Asuras

Wie der Mensch heute aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, Manas, Buddhi und Atman besteht, so (bestehen) diese Wesen, die den Saturn bewohnten, die wir mit dem heutigen Erdenmenschen in seinem Verhältnis zur Erde vergleichen können (diese Wesen machten damals ihre Menschenstufe durch), aus Ich, Manas, Buddhi, Atman, dem Heiligen Geist, dem Wort oder Sohn und dem Vater (siehe: drei Logoi). Die theosophische Sprache nennt sie Asuras (Archai). Sie sind diejenigen, die von Anfang an dieser physischen Anlage des (späteren) Menschenleibes eingepflanzt haben die Selbständigkeit, das Ich-Bewußtsein und das Ich-Gefühl. Sie könnten Ihr Auge gar nicht im Dienste des Ich verwenden, wenn Ihre Anlage damals nicht schon so vorbereitet worden wäre, daß Sie sie in den Dienst des Ich stellen konnten. So sind diese Glieder vorbereitet worden durch die Geister des Ich – auch die Geister des Egoismus genannt (Archai). Sie haben uns gegeben, was das Weiseste ist, wenn es richtig ausgebildet wird. Aber alles Höchste wird in sein Gegenteil verkehrt, wirkt am schädlichsten und verderblichsten, wenn es nicht richtig ausgebildet wird. Niemals könnte der Mensch jene hohe Stufe erreichen, die wir als die selbständige Menschenwürde bezeichnen, wenn nicht diese Geister ihm das Ich-Gefühl eingepflanzt hätten.

Immer hat es auch Wesen gegeben, welche die böse Bahn eingeschlagen haben. Diese Wesenheiten, die heute weit über dem Menschen erhaben sind, zu denen wir aufschauen als zu den erhabensten, die es geben kann, sie haben die Ichheit in den Dienst der Selbstverleugnung, des Opfers gestellt; die andern haben ihre Ichheit selbstsüchtig weiterverfolgt. Wir tragen in uns die Wirkungen jener Geister des Ich, die den guten Weg eingeschlagen haben (Archai), in dem Streben nach Freiheit und Menschenwürde, und wir tragen den Keim des Bösen in uns, weil fortgewirkt haben die damals (Saturn) abgefallenen Wesenheiten (Asuras). Diesen Gegensatz hat man immer empfunden. Das Christentum selbst unterscheidet zwischen dem Vatergott, den das Christentum ansieht als den höchstgestiegenen Geist des Saturn, und seinem Widersacher, dem Geist aller bösen Iche und alles radikal Unmoralischen, der damals auf dem Saturn abgefallen ist. [1]

Die Asuras sind in der Saturnentwickelung zurückgebliebene Geister des allerstärksten Egoismus. Das sind die Wesenheiten, die der Achten Sphäre zustreben. Sie wollen die Materie immer mehr verdichten, zusammenpressen, so daß sie nicht wiederum vergeistigt, das heißt ihrem Urzustand zugeführt werden kann. Sie sind der Bodensatz der ganzen Planetenentwickelung, die beim Saturn beginnt und durch Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus, Vulkan durchgeht. Die Asuras bevölkern jetzt schon den Mond und wirken vom Mond auf den Menschen, den sie herabziehen wollen in die Achte Sphäre und ihn so der fortschreitenden Entwicklung und deren Ziel – dem Christus – entreißen wollen. Alle der Achten Sphäre Zustrebenden werden schließlich auf einem Mond [des künftigen Jupiter] ihr Dasein finden. [2]

