Fühlen

Die Wesenheiten des Astralplanes haben zur Materie, was wir Fühlen nennen. Sie kommen in diesem Gefühl zum Ausdruck. Sind diese Wesenheiten noch nicht sehr stark vorhanden, so können wir sie nur durch eine Kälteempfindung wahrnehmen. Werden sie aber stärker, wenn sich ihre «Materie» steigert, so werden sie als Leuchtwesen sichtbar. [1] Wir tragen die Kräfte derselben Welt in uns, indem wir denken, fühlen und wollen, die als dämonische Wesen im elementarischen Reich in Wind und Wetter draußen leben; [2] Das Fühlen entsteht dadurch, daß der astralische Organismus im Wachleben durchpulst das Atmen, die Blutzirkulation, daß er sie aber nicht zerklüftet, nicht so tief in sie hineinsetzt, sondern daß durch seine Wechselwirkung mit der rhythmischen Organisation sich dasjenige entzündet, was das Gefühlsleben des Menschen ist. [3]

Man empfand (in alten Zeiten), wie mit der Verbindung von Blutzirkulation und Atem das Seelische in einem webte. Aber man fühlte sich auch da nicht bloß auf der physischen Erde, man fühlte sich da in dem Planetenraum. Man sagte nicht, Millionen von Blutkügelchen kreisen im menschlichen Organismus, sondern man sagte, Merkur und Mars kreuzen sich mit Sonne und Mond. Man fühlte sich auch mit seinem Gemüte ergossen in das Weltenall. Nur daß man, wenn man sich in seinen Gedanken fühlte, sich mehr bei den Fixsternen und ihren Bildern fühlte, während man im Fühlen sich mehr innerhalb der Sphäre des Planetarischen, bei den sich bewegenden Planeten fühlte. Nur mit seinem Willen fühlte man sich auf der Erde. [4]

Nach innen zu (von den Sinnen im Organismus) gesehen sind die Geister der Bewegung, Dynamis da. Und weiter nach innen zu kommen wir zu den Gebieten, die nun nicht das Denken beherrschen, sondern das Fühlen nach innen zu beherrschen, die Organe des Fühlens, was zumeist drüsige Organe sind in Wirklichkeit. Diese Organe sind die Taten der Geister, die wir nennen die Kyriotetes, die Geister der Weisheit. Fühlende Wesen sind wir als Menschen dadurch, daß die Geister der Weisheit an uns arbeiten. [5]

Unmittelbar so, wie mit dem Nervenleben das Denkvermögen, die Denkkraft, zusammenhängt, so hängt unmittelbar mit diesem rhythmischen System das Fühlen zusammen. Es ist nicht so, daß das Fühlen sich auch direkt im Nervenleben auslebt, sondern das Fühlen lebt sich direkt im rhythmischen System aus. Und wenn wir anfangen vorzustellen unser eigenes rhythmisches System, wenn wir vorstellen unsere Gefühle, dann nehmen wir als Vorstellungen durch die Nerven unsere Gefühle wahr, wie wir äußerlich das Licht, die Farben wahrnehmen. Es ist also indirekt, daß das Fühlen mit dem Nervenleben zusammenhängt. [6] Man lebt eigentlich nur in seinem Fühlen im modus praesens, in der Gegenwartsform. Real in der Gegenwart ist eigentlich nur das Gefühlserlebnis; und wir sind wirklich zeitlich gewissermaßen eine dreifach ineinandergeschachtelte Wesenheit. Wir sind so zusammengeschachtelt, daß in uns lebt das, was herüberwirkt aus der vorigen Inkarnation, dasjenige, was jetzt erfühlt wird, und dasjenige, was herüberwirkt in die nächste Inkarnation. Der Weg in die geistige Welt wird zurückgelegt durch die Bloßlegung dessen, was im Denken und Wollen enthalten ist, weil das Denken und Wollen durch den geistigen Zusammenhang hinüberweist aus früherem Erdenleben in späteres Erdenleben. Es kann nicht in einer ähnlichen Art das Gefühlsleben durch einen inneren Seelenanstoß entwickelt werden, weil das Gefühlsleben als geistiges Gefühlserleben auch wirklich erfahren wird. Daher ist dasjenige, was dem Gefühl entspricht, drüben in der geistigen Welt etwas, was selbst an einen herankommen muß. Man kann meditierend, sich konzentrierend, Wollen und Denken ausleben, aber man kann nicht das Gefühlsleben kultivieren. Das muß man führen lassen, und das ergibt sich dann. [7]

