Haupt

In dem Haupte des Menschen ist die physische Organisation ein Abdruck der geistigen Individualität. Physischer und ätherischer Teil des Hauptes stehen als abgeschlossene Bilder des Geistigen, und neben ihnen in selbständiger seelisch-geistiger Wesenheit stehen der astralische und der Ichteil. In den Formen des Hauptes sind imaginative Formen gewissermaßen bis zur physischen Dichte geronnen. [1]

Das Haupt stammt von den Tieren ab, aber auch nur von den ätherischen Tieren. Wir tragen daher in unserem Haupt eine Tierheit, aber eine ätherische Tierheit. Das kam ins Unbewußte der Menschen im fünften nachatlantischen Zeitraume hinein; das gipfelte in der Darwinschen Abstammungstheorie des Menschen vom Tier. [2] Hätte der Mensch sich bewahrt seine tierische Bildung, das heißt mit anderen Worten, wäre sein Haupt in der Tierkreisrichtung drinnen geblieben, wäre in ihm jenes wuchtigere Leben, das im tierischen Haupte drinnen ist, dann würde der Mensch dadurch in seinem Haupte ganz ein Ergebnis seiner Vorzeit sein. Er würde gewissermaßen in seinem Haupte etwas an sich tragen, dem man unmittelbar ansehen würde, wie es sich ergibt aus der ganzen vergangenen kosmischen Entwickelung. Dadurch aber, daß der Mensch das, was er da erhält als Ergebnis der vorhergehenden kosmischen Entwickelung, herausreißt, dadurch zerstört er, vernichtet er in einer gewissen Weise seine kosmische Vergangenheit. Es ist so, daß der Mensch innerhalb seines Hauptes in der Tat noch hinausgeht über den eigentlichen Mineralisierungs-prozeß zu eine Art außerordentlich feinen Verteilung der Materie. Es durchdringen ja selbstverständlich die organischen Gebilde auch das Haupt. Dadurch ist eingebettet in das Organische dieser eigentlich noch über die mineralische Stufe hinausgehende Zerstäubung des materiellen Lebens. Es ist dieses Haupt der Herd eines die Materie als solche vernichtenden Prozesses. Das Materielle wird vernichtet, und dadurch gerade wird das Haupt als solches der Träger des besonderen seelischen Lebens.

Das ganze Vorstellungsleben beruht darauf, daß eigentlich das materielle Leben zerstäubt. [3] Das Bewußtwerden der Vorstellung, des Gedankens beruht darauf, daß durch das Herausgehen aus dem ganzen Kosmos das Materielle jede Bedeutung verliert, der Mensch fortwährend genötigt ist, sein Haupt gewissermaßen neu zu beleben, weil alle Einzelheiten des Hauptes fortwährend im Zerfall, im Ersterben sind. Und während dieses Ersterbens hebt sich das Ätherische des Hauptes heraus, und dieses Herausheben bedeutet das Fassen von Gedanken. Indem gewissermaßen abstäubt das Materielle und das Ätherische bleibt, wird sich der Mensch bewußt seiner Vorstellung. [4] Das Haupt ist ein fortwährend absterbendes Wesen, es ist in rückläufiger Entwickelung. Deshalb kann im Haupte auch das Seelisch-Geistige seine Entwickelung gewinnen. In das Leere, in das fortwährend Zerstörtwerdende geht Seele und Geist hinein. [5]

Das Haupt kommt dadurch zustande, daß während der Zeit vom Tode bis zu einer neuen Geburt wie in einer gewaltigen Sphäre, die wir vergleichen können mit unserer blauen Himmelssphäre, das, was in unserem Karma geschrieben ist, verwoben wird und eine ganze Anordnung getroffen wird, die dann, indem es gegen die Inkarnation zu geht, immer kleiner und kleiner wird und sich dann mit dem, was von der Mutter kommt, vereinigt. Aus dem ganzen Weltall heraus wird gewoben durch unzählige Wesen vieler Hierarchien das, was dann unser Haupt wird, was eine Weisheit von ungeheuerster Größe und ungeheuerstem Umfang in sich schließt, eine Weisheit, die aufgebaut ist auf all den Erfahrungen, die durch Saturn, Sonne und Mond gewonnen worden ist. Und das, was daran hängt, das ist Erdenerzeugnis. Der andere Mensch, nicht das Haupt mit dem Rückenmark, sondern was daran hängt, das ist eigentlich der Erdenmensch. [6]

Das Haupt ist am Ende des 28. Jahres erst da, wo der hauptsächlichste Mensch am Ende des 7. Jahres ist. Es hat die Bedeutung, daß zum Beispiel alles, was wir einem Kinde erziehend oder unterrichtend zwischen dem 7. und dem 14. Lebensjahre beibringen, sich eigentlich im Haupte langsam erst auslebt, bis zum 35. Lebensjahre. [7] Nun ist die Menschheit als Ganzes in einer Entwickelung, in einer Evolution. Und diese geht so vor sich, daß der Mensch tatsächlich gegen unsere Zukunft hin immer mehr und mehr die Kräfte des Intellektualismus wirklich entwickelt. Dadurch wird äußerlich sein Haupt plastisch eine andere Gestalt annehmen. [8]

Zitate:

[1]  GA 26, Seite 28f   (Ausgabe 1976, 270 Seiten)
[2]  GA 181, Seite 177   (Ausgabe 1967, 480 Seiten)
[3]  GA 208, Seite 102f   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[4]  GA 208, Seite 104   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[5]  GA 194, Seite 208f   (Ausgabe 1983, 254 Seiten)
[6]  GA 167, Seite 46   (Ausgabe 1962, 312 Seiten)
[7]  GA 218, Seite 61f   (Ausgabe 1976, 336 Seiten)
[8]  GA 145, Seite 161   (Ausgabe 1976, 188 Seiten)

Quellen:

GA 26:  Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie – Das Michael-Mysterium (1924/1925)
GA 145:  Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst? (1913)
GA 167:  Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste (1916)
GA 181:  Erdensterben und Weltenleben. Anthroposophische Lebensgaben. Bewußtseins-Notwendigkeiten für Gegenwart und Zukunft (1918)
GA 194:  Die Sendung Michaels. Die Offenbarung der eigentlichen Geheimnisse des Menschenwesens (1919)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)
GA 218:  Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus (1922)