Chinesen

Wir unterscheiden innerhalb der atlantischen Bevölkerung sieben Menschenrassen. Von diesen sind fünf in einer aufsteigenden Form der Entwickelung. Die chinesische Bevölkerung stellt in ihrer Hauptmasse in gewisser Beziehung eine Nachkommenschaft dar, die der vierten von den sieben Menschenrassen der atlantischen Bevölkerung entspricht, und daß die mongolische Rasse Asiens eine Nachkommenschaft von der siebenten Unterrasse dieser atlantischen Bevölkerung darstellt [1] Sie sind Nachkommen der letzten atlantischen Entwickelungs-phase, und das, was sie erlangt haben in der nachatlantischen Zeit, das trägt überall ein Gepräge des Zurückweisens in atlantische Eigentümlichkeiten, wenn auch herüberübersetzt in die nachatlantische Zeit. [2] Die Chinesen sind ein Rest der atlantischen Rasse der (Ur)-Mongolen. Wenn wir bei den Chinesen das Wort TAO hören, so ist das für uns etwas schwer Verständliches. Die damaligen Mongolen hatten einen Monotheismus ausgebildet, der bis zur psychischen Greifbarkeit, bis zum Fühlen des Geistigen ging, und wenn der alte Chinese, der alte Mongole, das Wort TAO aussprach, so fühlte er das beim Aussprechen. TAO ist nicht «der Weg», wie das gewöhnlich übersetzt wird, es ist die Grundkraft, durch die der Atlantier noch die Pflanzen verwandeln konnte, durch die er seine merkwürdigen Luftschiffe in Bewegung setzen konnte. Diese Grundkraft die man auch «Vril» nennt, hat der Atlantier überall genutzt, und er nannte sie seinen Gott. Er fühlte diese Kraft in sich, sie war ihm «der Weg und das Ziel». Daher hat jeder Mongole sich als ein Werkzeug in der Hand der großen Vril-Kraft betrachtet. [3] Die Mongolenvölker, Chinesen und Japaner sind Überreste der ältesten Erdbevölkerung. Die chinesische Kultur war noch eine religionslose Kultur. Sie verehren nicht unsichtbare Götter. [4] Ursprünglich hatten sie keine Götter, sondern sie drückten alles das, was sie als Beziehung zu den übersinnlichen Welten hatten, in ihrem Reichswesen aus. Daher hatten diese Einrichtungen so etwas Familienhaftes. Der Sohn der Sonne war zugleich der Vater der übrigen Chinesen, und diese dienten ihm. Wenn es auch ein Reich war, es hatte das Ganze etwas von Familienhaftem. [5]

Der Strom (um die alte Atlantis) ist noch in seinen allerletzten Resten vorhanden: der Golfstrom. Den Griechen tauchte auf das Bild des Okeanos, der eine Erinnerung ist an jene atlantische Zeit. Dieses geschlossene Stromgebiet haben sich die Chinesen förmlich wiedererschaffen in ihrer von der Mauer umschlossenen, aus der atlantischen Zeit herübergeretteten Kultur. Das Geschichtliche war in der atlantischen Kultur noch nicht vorhanden. Daher hat auch die chinesische Kultur etwas Ungeschichtliches behalten. [6]

Die Chinesen können nicht in Begriffen denken, sondern nur in Bildern; aber dann versetzen sie sich in das Innere der Gegenstände hinein. Und so können sie auch alle die Gegenstände machen, die durch äußere Erfindungen gemacht werden. Die Chinesen haben in diesen Äußerlichkeiten (Handwerks- und Erfinderkünste) eine hohe Kultur gehabt. Und diese Kultur war wiederum nur der letzte Überrest einer Kultur, die früher noch höher war; denn das sieht man der chinesischen Kunst an, daß sie herstammt von etwas, was noch höher war. [7]