Wir unterscheiden zweierlei Arten des Fühlens. Wie wir zweierlei Arten des Wollens, ein innerliches Wollen im schlafenden Zustand, ein äußerliches Wollen im wachenden Zustand unterscheiden, so unterscheiden wir ein Fühlen, das heraufschlägt aus dem Wollen und das verwandt ist mit dem schlafenden Zustande des Menschen. Das ist dasjenige Fühlen, das sich vorzugsweise in den Antipathien auslebt, die der Mensch im weitesten Umfange entwickelt, währenddem dasjenige Wollen, das sich äußerlich betätigt, das den Menschen also in die äußere Welt führt, wenn es heraufschlägt in das Fühlen, uns in sympathischer Weise zusammenbringt mit der äußeren Welt. Wir können das Seelenleben von diesem Gesichtspunkte aus studieren und bekommen außerordentlich Aufschlußreiches. Wir sehen, daß das Wachen uns aufruft zur Sympathie mit der Umwelt. Unsere Antipathien kommen eigentlich aus unbewußten Zuständen. Sie dringen herauf aus dem schlafenden Wollen. Es ist so, wie wenn unsere Sympathien mehr an der Oberfläche wären und als wenn sie aus unbestimmten Tiefen durchdrungen würden von den Antipathien. Die Antipathien sind abweisend. Durch die Antipathien entfernen wir uns die Umwelt, machen uns einsam, schließen uns in uns ab. Der Egoismus, den der Mensch entwickelt, hat namentlich innerlich aufsteigende Antipathien zur Voraussetzung. [8] (Siehe auch: Seelenleben).

Wir müssen uns klar sein, daß im Menschen gewisse Kräfte vorhanden sein müssen, durch welche die Zurückwerfung der vorgeburtlichen Realität und das Im-Keime-Behalten der nachtodlichen Realität bewirkt wird. Wir entwickeln, indem wir in die physische Welt herunterversetzt werden, gegen alles, was geistig ist, Antipathie, so daß wir die geistige vorgeburtliche Realität zurückstrahlen in einer uns unbewußten Antipathie. Wir tragen die Kraft der Antipathie in uns und verwandeln durch sie das vorgeburtliche Element in ein bloßes Vorstellungsbild. Und mit demjenigen, was als Willensrealität nach dem Tode hinausstrahlt zu unserem Dasein, verbinden wir uns in Sympathie. Dieser zwei, der Sympathie und der Antipathie, werden wir uns nicht unmittelbar bewußt, aber sie leben in uns unbewußt und sie bedeuten unser Fühlen, das fortwährend aus einem Rhythmus, aus einem Wechselspiel zwischen Sympathie und Antipathie sich zusammensetzt. Dieses Wechselspiel ist fortwährend in uns. Die Antipathie, die nach der einen Seite geht, verwandelt fortwährend unser Seelenleben in ein vorstellendes; die Sympathie, die nach der anderen Seite geht, verwandelt uns das Seelenleben in das, was wir als unseren Tatwillen kennen, in das Keimhafthalten dessen, was nach dem Tode geistige Realiät ist. [9]