Während nun alle Wesenheiten die auf der (alten) Sonne waren, leuchtend waren, wie heute alles, was Fixstern ist, wirkte das alte Saturnreich derjenigen Wesenheiten, die zurückgeblieben waren, wie ein dunkler Einschluß, wie finstere Stellen dem Licht gegenüber, wie dumpfe Höhlen innerhalb des Sonnenleibes, die seine Harmonie störten. Namentlich in bezug auf das Weltenaroma mischten sich von den zurückgebliebenen Wesenheiten Empfindungen ein, die allerlei Mißgerüche verbreiteten. Das hat unsere Mythe behalten, indem sie sagt, daß der Teufel stinkt und einen bösen Geruch zurückläßt. Bei dem Fortschritt der Sonne (zur gegenwärtigen) ist wirklich auch ein dunkler Einschluß zurückgeblieben, und die heutigen Sonnenflecken sind wirklich die Nachzügler des alten Saturnreiches auf der Sonne. [3] Diese Ichwesen des Saturn nennt man auch die Geister des Egoismus. Egoismus ist etwas, was zwei Seiten hat, eine vortreffliche und eine verwerfliche. Wenn damals auf dem Saturn und auf den folgenden Planeten nicht immer wieder und wieder den Wesenheiten der Egoismus eingepflanzt worden wäre, dann wäre der Mensch nie ein selbständiges Wesen geworden, das «Ich» zu sich sagen kann. In Ihrer Leiblichkeit ist schon von dem Saturn her die Summe der Kraft eingeimpft, die Sie stempelt zu einer selbständigen Wesenheit, die Sie abgliedert von allen anderen Wesenheiten. Dazu mußten die Geister des Egoismus, die Asuras (Archai), wirken. Es gibt unter ihnen zwei Arten, abgesehen von kleineren Schattierungen. Die eine Art ist die, die den Egoismus in der edlen, selbständigen Weise ausgebildet hat, die immer höher und höher gestiegen ist in der Ausbildung des Freiheitssinnes: das ist die vortreffliche Selbständigkeit des Egoismus. Diese Geister haben durch alle folgenden Planeten die Menschheit geleitet. Sie sind die Erzieher der Menschen zur Selbständigkeit geworden. Nun gibt es auf jedem Planeten auch solche Geister, die in der Entwickelung zurückgeblieben sind. Sie sind stationär geblieben, sie wollten nicht weiter. Das sind die schwer in Betracht kommenden Geister der Versuchung; sie verleiten zu dem verwerflichen Egoismus. Auch heute sind sie noch in unserer Umgebung, diese schlimmen Geister des Saturn. Alles, was schlimm ist, hat seine Kraft von diesen Geistern. [4] Niemals können die Einflüsse Luzifers so schlimm werden wie die Einflüsse Ahrimans und (eben) jener Wesenheiten, die mit den Feuermächten zusammenhängen. [5]

