöser der physischen Leibesgestaltung. So ist im Menschen scharf zu scheiden das Offenbare von dem Verborgenen. Denn während des Lebens muß ein Verborgenes einen fortwährenden Kampf führen gegen die Stoffe und Kräfte des Mineralischen im physischen Leibe. Hört dieser Kampf auf, so tritt die mineralische Wirksamkeit auf. – Damit ist auf den Punkt hingewiesen, an dem die Wissenschaft vom Übersinnlichen einsetzen muß. Sie hat dasjenige zu suchen, was den angedeuteten Kampf führt. Und dies ist eben für die Beobachtung der Sinne verborgen. Es ist erst der übersinnlichen Beobachtung zugänglich. Wie der Mensch dazu gelangt, daß ihm dieses «Verborgene» so offenbar werde, wie es den gewöhnlichen Augen die sinnlichen Erscheinungen sind, davon wird in einem späteren Teile dieser Schrift (siehe: Schulung) gesprochen werden. Hier aber soll beschrieben werden, was sich der übersinnlichen Beobachtung ergibt. Wenn nun auch jenes Verborgene, das in dem physischen Leibe den Kampf gegen den Zerfall führt, nur für das höhere Schauen zu beobachten ist: in seinen Wirkungen liegt es für die auf das Offenbare sich beschränkende Urteilskraft klar zutage. Und diese Wirkungen drücken sich in der Form oder Gestalt aus, in welcher während des Lebens die mineralischen Stoffe und Kräfte des physischen Leibes zusammengefügt sind. Diese Form entschwindet nach und nach, und der physische Leib wird ein Teil der übrigen mineralischen Welt, wenn der Tod eingetreten ist. Die übersinnliche Anschauung aber kann dasjenige als selbständiges Glied der menschlichen Wesenheit beobachten, was die physischen Stoffe und Kräfte während des Lebens hindert, ihre eigenen Wege zu gehen, welche zur Auflösung des physischen Leibes führen. Es sei dieses selbständige Glied der Ätherleib oder Lebensleib genannt. Das Wort Äther soll angewendet werden für dasjenige, was dem höheren Schauen zugänglich ist und was sich für die Sinnesbeobachtung nur in seinen Wirkungen zu erkennen gibt, nämlich dadurch, daß er den im physischen Leibe vorhandenen mineralischen Stoffen und Kräften eine bestimmte Form oder Gestalt zu geben vermag. Und auch das Wort «Leib» soll nicht mißverstanden werden. Man muß zur Bezeichnung der höheren Dinge des Daseins eben doch die Worte der gewöhnlichen Sprache gebrauchen. Und diese drücken ja für die Sinnesbeobachtung nur das Sinnliche aus. Im sinnlichen Sinne ist natürlich der Ätherleib durchaus nichts Leibliches, wie fein man sich ein solches auch vorstellen mag. [5] Dieser Ätherleib ist also ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit. Ihm kommt für das übersinnliche Erkennen ein höherer Grad von Wirklichkeit zu als dem physischen Leibe. Eine Beschreibung, wie ihn das übersinnliche Erkennen sieht, kann erst in den folgenden Teilen dieser Schrift (siehe: Aura) gegeben werden, wenn hervortreten wird, in welchem Sinne solche Beschreibungen zu nehmen sind. Vorläufig mag es genügen, wenn gesagt wird, daß der Ätherleib den physischen Körper überall durchsetzt (und sogar etwas über ihn hinausragt) und daß er wie eine Art Architekt des letzteren anzusehen ist. Alle Organe werden in ihrer Form und Gestalt durch die Strömungen und Bewegungen des Ätherleibes gehalten. Dem physischen Herzen liegt ein «Ätherherz» zugrunde, dem physischen Gehirn ein «Äthergehirn» und so weiter. Es ist eben der Ätherleib in sich gegliedert wie der physische, nur komplizierter, und es ist in ihm alles in lebendigem Durcheinanderfließen, wo im physischen Leibe abgesonderte Teile vorhanden sind. Diesen Ätherleib hat nun der Mensch so mit dem Pflanzlichen gemein, wie er den physischen Leib mit dem Mineralischen gemein hat. Alles Lebendige hat seinen Ätherleib. [6]