In das Fühlen versenken wir uns erst, wenn wir zur sogenannten Inspiration kommen, die eine höhere Art von Erkenntnis ist gegenüber der Imagination. Alles das, was unserem Fühlen zugrunde liegt, ist eigentlich ein Gewoge von Inspirationen. Und so wie das Bild, das der Spiegel zurückwirft, nur ein Bild ist von dem, was draußen in der Welt als Gegenstand vorhanden ist, so sind unsere Gefühle auch nur durch unseren eigenen Organismus zurückgeworfene Spiegelbilder der Inspirationen, die aus dem Weltall an uns herankommen. Unsere Gefühle können nicht das wiedergeben, was in dem Element der Welt als Inspiration liegt, sondern sie sind ein Spiegelbild, das sich nur so verhält zu dem, was da strömt in der Welt, wie sich das tote Spiegelbild zu dem lebendigen Wesen, das es spiegelt. Denn in jedem dieser Bilder spiegeln sich die Eigenschaften der Wesen der höheren Hierarchien, die sich in der Welt aussprechen durch Inspiration. So leben wir im Schoße der Eigenschaften der Hierarchien als fühlende Menschen und nehmen die Eigenschaften durch unser Bewußtsein wahr.

Denn dadurch, daß wir fühlende Menschen sind, sind wir auch Wesen der Hierarchien, wirken auch dadrinnen, wo die Hierarchien wirken. Wir wirken in diesem Gewebe, tun Taten, die nicht nur für uns sind, sondern durch die wir mitwirken an dem ganzen Aufbau der Welt. Wir sind durch unsere Gefühle Diener der die Welt bauenden höheren Wesenheiten. Und während wir glauben, daß wir, ich will sagen, der Sixtinischen Madonna gegenüberstehen und nur unser Gefühl befriedigen, das in uns aufsteigt, ist es eine Tatsache, daß hier ein Mensch steht vor der Sixtinischen Madonna (siehe: Raffael – Sixtinische Madonna), und indem er seine Gefühle auf sie richtet, ist da ein realer Prozeß vorhanden – ein realer Vorgang! Würde dieses Gefühl nicht da sein, würden solche Gefühlselemente nicht da sein, so würden diejenigen Wesenheiten, die einstmals mitwirken sollen an dem Aufbau des Himmelskörpers Venus (einer künftigen Erde), nicht die Kräfte haben, die sie dazu brauchen. Unsere Gefühle sind notwendig für das Haus, das die Götter als Welt aufbauen, wie die Ziegelsteine, die verwendet werden zum Aufbauen des Hauses; und was wir wissen über unsere Gefühle, ist wiederum nur ein Teil. Wir wissen, was es uns für Freude macht, wenn wir vor der Sixtinischen Madonna stehen–, das aber, was da geschieht, ist Teil im Weltenganzen, ganz einerlei, wie wir es mit unserem Bewußtsein begleiten. [10] (Siehe auch: Seelenkräfte).

Zitate:

[1]  GA 93a, Seite 145   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[2]  GA 150, Seite 113   (Ausgabe 1980, 146 Seiten)
[3]  GA 215, Seite 150   (Ausgabe 1980, 188 Seiten)
[4]  GA 276, Seite 79   (Ausgabe 1961, 160 Seiten)
[5]  GA 180, Seite 100   (Ausgabe 1980, 351 Seiten)
[6]  GA 305, Seite 51f   (Ausgabe 1979, 264 Seiten)
[7]  GA 176, Seite 145f   (Ausgabe 1982, 392 Seiten)
[8]  GA 208, Seite 161f   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[9]  GA 293, Seite 34f   (Ausgabe 1980, 216 Seiten)
[10]  GA 157, Seite 298ff   (Ausgabe 1981, 320 Seiten)

Quellen:

GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 150:  Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein. Das Einwirken der Toten in die Welt der Lebenden (1913)
GA 157:  Menschenschicksale und Völkerschicksale (1914/1915)
GA 176:  Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten. Das Karma des Materialismus (1917)
GA 180:  Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung. Alte Mythen und ihre Bedeutung (1917/1918)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)
GA 215:  Die Philosophie, Kosmologie und Religion in der Anthroposophie (1922)
GA 276:  Das Künstlerische in seiner Weltmission. Der Genius der Sprache. Die Welt des sich offenbarenden strahlenden Scheins – Anthroposophie und Kunst. Anthroposophie und Dichtung (1923)
GA 293:  Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik (1919)
GA 305:  Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben (1922)