Die Asuras – die bösen – sind Wesenheiten, die wieder um einen Grad höher stehen in ihrem Willen zum Bösen als die ahrimanischen Wesenheiten und um zwei Grade höher als die luziferischen. [6] In der Empfindungsseele hat sich verankert Luzifer; da hinein hat er sich geschlichen, da sitzt er drinnen. In dem zweiten Glied der menschlichen Seele, der Verstandesseele, also dem umgearbeiteten Stück des Ätherleibes, da hat sich festgesetzt Ahriman. Da ist er drinnen und führt den Menschen zu falschen Urteilen über das Materielle, führt ihn zu Irrtum und Sünde und Lüge. In alledem zum Beispiel, daß der Mensch sich der Illusion hingibt, mit der Materie sei das Richtige gegeben, haben wir Einflüsterungen des Ahriman, des Mephistopheles zu sehen. Drittens kommt an die Reihe die Bewußtseinsseele, die in einer unbewußten Umarbeitung des physischen Leibes besteht. An dieser unbewußten Umarbeitung des physischen Leibes, an der Bewußtseinsseele, arbeitet der Mensch heute noch immer im Grunde genommen. Und in die Zeit, die jetzt (1909) kommen wird, werden sich hineinschleichen in diese Bewußtseinsseele und damit in das, was man das menschliche Ich nennt – denn das Ich geht auf in der Bewußtseinsseele, – diejenigen geistigen Wesenheiten, die man die Asuras nennt. Diese werden mit einer viel intensiveren Kraft das Böse entwickeln als selbst die satanischen Mächte der atlantischen oder gar die luziferischen Geister der lemurischen Zeit. Das Böse, das die luziferischen Geister den Menschen zugleich mit der Wohltat der Freiheit brachten, das werden sie alle im Verlaufe der Erdenzeit ganz abstreifen. Dasjenige Böse, das die ahrimanischen Geister gebracht haben, kann abgestreift werden in dem Ablaufe der karmischen Gesetzmäßigkeit. Das Böse aber, das die asurischen Mächte bringen, ist nicht auf solche Weise zu sühnen. Haben die guten Geister dem Menschen Schmerzen und Leiden, Krankheit und Tod gegeben, damit er sich trotz der Möglichkeit des Bösen aufwärts entwickeln kann, haben die guten Geister die Möglichkeit des Karma gegenüber den ahrimanischen Mächten gegeben, um den Irrtum wieder auszugleichen – gegenüber den asurischen Geistern wird das im Verlaufe des Erdendaseins nicht so leicht sein. Denn diese asurischen Geister werden bewirken, daß das, was von ihnen ergriffen ist – und es ist ja des Menschen tiefstes Innerstes, die Bewußtseinsseele mit dem Ich –, daß das Ich sich vereinigt mit der Sinnlichkeit der Erde. Es wird Stück für Stück aus dem Ich herausgerissen werden, und in demselben Maße, wie sich die asurischen Geister in der Bewußtseinsseele festsetzen, in demselben Maße muß der Mensch auf der Erde zurücklassen Stücke seines Daseins. Das wird unwiederbringlich verloren sein, was den asurischen Mächten verfallen ist. Nicht, daß der ganze Mensch ihnen zu verfallen braucht, aber Stücke werden aus dem Geiste des Menschen herausgeschnitten durch die asurischen Mächte. [7] Derjenige, der in die Einweihung hineinkommt und hellsichtig wird, dem steht nicht die äußere Materie gegenüber. Die ist als solche Maya. Während dem Menschen im Alltag die Materie, Prakriti, gegenübersteht, steht der Seele, die sich durch den Joga in die Einweihung hineinentwickelt, die Welt der Asuras, die Welt des Dämonischen gegenüber, gegen die er zu kämpfen hat. Die Materie ist das, was Widerstand leistet; die Asuras, die Mächte der Finsternis, die werden Feinde. Dann erst wird dieses Seelische spirituell seiner selbst gewahr, wo es in Kampf tritt gegen die Dämonen, gegen die Asuras (als Allgemeinbegriff). [8]

Die Asuras greifen nun erst in der fünften Rasse ein. Sie sind weitaus die verderblichsten und wirken hauptsächlich in das sexuelle Leben ein, also in den physischen Leib. Die vielen sexuellen Verirrungen der Gegenwart (1906) sind auf diese starke Einströmung zurückzuführen. [9]

Diese asurischen Mächte kündigen sich in unserem Zeitalter an durch den Geist, der da waltet und den wir nennen können den Geist des bloßen Lebens in der Sinnlichkeit und des Vergessens aller wirklichen geistigen Wesenheiten und geistigen Welten. Heute verführen sie den Menschen zu einer Art theoretischem Materialismus. Aber sie werden im weiteren Verlauf – und das kündigt sich immer mehr an durch die wüsten Leidenschaften der Sinnlichkeit, die immer mehr und mehr auf die Erde herniedersteigen – dem Menschen den Blick umdunkeln gegenüber den geistigen Wesen und geistigen Mächten. Es wird der Mensch nichts wissen und nichts wissen wollen von einer geistigen Welt. Er wird immer mehr und mehr nicht nur lehren, daß die höchsten sittlichen Ideen des Menschen nur höhere Ausgestaltungen der tierischen Triebe sind, daß der Mensch auch seiner ganzen Wesenheit nach vom Tier abstamme, sondern der Mensch wird mit dieser Anschauung Ernst machen und so leben. Diese Weltanschauung wird unbedingt kommen, und sie wird im Gefolge haben, daß die Menschen mit dieser Weltanschauung auch wie Tiere leben werden, heruntersinken werden in die bloßen tierischen Triebe und tierischen Leidenschaften. Und in mancherlei von dem, was sich jetzt (1909) namentlich an den Stätten der großen Städte als wüste Orgien zweckloser Sinnlichkeiten geltend macht, sehen wir schon groteskes Höllenleuchten derjenigen Geister, die wir als die asurischen bezeichnen. [10]