Astralleib

Von dem Ätherleib steigt die übersinnliche Betrachtung auf zu einem weiteren Gliede der menschlichen Wesenheit. Sie deutet zur Bildung einer Vorstellung von diesem Gliede auf die Erscheinung des Schlafes hin, wie sie beim Ätherleib auf den Tod hingewiesen hat. Alles menschliche Schaffen beruht auf der Tätigkeit im Wachen, so weit das Offenbare in Betracht kommt. Diese Tätigkeit ist aber nur möglich, wenn der Mensch die Erstarkung seiner erschöpften Kräfte sich immer wieder aus dem Schlafe holt. Handeln und Denken schwinden dahin im Schlafe, aller Schmerz, alle Lust versinken für das bewußte Leben. Wie aus verborgenen, geheimnisvollen Brunnen steigen beim Erwachen des Menschen bewußte Kräfte aus der Bewußtlosigkeit des Schlafes auf. Es ist dasselbe Bewußtsein, das beim Einschlafen hinuntersinkt in die dunklen Tiefen und das beim Aufwachen wieder heraufsteigt. Dasjenige, was das Leben immer wieder aus dem Zustand der Bewußtlosigkeit erweckt, ist im Sinne übersinnlicher Erkenntnis das dritte Glied der menschlichen Wesenheit. Man kann es den Astralleib nennen. Ein Ätherleib, der bloß sich selbst überlassen wäre, müßte sich fortdauernd in dem Zustande des Schlafes befinden. Man kann auch sagen: er könnte in dem physischen Leibe nur ein Pflanzensein unterhalten. Ein wachender Ätherleib ist von einem Astralleib durchleuchtet. Für die Sinnesbeobachtung verschwindet die Wirkung dieses Astralleibes, wenn der Mensch in Schlaf versinkt. Für die übersinnliche Beobachtung bleibt er noch vorhanden; nur erscheint er von dem Ätherleib getrennt oder aus ihm herausgehoben. Die Sinnesbeobachtung hat es eben nicht mit dem Astralleib selbst zu tun, sondern nur mit seinen Wirkungen in dem Offenbaren. In demselben Sinne, wie der Mensch seinen physischen Leib mit den Mineralien, seinen Ätherleib mit den Pflanzen gemein hat, ist er in bezug auf seinen Astralleib gleicher Art mit den Tieren. [7]

Empfindungsseele

Dieser Name «astral», der «sternenglänzend» bedeutet, rührt davon her, daß das übersinnlich sichtbare Abbild desselben in der Aura erscheint, deren Leuchtkraft mit derjenigen der Sterne verglichen worden ist. Hier soll dieser Teil des Menschen der Empfindungsleib, als das dritte Glied der menschlichen Wesenheit, genannt werden. Innerhalb dieses Empfindungsleibes erscheint nun das Eigenleben eines Menschen. Es drückt sich aus in Lust und Unlust, Freude und Schmerz, in Neigungen und Abneigungen und so weiter. Mit einem gewissen Recht bezeichnet man alles, was dazu gehört, als Innenleben eines Wesens. Dieser Organismus schließt sich in seinen empfindenden Organen (beispielsweise) dem Sternenhimmel auf. Die Freude und das Gefühl der Bewunderung über den Sternenhimmel erlebe ich in mir selbst. Ich trage diese in mir, wenn meinem empfindenden Auge längst der Sternenhimmel sich entzogen hat. Was ich da als mich selbst der Außenwelt gegenüberstelle, was ein Leben in sich führt, ist die Seele. Und insofern diese Seele die Empfindungen sich aneignet, insofern sie Vorgänge, die ihr von außen gegeben werden, sich aneignet und sie zum Eigenleben umgestaltet, sei sie Empfindungsseele genannt. Diese Empfindungsseele füllt gleichsam den Empfindungsleib aus; alles, was er von außen aufnimmt, verwandelt sie in ein inneres Erlebnis. So bildet sie mit dem Empfindungsleib ein Ganzes. Sie wird deshalb mit diesem zusammen als Astralleib bezeichnet. Eine gründliche Erkenntnis wird allerdings beide unterscheiden müssen. [8]

Verstandesseele

Bei den Eindrücken, die der Mensch von außen empfängt, und bei den Gefühlen, die er durch diese Eindrücke erlebt, bleibt er nicht stehen. Er verbindet diese Eindrücke. Dadurch bilden sich in seiner Seele Gesamtbilder dessen, was er wahrnimmt. Der Mensch sieht (zum Beispiel) einen Stein fallen; nachher sieht er, daß an der Stelle, wo der Stein aufgefallen ist, sich eine Höhlung in der Erde gebildet hat. Beide Eindrücke verbindet er. Er sagt: der Stein hat die Erde ausgehöhlt. In dieser Verbindung äußert sich das Denken. Innerhalb der Empfindungsseele lebt die denkende, die Verstandesseele auf. Nur durch sie entsteht aus dem, was die Seele durch Einflüsse von außen erlebt, ein durch sie selbst geregeltes Abbild dieser Außenwelt. Fortwährend vollzieht die Seele diese Regelung ihrer äußeren Eindrücke.