Wirkliche Kenner des Chinesischen, das heißt nicht europäische Kenner, sondern Chinesen selber, Kenner des Chinesischen, die auch Europa kennengelernt haben, wie zum Beispiel der Ihnen hier öfter erwähnte Ku Hung-Ming, daß die betonen, es gäbe in der chinesischen Sprache keine Gegenworte für Logik und Wissenschaft. Was wir europäische Wissenschaft nennen, was wir europäische Logik nennen, dafür hat also der Chinese überhaupt kein Wort, weil er die Sache nicht hat, weil dasjenige, wovon die Europäer glauben, daß es chinesische Wissenschaft ist, etwas ganz anderes ist, als was wir Wissenschaft nennen, und was wir Logik nennen, etwas ganz anderes, als wovon wir Europäer glauben, es sei Logik in der Seele der Chinesen. [8]

Der alte Chinese schmeckte die Dinge schon, wenn sie draußen waren. Er konnte sich wirklich in sie hineinversetzen. Und mit dem Äußeren war der Chinese gut vertraut. Daher hatte er auch Ausdrücke (in seiner Sprache), die zeigen, daß er teilnahm an der Außenwelt. Wir haben nicht mehr solche Ausdrücke – höchstens bedeuten sie bei uns etwas Bildliches. Beim Chinesen bedeuten sie etwas Wirkliches. Wenn ich einen Menschen kennenlerne, und ich sage: Das ist ein säuerlicher Mensch, dann werden Sie sich etwas Bildliches vorstellen. Aber beim Chinesen bedeutet das, daß dieser Mensch in ihm hervorgerufen hätte einen säuerlichen Geschmack. [9]

Die tibetische und chinesische Kultur, welche in der nächsten Zeit (1913) in einer Weise werden für die Welt Bedeutung gewinnen, wovon sich die Menschen heute nichts träumen lassen, trotzdem uns nur kurze Zeit von dieser Sache trennt, wenn wir auf alle diese Dinge sehen und gewahr werden, wie die Seelen vieler Zarathustra-Schüler in diesen Kulturen noch verkörpert sind, dann werden wir versucht werden, diese Dinge sehr ernst zu nehmen. Wir werden es auch begreifen können, daß in dasjenige, was Helena Petrowna Blavatsky zu geben verstand, der indische, der tibetanische, der ägyptische Okkultist versucht sein konnten, aus ihrer Seele heraus – ihr eigenes Weisheitsgut hineinzuleiten, jenes eigene aber, das in dem Menschenwerdeprozeß einer Vergangenheit angehört. Und wir müssen den Vergangenheitscharakter dieser orientalischen Weisheitsgüter erkennen, die innerhalb der Blavatskyschen Lehren stecken. Wir brauchen ja den Wert einer solchen Sache nicht zu verkennen, daß wenn nun überfluten wird das, man möchte sagen, seine Fesseln gesprengt habende Chinesentum die westlichen Welten, dann eine Spiritualität damit kommt, die richtig die Nachfolge ist des alten Atlantiertums. Sie wird wirken, wie wenn aufspringen würde etwas, was zusammengehalten wird, und was nach aller Welt sich verbreiten kann; so wird es sich ausgießen in kleinem Maßstabe hat sich so bei der ersten Gelegenheit ausgegossen das alte Indertum (dies wurde damals zu russischen Zuhörern gesprochen). [10] Ein Chinese trägt noch vielfach Verbindungen zwischen physischem Leib und Ätherleib, Ätherleib und Empfindungsseele, Empfindungsseele und Verstandesseele und so weiter in sich, wie sie heute schon ganz verschwunden sind beim europäischen Menschen. Diese Konstitution des chinesischen Menschen entspricht nun der chinesischen Tonleiter. [11]