Die schlechte Astralwelt ist das Gebiet des Luzifer, das schlechte untere Devachan ist das Gebiet des Ahriman und das schlechte obere Devachan ist das Gebiet der Asuras. Wenn man das Licht ins Untermaterielle stößt, also um eine Stufe tiefer als die materielle Welt (Astralplan), entsteht die Elektrizität. Wenn man den Chemismus noch weiter hinunterstößt, in die schlechte untere devachanische Welt, entsteht Magnetismus. Wenn wir das, was lebt in der Sphärenharmonie, noch weiter herunterstoßen bis zu den Asuras auf dem schlechten oberen Devachan, dann gibt es eine noch furchtbarere Kraft, die nicht mehr lange wird geheimgehalten werden können. Wir müssen uns diese Kraft als viel, viel stärker vorstellen, als die stärksten elektrischen Entladungen. [11]

Die Mitte dieses Jahrhunderts (1950) ist ein sehr bedeutungsvoller Zeitpunkt. Fühlen sollte man gerade die ganze Schwere der Verantwortlichkeit, wenn man gewissermaßen vom äußeren Naturschicksal dazu ausersehen ist, die Herrschaft des Materialismus – denn die Herrschaft des Materialismus wird es sein – in der äußeren Erdenwelt anzutreten. Denn diese Herrschaft des Materialismus trägt zu gleicher Zeit den Keim des Zerstörens in sich. Das Zerstören, das begonnen hat, wird nicht aufhören. Und die äußere Herrschaft heute antreten bedeutet: die Kräfte der Zerstörung, die Kräfte der Menschenkrankheit zu übernehmen, in ihnen zu leben. Dasjenige, was die Menschheit in die Zukunft hineintragen wird, das wird aus dem neuen Keim des Geistes hervorgehen. Der wird gepflegt werden müssen. Und dafür gibt es die Verantwortlichkeit gerade auf jener Seite, der die Weltherrschaft zufällt. [12] Ohne die Dreigliederung wird diese Herrschaft über die Welt den Kulturtod und die Kulturkrankheit ergießen.

Der erste Abgrund ist die Lüge, die Entartung der Menschheit durch Ahriman. Die zweite ist die Selbstsucht, die Entartung der Menschheit durch Luzifer. Der dritte Abgrund ist auf physischem Gebiete Krankheit und Tod, auf Kulturgebieten: Kulturkrankheit, Kulturtod. Diese sind ebenso eine Gabe der Asuras, wie die Lüge eine Gabe des Ahriman, wie die Selbstsucht eine Gabe des Luzifer ist. So ist das dritte, sich würdig den anderen an die Seite Stellende, eine Gabe der asurischen Mächte. [13]

Zitate:

[1]  GA 100, Seite 113f   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[2]  GA 266/1, Seite 205   (Ausgabe 1995, 622 Seiten)
[3]  GA 100, Seite 115   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[4]  GA 99, Seite 95f   (Ausgabe 1962, 172 Seiten)
[5]  GA 107, Seite 173   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[6]  GA 110, Seite 178   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[7]  GA 107, Seite 247ff   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[8]  GA 142, Seite 100f   (Ausgabe 1960, 140 Seiten)
[9]  GA 266/1, Seite 169   (Ausgabe 1995, 622 Seiten)
[10]  GA 107, Seite 249f   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[11]  GA 130, Seite 102f   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[12]  GA 194, Seite 214   (Ausgabe 1983, 254 Seiten)
[13]  GA 194, Seite 235f   (Ausgabe 1983, 254 Seiten)

Quellen:

GA 99:  Die Theosophie des Rosenkreuzers (1907)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)
GA 107:  Geisteswissenschaftliche Menschenkunde (1908/1909)
GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 130:  Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit (1911/1912)
GA 142:  Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe (1912/1913)
GA 194:  Die Sendung Michaels. Die Offenbarung der eigentlichen Geheimnisse des Menschenwesens (1919)
GA 266/1:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band I (1904-1909)