Und das, was sie so erzeugt, ist eine durch ihre Natur bestimmte Beschreibung dessen, was sie wahrnimmt. Daß es durch ihre Natur bestimmt ist, ergibt sich, wenn man eine solche Beschreibung mit dem vergleicht, was beschrieben wird. Zwei Menschen können denselben Gegenstand vor sich haben; ihre Beschreibungen sind verschieden nach den inneren Beschaffenheiten ihrer Seelen. Sie kombinieren ihre Eindrücke in verschiedener Weise. Durch das beschreibende Denken wird aber der Mensch auch über das bloße Eigenleben hinausgeführt. Er erwirbt sich etwas, das über seine Seele hinausreicht. Es ist für ihn eine selbstverständliche Überzeugung, daß seine Beschreibungen der Dinge mit diesen selbst in einem Verhältnisse stehen. Er orientiert sich in der Welt dadurch, daß er über sie denkt. Er erlebt dadurch eine gewisse Übereinstimmung seines Eigenlebens mit der Ordnung der Welttatsachen. Die Verstandesseele schafft dadurch Einklang zwischen Seele und Welt. In seiner Seele sucht der Mensch nach Wahrheit; und durch diese Wahrheit spricht sich nicht allein die Seele aus, sondern die Dinge der Welt. In der Verbindung mit der Wahrheit ergreift die Seele etwas, das seinen Wert in sich trägt. [9]

Bewußtseinsseele

Und dieser Wert verschwindet nicht mit dem eigenen Seelenerlebnis; ebensowenig ist es mit diesem entstanden. Es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den Beschreibungen, bei denen die Verstandesseele lediglich sich bei ihren Kombinationen überläßt, und den Gedanken, bei denen sie sich den Gesetzen der Wahrheit unterwirft. Ein Gedanke, der dadurch eine über das Innenleben hinausgehende Bedeutung erhält, daß er von diesen Gesetzen der Wahrheit durchdrungen ist, darf erst als Wissen angesehen werden. Indem die Wahrheit in die Verstandesseele hereinleuchtet, wird diese zur Bewußtseinsseele. Wie im Leibe drei Glieder zu unterscheiden sind: der physische Leib, das Leben (der Ätherleib) und der Empfindungsleib (Astralleib), so in der Seele die Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele. [10]

Geist und die drei Seelenglieder

Auch in Bezug auf die Wahrnehmung der Empfindungsseele muß Ähnliches gesagt werden wie vorher im Hinblick auf den Ätherleib. Die leiblichen Organe sind «blind» für sie. Und auch das Organ, von dem das Leben als Leben wahrgenommen werden kann, ist es. Aber so, wie durch dieses Organ der Ätherleib geschaut wird, so kann durch ein noch höheres Organ die innere Welt der Empfindungen zu einer besonderen Art übersinnlicher Wahrnehmung werden. Der Mensch empfindet dann nicht nur die Eindrücke der physischen und der Lebenswelt, sondern er «schaut» die Empfindungen. Vor einem Menschen mit einem solchen Organ liegt die Welt der Empfindungen eines anderen Wesens wie eine «äußere Wirklichkeit» da. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier ausdrücklich gesagt, daß der Seher nicht etwa in sich dasselbe erlebt, was das andere Wesen als seinen Inhalt der Empfindungswelt in sich hat. Dieses erlebt die Empfindungen von dem Gesichtspunkte seines Innern; der Seher nimmt die Offenbarung, eine Äußerung der Empfindungswelt wahr. Die Empfindungsseele hängt in bezug auf ihre Wirkung vom Ätherleib ab, denn aus ihm holt sie ja das hervor, was sie als Empfindung aufglänzen lassen soll. Und da der Ätherleib das Leben innerhalb des physischen Leibes ist, so ist die Empfindungsseele auch von diesem mittelbar abhängig. (So sind beispielsweise) nur bei richtig lebendem, wohl gebautem Auge entsprechende Farbenempfindungen möglich. Dadurch wirkt die Leiblichkeit auf die Empfindungsseele. Diese ist also durch den Leib in ihrer Wirksamkeit bestimmt und begrenzt. Sie lebt innerhalb der ihr durch die Leiblichkeit gezogenen Grenzen. – Der Leib wird also aus den mineralischen Stoffen auferbaut, durch den Ätherleib belebt, und er begrenzt selbst die Empfindungsseele. Wer also das oben erwähnte Organ zum «Schauen» der Empfindungsseele hat, der erkennt sie durch den Leib begrenzt. – Aber die Grenze der Empfindungsseele fällt nicht mit derjenigen des physischen Körpers zusammen. Diese Seele ragt über den physischen Leib hinaus. Man sieht (also) daraus, daß sie sich mächtiger erweist, als er ist. Aber die Kraft, durch die ihr die Grenze gesetzt ist, geht von dem physischen Leibe aus. Damit stellt sich zwischen den physischen Leib und den Ätherleib einerseits und die Empfindungsseele andererseits noch ein besonderes Glied der menschlichen Wesenheit hin. Es ist der Seelenleib oder Empfindungsleib. Man kann auch sagen: ein Teil des Ätherleibes sei feiner als der übrige, und dieser feinere Teil des Ätherleibes bildet eine Einheit mit der Empfindungsseele, während der gröbere Teil eine Art Einheit mit dem physischen Leib bildet. Doch ragt, wie gesagt, die Empfindungsseele über den Seelenleib hinaus. [11]