So ist gerade im Chinesischen ein tiefes Bewußtsein des Zusammenhanges vorhanden zwischen dem menschlichen Haupt und den oberen Sphären, zwischen dem menschlichen rhythmischen System, dem Lungen-Herzsystem und dem was Erde ist, woran der Mensch also dadurch teilnimmt, daß er atmet. [12] Wir können das Ägyptische zurückverfolgen bis in diejenigen Zeiten, für die wir auch die urpersische Kultur mit ihrer Metamorphose des Chinesischen ansetzen müssen, wo das Obere und das Untere unterschieden worden sind. [13]

Der Chinese hat in der Richtung von unten nach oben oder von oben nach unten die zunächst älteste Richtung, in die sich das menschliche Fühlen hineinversetzen kann. (Dies kommt in der Schrift von oben nach unten heute noch zum Ausdruck.) [14] Im Chinesischen offenbaren sich uralte Stufen der Zivilisation. Im Chinesischen lebt sich eine mehr oder weniger instinktive Inspiration aus, das heißt, deren Ergebnisse sind als Untergrund vorhanden in dem, was heute als chinesische Literatur übermittelt ist. Diese Inspiration bezog sich aber nicht auf den Menschen, sondern weil der Mensch nur ein Glied des ganzen Weltalls war, bezog sie sich auf das ganze Weltenall. Wie wir unser Haupt empfinden, so empfand der Chinese dasjenige, was er Jang nannte. Wie wir die anderen oberflächlichen Teile unseres Organismus sehen können, wenn wir unser Äußeres anblicken, das Haupt aber gewissermaßen nur geistig bewußt ist, so war dem Chinesen bewußt etwas, was er Jang nannte; darunter dachte er das oben Befindliche, das geistig sich Ausbreitende, das Himmlische, das Leuchtende, das Zeugende, das Aktive, das Gebende.

Wie wir, die wir den Menschen unterscheiden von der Umwelt, den Gliedmaßenmenschen empfinden, den Menschen, der uns in Tätigkeit versetzt, uns mit unserer Umgebung zusammenführt, so sprach der Chinese von Jin, und er deutete damit auf alles dasjenige, was finster ist, was erdig ist, was empfangend ist und so weiter.

Dasjenige was einen Rhythmus bildet zwischen Himmel und Erde, das er empfand, wenn ihm die Wolken erschienen am Himmel, wenn der Regen herabträufelte, wenn das zur Erde Herabgekommene wieder verdunstete, wenn die Pflanzen aus der Erde heraus dem Himmel zuwuchsen und so weiter. In diesem allem empfand er den Rhythmus des Oberen und Unteren, und er nannte das Tao. Und so hatte er eine Anschauung von dem, womit er verwachsen war. Es stellte sich ihm das in dieser Dreigliederung dar. Aber er unterschied sich selbst nicht von alledem. [15] Diese Anschauung tritt uns dann verändert in Vorderasien entgegen. In allem, was wir namentlich aus der Gegend Persiens als uralte Kultur überliefert haben, das muß, was im Chinesischen sich zeigt, einstmals eine ganz andere Ausbildung gehabt haben, die sich dann zu dem metamorphosiert hat, was überliefert ist in dem Gegensatze zwischen Ahura Mazdao und Ahriman, dem hellen, dem leuchtenden, glänzenden Lichtgotte, und dem dunklen, finsteren Ahriman, zwischen denen die Welt als im Rhythmus ablaufend dargestellt wird. Der Unterschied zwischen dem, was einmal urindisch gewesen sein muß, und dem, was dann ganz metamorphosiert im Chinesentum entstanden ist, und was man als Untergrund auch in manchen vorderasiatischen Kulturen empfindet – ich nenne es das Urpersische – ist der gewesen, daß das Urindische noch nicht unterschieden hat zwischen oben und unten, zwischen Himmel und Erde, daß es noch nicht von einem Subjektiven im Inneren des Menschen und einem Objektiven in der Außenwelt gesprochen hat, und daß es in der Außenwelt noch nicht unterschieden hat dasjenige, was mehr geistig-hell ist, von dem, was mehr finster-körperlich ist, während in einer späteren Zeit, im Urpersischen, die beiden unterschieden wurden, und die Wechselwirkungen der beiden durch Tao oder durch irgend etwas, was eben den rhythmischen Ausgleich bildet, vermittelt gedacht wurde. [16]