Ebenso wie mit dem Leibe tritt die Empfindungsseele auch mit dem Denken, dem Geiste, in Wechselwirkung. Zunächst dient ihr das Denken. Der Mensch bildet sich Gedanken über seine Empfindungen. Dadurch klärt er sich über die Außenwelt auf. Auch seinen Trieben, Instinkten und Leidenschaften folgt der Mensch nicht blindlings; sein Nachdenken führt die Gelegenheit herbei, durch die er sie befriedigen kann. Was man materielle Kultur nennt, bewegt sich durchaus in dieser Richtung. Sie besteht in den Diensten, die das Denken der Empfindungsseele leistet. Unermeßliche Summen von Denkkräften werden auf dieses Ziel gerichtet. Denkkraft ist es, die Schiffe, Eisenbahnen, Telegrafen, Telefone gebaut hat; und alles das dient zum weitaus größten Teil zur Befriedigung von Bedürfnissen der Empfindungsseelen. Durch die Empfindungsseele ist der Mensch dem Tiere verwandt. Auch beim Tiere bemerken wir das Vorhandensein von Empfindungen, Trieben, Instinkten und Leidenschaften. Aber das Tier folgt diesen unmittelbar. Auch beim unentwickelten Menschen ist das bis zu einem gewissen Grade der Fall. Die bloße Empfindungsseele ist daher verschieden von dem entwickelten höheren Seelengliede, welche das Denken in seinen Dienst stellt. Als Verstandesseele sei diese vom Denken bediente Seele bezeichnet. Man könnte sie auch die Gemütsseele oder das Gemüt nennen. Die Verstandesseele durchdringt die Empfindungsseele. Wer das Organ zum «Schauen» der Seele hat, sieht daher die Verstandesseele als eine besondere Wesenheit gegenüber der bloßen Empfindungsseele an. [12]

Indem der Mensch das selbständige Wahre und Gute in seinem Innern aufleben läßt, erhebt er sich über die bloße Empfindungsseele. Der ewige Geist scheint in diese herein. Ein Licht geht in ihr auf, das unvergänglich ist. Sofern die Seele in diesem Lichte lebt, ist sie eines Ewigen teilhaftig. Sie verbindet mit ihm ihr eigenes Dasein. Was die Seele als Wahres und Gutes in sich trägt, ist unsterblich in ihr. – Das, was in der Seele als Ewiges aufleuchtet, sei hier Bewußtseinsseele genannt. So hätte man, wie in dem Leib, auch in der Seele drei Glieder zu unterscheiden: die Empfindungsseele, die Verstandesseele und die Bewußtseinsseele. Und wie von unten herauf die Leiblichkeit auf die Seele begrenzend wirkt, so wirkt von oben herunter die Geistigkeit auf sie erweiternd. Denn je mehr sich die Seele von dem Wahren und Guten erfüllt, desto weiter und umfassender wird das Ewige in ihr. Für denjenigen, der die Seele zu «schauen» vermag, ist der Glanz, der von dem Menschen ausgeht, weil sein Ewiges sich erweitert, eine ebensolche Wirklichkeit, wie für das sinnliche Auge das Licht wirklich ist, das von einer Flamme ausstrahlt. Für den «Sehenden» gilt der leibliche Mensch nur als ein Teil des ganzen Menschen. Der Leib liegt als das gröbste Gebilde inmitten anderer, die ihn und sich selbst gegenseitig durchdringen. Als eine Lebensform erfüllt den physischen Körper der Ätherleib; an allen Seiten über diesen hinausragend erkennt man den Seelenleib (als) Astralgestalt. Und wieder über diesen hinausragend die Empfindungsseele, dann die Verstandesseele, die um so größer wird, je mehr sie von dem Wahren und Guten in sich aufnimmt. Diese Gebilde, inmitten deren der physische Körper wie in einer Wolke erscheint, kann man die menschliche Aura nennen. [13]

Ich

Das vierte Glied seiner Wesenheit, welches die übersinnliche Erkenntnis dem Menschen zuschreiben muß, hat er nun nicht mehr gemein mit der ihn umgebenden Welt des Offenbaren. Die übersinnliche Erkenntnis bildet eine Vorstellung von diesem weiteren Gliede der menschlichen Wesenheit, indem sie darauf hinweist, daß auch innerhalb der wachen Erlebnisse noch ein wesentlicher Unterschied besteht, der sofort hervortritt, wenn der Mensch seine Aufmerksamkeit darauf lenkt, daß er im wachen Zustande einerseits fortwährend in der Mitte von Erlebnissen steht, die kommen und gehen müssen, und daß er andererseits auch Erlebnisse hat, bei denen dies nicht der Fall ist. Es tritt das besonders scharf hervor, wenn man die Erlebnisse des Menschen mit denen des Tieres vergleicht. Dieses erlebt mit großer Regelmäßigkeit die Einflüsse der äußeren Welt und wird sich unter dem Einflusse der Wärme und Kälte, des Schmerzes und der Lust, unter gewissen regelmäßig ablaufenden Vorgängen seines Leibes des Hungers und Durstes bewußt. Des Menschen Leben ist mit solchen Erlebnissen nicht erschöpft. Er kann Begierden, Wünsche entwickeln, die über das alles hinausgehen. Beim Tier würde man immer nachweisen können, wenn man weit genug zu gehen vermöchte, wo außer dem Leibe oder in dem Leibe die Veranlassung zu einer Handlung, zu einer Empfindung ist. Beim Menschen ist das keineswegs der Fall. Er kann Wünsche und Begierden erzeugen, zu deren Entstehung die Veranlassung weder innerhalb noch außerhalb seines Leibes hinreichend ist. Allem, was in dieses Gebiet fällt, muß man eine besondere Quelle geben. Und diese Quelle kann man im Sinne der übersinnlichen Wissenschaft im «Ich» des Menschen sehen. Das Ich kann daher als das vierte Glied der menschlichen Wesenheit angesprochen werden. – Wäre der Astralleib sich selbst überlassen (wie beim Tier), es würden sich Lust und Schmerz, Hunger- und Durstgefühle in ihm abspielen; was aber dann nicht zustandekäme, ist die Empfindung: es sei ein Bleibendes in alle dem. Nicht das Bleibende als solches wird hier als «Ich» bezeichnet, sondern dasjenige, welches dieses Bleibende erlebt. Man muß auf diesem Gebiete die Begriffe ganz scharf fassen, wenn nicht Miß-verständnisse entstehen sollen. Mit dem Gewahrwerden eines Dauernden, Bleibenden im Wechsel der inneren Erlebnisse beginnt das Aufdämmern des «Ichgefühles». – Wie der physische Leib zerfällt, wenn ihn nicht der Ätherleib zusammenhält; wie der Ätherleib in die Bewußtlosigkeit versinkt, wenn ihn nicht der Astralleib durchleuchtet, so müßte der Astralleib das Vergangene immer wieder in die Vergessenheit sinken lassen, wenn dieses nicht vom «Ich» in die Gegenwart herübergerettet würde. Was für den physischen Leib der Tod, für den Ätherleib der Schlaf, das ist für den Astralleib das Vergessen. Man kann auch sagen: dem Ätherleib sei das Leben eigen, dem Astralleib das Bewußtsein und dem Ich die Erinnerung. [14]

Für das Ich bedeuten Erinnerung und Vergessen etwas durchaus Ähnliches wie für den Astralleib Wachen und Schlaf. Und wie der Schlaf notwendig ist, damit die erschöpften Lebenskräfte neu gestärkt werden, so muß der Mensch gewisse Teile seiner Vergangenheit aus der Erinnerung vertilgen, wenn er neuen Erlebnissen frei und unbefangen gegenüberstehen soll. Aber gerade aus dem Vergessen erwächst ihm Stärkung für die Wahrnehmung des Neuen. Man denke an Tatsachen wie das Lernen des Schreibens. Alle Einzelheiten, welche das Kind zu durchleben hat, um schreiben zu lernen, werden vergessen. Was bleibt, ist die Fähigkeit des Schreibens. Wie würde der Mensch schreiben, wenn beim jedesmaligen Ansetzen der Feder alle die Erlebnisse in der Seele als Erinnerung aufstiegen, welche beim Schreibenlernen durchgemacht werden mußten. [15]

Ich und die Erinnerung

Nun tritt die Erinnerung in verschiedenen Stufen auf. Schon das ist die einfachste Form der Erinnerung, wenn der Mensch einen Gegenstand wahrnimmt und er dann nach dem Abwenden von dem Gegenstande die Vorstellung von ihm wieder erwecken kann. Diese Vorstellung hat der Mensch sich gebildet, während er den Gegenstand wahrgenommen hat. Es hat sich da ein Vorgang abgespielt zwischen seinem astralischen Leibe und seinem Ich. Der Astralleib hat den äußeren Eindruck von dem Gegenstande bewußt gemacht. Doch würde das Wissen von dem Gegenstande nur so lange dauern, als dieser gegenwärtig ist, wenn das Ich nicht das Wissen in sich aufnehmen und zu seinem Besitztume machen würde. – Hier an diesem Punkte scheidet die übersinnliche Anschauung das Leibliche von dem Seelischen. Man spricht vom Astralleibe, solange man die Entstehung des Wissens von dem gegenwärtigen Gegenstande im Auge hat. Dasjenige aber, was dem Wissen Dauer gibt, bezeichnet man als Seele. Man sieht aber zugleich aus dem Gesagten, wie eng verbunden im Menschen der Astralleib mit dem Teile der Seele ist, welcher dem Wissen Dauer verleiht. Beide sind gewissermaßen zu einem Gliede der menschlichen Wesenheit vereinigt. Deshalb kann man (nun) auch diese Vereinigung als Astralleib bezeichnen. Auch kann man, wenn man eine genauere Bezeichnung will, von dem Astralleib des Menschen als dem Seelenleib sprechen, und von der Seele, insofern sie mit diesem vereinigt ist, als der Empfindungsseele.