Dieses Sich-selber-Überwinden und doch Erhalten in der Imagination, es offenbarte sich Goethe durch die Kunst der Griechen, aber er suchte es nicht bloß in der Kunst, er suchte es in seinen Urgründen als Naturanschauung. Und verfolgen wir dieses besondere Element weiter, das Goethe ausbildete, so erreichen wir es heute in ganz bewußter Weise, wenn wir die imaginative Anschauung ausbilden. Versuchen wir nun es zurückzuverfolgen nach seinen Ursprüngen, wie wir den Spinozismus zurückverfolgt haben nach dem alten Ägypten, so werden wir zu den Griechen geführt und von da weiter nach dem Orient. Wir kommen vom Griechentum aus hinüber nach der im Werden lebenden Weltanschauung der Chaldäer, die ihrerseits wiederum aus der persischen Welt und aus der ganzen asiatischen Welt, die eine besondere Stufe auch im Chinesischen hat, geschöpft haben. Geradeso wie wir, ich möchte sagen, hindurchschauen durch die Seelenstimmung Spinozas auf das alte Ägyptertum, so schauen wir durch Goethes Anschauung griechischer Kunst hindurch auf die so merkwürdige Werdeanschauung, die im alten Chaldäa gelebt hat. [17]

Zitate:

[1]  GA 54, Seite 145f   (Ausgabe 1966, 540 Seiten)
[2]  GA 171, Seite 269   (Ausgabe 1964, 376 Seiten)
[3]  GA 92, Seite 18f   (Ausgabe 1999, 198 Seiten)
[4]  GA 354, Seite 77f   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[5]  GA 354, Seite 80   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[6]  GA 121, Seite 176f   (Ausgabe 1982, 214 Seiten)
[7]  GA 354, Seite 85   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[8]  GA 188, Seite 98f   (Ausgabe 1982, 262 Seiten)
[9]  GA 354, Seite 89f   (Ausgabe 1969, 246 Seiten)
[10]  GA 158, Seite 200   (Ausgabe 1993, 234 Seiten)
[11]  GA 283, Seite 84   (Ausgabe 1975, 186 Seiten)
[12]  GA 283, Seite 97   (Ausgabe 1975, 186 Seiten)
[13]  GA 325, Seite 106   (Ausgabe 1969, 173 Seiten)
[14]  GA 309, Seite 92   (Ausgabe 1981, 112 Seiten)
[15]  GA 325, Seite 102f   (Ausgabe 1969, 173 Seiten)
[16]  GA 325, Seite 103f   (Ausgabe 1969, 173 Seiten)
[17]  GA 325, Seite 86   (Ausgabe 1969, 173 Seiten)

Quellen:

GA 54:  Die Welträtsel und die Anthroposophie (1905/1906)
GA 92:  Die okkulten Wahrheiten alter Mythen und Sagen. Griechische und germanische Mythologie. Über Richard Wagners Musikdramen (1904-1907)
GA 121:  Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie (1910)
GA 158:  Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt. Kalewala – Olaf Åsteson – Das russische Volkstum – Die Welt als Ergebnis von Gleichgewichtswirkungen (1912-1914)
GA 171:  Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts (1916)
GA 188:  Der Goetheanismus, ein Umwandlungsimpuls und Auferstehungsgedanke. Menschenwissenschaft und Sozialwissenschaft (1919)
GA 283:  Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen (1906/1920)
GA 309:  Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen (1924)
GA 325:  Die Naturwissenschaft und die weltgeschichtliche Entwickelung der Menschheit seit dem Altertum (1921)
GA 354:  Die Schöpfung der Welt und des Menschen. Erdenleben und Sternenwirken (1924)