Das Ich steigt zu einer höheren Stufe seiner Wesenheit, wenn es seine Tätigkeit auf das richtet, was es aus dem Wissen der Gegenstände zu seinem Besitztum gemacht hat. Dies ist die Tätigkeit, durch welche sich das Ich von den Gegenständen der Wahrnehmung immer mehr loslöst, um in seinem eigenen Besitze zu arbeiten. Den Teil der Seele, dem dieses zukommt, kann man als Verstandes- oder Gemütsseele bezeichnen. [16]

Ich als der unaussprechliche Namen Gottes

Das eigentliche Wesen des Ich ist von allem Äußeren unabhängig; deshalb kann ihm sein Name auch von keinem Äußeren zugerufen werden. Jene religiösen Bekenntnisse, welche mit Bewußtsein ihren Zusammenhang mit der übersinnlichen Anschauung aufrechterhalten haben, nennen daher die Bezeichnung «Ich» den «unaussprechlichen Namen Gottes». Wie die Empfindungsseele und die Verstandesseele in der äußeren Welt leben, so taucht ein drittes Glied der Seele in das Göttliche ein, wenn diese zur Wahrnehmung ihrer eigenen Wesenheit gelangt. Leicht kann demgegenüber das Mißverständnis entstehen, als ob solche Anschauungen das Ich mit Gott für Eins erklärten. Aber sie sagen durchaus nicht, daß das Ich Gott sei, sondern nur, daß es mit dem Göttlichen von einerlei Art und Wesenheit ist. Behauptet denn jemand, der Tropfen Wasser, der dem Meere entnommen ist, sei das Meer, wenn er sagt: der Tropfen sei derselben Wesenheit oder Substanz wie das Meer? Will man durchaus einen Vergleich gebrauchen, so kann man sagen: wie der Tropfen sich zu dem Meere verhält, so verhält sich das «Ich» zum Göttlichen. Der Mensch kann in sich ein Göttliches finden, weil sein ureigenstes Wesen dem Göttlichen entnommen ist. So also erlangt der Mensch durch dieses sein drittes Seelenglied, ein inneres Wissen von sich selbst, wie er durch den Astralleib ein Wissen von der Außenwelt erhält. Deshalb kann die Geisteswissenschaft dieses dritte Seelenglied auch die Bewußtseinsseele nennen. Und in ihrem Sinne besteht das Seelische aus drei Gliedern: der Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele, wie das Leibliche aus drei Gliedern besteht, dem physischen Leib, dem Ätherleib und dem Astralleib. [17]

In der Bewußtseinsseele enthüllt sich erst die wirkliche Natur des Ich. Denn während sich die Seele in Empfindung und Verstand an anderes verliert, ergreift sie als Bewußtseinsseele ihre eigene Wesenheit. Daher kann dieses Ich durch die Bewußtseinsseele auch nicht anders als durch eine gewisse innere Tätigkeit wahrgenommen werden. Mit der Wahrnehmung des Ich – mit der Selbstbesinnung – beginnt eine innere Tätigkeit des Ich. [18]

Durch das Selbstbewußtsein bezeichnet sich der Mensch als ein selbständiges, von allem übrigen abgeschlossenes Wesen, als «Ich». Im Ich faßt der Mensch alles zusammen, was er als leibliche und seelische Wesenheit erlebt. Leib und Seele sind die Träger des Ich; in ihnen wirkt es. Wie der physische Körper im Gehirn, so hat die Seele im Ich ihren Mittelpunkt. Zu Empfindungen wird der Mensch von außen angeregt: Gefühle machen sich geltend als Wirkungen der Außenwelt; der Wille bezieht sich auf die Außenwelt, denn er verwirklicht sich in äußeren Handlungen. Das Ich bleibt als die eigentliche Wesenheit des Menschen ganz unsichtbar. Treffend nennt daher Jean Paul das Gewahrwerden des Ich eine «bloß im verhangenen Allerheiligsten des Menschen vorgefallene Begebenheit». Denn mit seinem Ich ist der Mensch ganz allein. – Und dieses Ich ist der Mensch selber. Das berechtigt ihn, dieses Ich als seine wahre Wesenheit anzusehen. Er darf deshalb seinen Leib und seine Seele als die «Hüllen» bezeichnen, innerhalb deren er lebt; und er darf sie als leibliche Bedingungen bezeichnen, durch die er wirkt. Niemals kann der Name «Ich» von außen an mein Ohr dringen, wenn er die Bezeichnung für mich ist. Nur von innen heraus, nur durch sich selbst kann die Seele sich als Ich bezeichnen. Indem der Mensch also zu sich Ich sagt, beginnt in ihm etwas zu sprechen, was mit keiner der Welten etwas zu tun hat, aus der die bisher genannten Hüllen entnommen sind. [19]

Das Ich wird immer mehr Herrscher über Leib und Seele. – Auch das kommt in der Aura zum Ausdrucke. Je mehr das Ich Herrscher ist über Leib und Seele, desto gegliederter, mannigfaltiger, farbenreicher ist die Aura. Die Wirkung des Ich auf die Aura kann der «Sehende» schauen. Das Ich selbst ist auch ihm unsichtbar: dieses ist wirklich in dem «verhangenen Allerheiligsten des Menschen».

Aber das Ich nimmt in sich die Strahlen des Lichtes auf, das als ewiges Licht in dem Menschen aufleuchtet. Wie der Mensch die Erlebnisse des Leibes und der Seele in dem Ich zusammenfaßt, so läßt er auch die Gedanken der Wahrheit und Güte in das Ich einfließen. Die Sinneserscheinungen offenbaren sich dem Ich von der einen, der Geist von der anderen Seite. Leib und Seele geben sich dem Ich hin, um ihm zu dienen; das Ich aber gibt sich dem Geiste hin, daß er es erfülle. Das Ich lebt in Leib und Seele; der Geist aber lebt im Ich. Und was vom Geiste im Ich ist, das ist ewig. Denn das Ich erhält Wesen und Bedeutung von dem, womit es verbunden ist. Insofern es im physischen Körper lebt, ist es den mineralischen Gesetzen, durch den Ätherleib ist es den Gesetzen der Fortpflanzung und des Wachstums, vermöge der Empfindungs- und Verstandesseele den Gesetzen der seelischen Welt unterworfen; insofern es das Geistige in sich aufnimmt, ist es den Gesetzen des Geistes unterworfen. Was die mineralischen, was die Lebensgesetze bilden, entsteht und vergeht; der Geist aber hat mit Entstehung und Untergang nichts zu tun. [20]

Ich und Geist

Das Ich lebt in der Seele. Wenn auch die höchste Äußerung des Ich der Bewußtseinsseele angehört, so muß man doch sagen, daß dieses Ich von da ausstrahlend die ganze Seele erfüllt und durch die Seele seine Wirkung auf den Leib äußert. Und in dem Ich ist der Geist lebendig. Es strahlt der Geist in das Ich und lebt in ihm als in seiner «Hülle», wie das Ich in Leib und Seele als seinen «Hüllen» lebt. Der Geist bildet das Ich von innen nach außen, die mineralische Welt von außen nach innen. Der ein Ich bildende und als Ich lebende Geist sei Geistselbst (siehe unter Manas) genannt, weil er als Ich oder Selbst des Menschen erscheint. Den Unterschied zwischen dem Geistselbst und der Bewußtseinsseele kann man sich in folgender Art klarmachen: Die Bewußtseinsseele berührt die von jeder Antipathie und Sympathie unabhängige, durch sich selbst bestehende Wahrheit; das Geistselbst trägt in sich dieselbe Wahrheit, aber aufgenommen und umschlossen durch das Ich; durch das letztere individualisiert und in die selbständige Wesenheit des Menschen übernommen. Dadurch, daß die ewige Wahrheit so verselbständigt und mit dem Ich zu einer Wesenheit verbunden wird, erlangt das Ich selbst die Ewigkeit. Das Geistselbst ist eine Offenbarung der geistigen Welt innerhalb des Ich, wie von der anderen Seite her die Sinnesempfindung eine Offenbarung der physischen Welt innerhalb des Ich ist. In dem gleichen Sinne, wie die Offenbarung des Körperlichen Empfindung heißt, sei die Offenbarung des Geistigen Intuition genannt. Der einfachste Gedanke enthält schon Intuition, denn man kann ihn nicht mit Händen tasten, nicht mit Augen sehen: man muß seine Offenbarung aus dem Geiste durch das Ich empfangen. [21]

Durch die Intuitionen holt sich das Ich des Menschen, das in der Seele auflebt, die Botschaften von oben, von der Geisteswelt, wie es sich durch die Empfindungen die Botschaften aus der physischen Welt holt. Und dadurch macht es die Geisteswelt ebenso zum Eigenleben seiner Seele wie vermittels der Sinne die physische Welt. Wie nun die physische Welt dem Ich nur dadurch von sich Kunde geben kann, daß sie aus ihren Stoffen und Kräften einen Körper aufbaut, in dem die bewußte Seele leben kann und innerhalb dessen diese Organe besitzt, um das Körperliche außer sich wahrzunehmen, so baut auch die geistige Welt mit ihren «Geistesstoffen» und ihren «Geisteskräften» einen «Geistkörper» auf, in dem das Ich leben und durch Intuitionen das Geistige wahrnehmen kann. Und ebenso wie innerhalb der physischen Welt der einzelne menschliche Körper als eine abgesonderte Wesenheit aufgebaut wird, so innerhalb der Geisteswelt der «Geistkörper». Es gibt in der Geisteswelt für den Menschen ebenso ein Innen und Außen wie in der physischen Welt. Wie der Mensch aus der physischen Umwelt die Stoffe aufnimmt und sie in seinem physischen Leib verarbeitet, so nimmt er aus der geistigen Umwelt das Geistige auf und macht es zu dem Seinigen. Das Geistige ist die ewige Nahrung des Menschen. Und wie der Mensch aus der physischen Welt geboren ist, so wird er aus dem Geiste durch die ewigen Gesetze des Wahren und Guten geboren. Er ist von der außer ihm befindlichen Geisteswelt abgetrennt, wie er von der gesamten physischen Welt als ein selbständiges Wesen abgetrennt ist. Diese selbständige geistige Wesenheit sei «Geistmensch» genannt (siehe: Atma). Wenn wir den physischen Menschenkörper untersuchen, finden wir in ihm dieselben Stoffe und Kräfte, die außerhalb desselben in der übrigen physischen Welt vorhanden sind. So ist es auch mit dem Geistmenschen. In ihm pulsieren die Elemente der äußeren Geisteswelt, in ihm sind die Kräfte der übrigen Geisteswelt tätig. Wie in der physischen Haut ein Wesen in sich abgeschlossen wird, das lebend und empfindend ist, so auch in der Geisteswelt. Die geistige Haut, die den Geistmenschen von der einheitlichen Geisteswelt abschließt, ihn innerhalb derselben zu einem selbständigen Geisteswesen macht, das in sich lebt und intuitiv den Geistesinhalt der Welt wahrnimmt, – diese «geistige Haut» sei Geisteshülle oder aurische Hülle genannt. Nur muß festgehalten werden, daß diese geistige Haut sich fortdauernd mit der fortschreitenden menschlichen Entwickelung ausdehnt, so daß die geistige Individualität des Menschen, seine aurische Hülle, einer unbegrenzten Vergrößerung fähig ist.

Innerhalb dieser Geisteshülle lebt der Geistesmensch. Dieser wird durch die geistige «Lebenskraft» in demselben Sinne auferbaut, wie der physische Leib durch die physische Lebenskraft. In ähnlicher Weise, wie man von einem Ätherleib spricht, muß man daher von einem «Äthergeist» in bezug auf den Geistesmenschen sprechen. Dieser «Äthergeist» sei Lebensgeist genannt (siehe: Buddhi). [22]

In drei Teile gliedert sich also die geistige Wesenheit des Menschen: in den Geistmenschen, den Lebensgeist und das Geistselbst. Für den in den geistigen Gebieten «Sehenden» ist diese geistige Wesenheit des Menschen als der höhere – eigentliche geistige Teil der Aura eine wahrnehmbare Wirklichkeit. Er «schaut» innerhalb der Geisteshülle den Geistesmenschen als Lebensgeist; und «er schaut», wie sich dieser Lebensgeist fortwährend durch Aufnahme von «Geistesnahrung» aus der geistigen Außenwelt vergrößert. Und ferner sieht er, wie durch diese Aufnahme sich die Geisteshülle fortdauernd weitet, wie der Geistmensch immer größer und größer wird. Insofern dieses «Größerwerden» räumlich «geschaut» wird, ist es selbstverständlich nur ein Bild der Wirklichkeit. Es ist der Unterschied der geistigen Wesenheit des Menschen von seiner physischen, daß die letztere eine begrenzte Größe hat, während die erstere unbegrenzt wachsen kann. Was an geistiger Nahrung aufgenommen wird, hat ja einen Ewigkeitswert. Aus zwei sich durchdringenden Teilen setzt sich deshalb die menschliche Aura zusammen. Dem einen gibt Färbung und Form das physische Dasein des Menschen, dem anderen sein geistiges. Das Ich gibt die Trennung zwischen beiden, in der Art, daß sich das Physische in seiner Eigenart hingibt und einen Leib aufbaut, der eine Seele in sich aufleben läßt; und das Ich gibt sich wieder hin und läßt in sich den Geist aufleben, der nun seinerseits die Seele durchdringt und ihr das Ziel gibt in der Geisteswelt. Durch den Leib ist die Seele eingeschlossen im Physischen, durch den Geistmenschen wachsen ihr die Flügel zur Bewegung in der geistigen Welt. [23]

Zitate:

[1]  GA 9, Seite 25f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[2]  GA 9, Seite 26f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[3]  GA 9, Seite 28f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[4]  GA 9, Seite 30   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[5]  GA 13, Seite 52uf   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[6]  GA 13, Seite 57f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[7]  GA 13, Seite 58f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[8]  GA 34, Seite 129f   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[9]  GA 34, Seite 130ff   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[10]  GA 34, Seite 131   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[11]  GA 9, Seite 40ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[12]  GA 9, Seite 42ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[13]  GA 9, Seite 46f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[14]  GA 13, Seite 60ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[15]  GA 13, Seite 64   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[16]  GA 13, Seite 65   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[17]  GA 13, Seite 66f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[18]  GA 13, Seite 69   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[19]  GA 9, Seite 48f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[20]  GA 9, Seite 49f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[21]  GA 9, Seite 50ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[22]  GA 9, Seite 52ff   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[23]  GA 9, Seite 54f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)
GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)