Bild und Begriff

Dem Bild eignet eine belebende, schöpferische Kraft, die dem bloßen Begriff nicht innewohnt. Was in der einen Welt symbolisch erscheint, entspricht einer Wirklichkeit in einer höheren Welt. [1]

Man kann ins Geistige nur hineinführen durch Bilder. Und sobald man die Bilder gar zu sehr in Begriffe preßt, die eigentlich nur taugen für den physischen Plan, so enthalten sie nicht mehr dasjenige, was sie eigentlich enthalten sollen. Der heutige Mensch aber kommt dadurch in eine Art von Verwirrung hinein, weil er dasjenige, was in Bildern gegeben ist, nicht so auffassen kann, daß es ihm eine reale Wirklichkeit gibt. Er denkt das Bild selber gleich ganz materialistisch. Wenn die Leute der orientalischen Kulturen etwas besonders Tiefes bedeutsam ausdrücken wollten, dann sprechen sie in Bildern, wobei diese Bilder aber durchaus Wirklichkeitswert haben. [2]

Gewiß sind viele Dinge in Bildern nur vorhanden. Es kommt ja nur darauf an, daß man weiß, daß diese Bilder Realitäten entsprechen. Es ist töricht, zu sagen, man soll sich nicht in solchen Bildern ausdrücken. Indem wir sprechen, drücken wir uns ja immer in Bildern aus. Nehmen Sie das Sanskritwort «Manas». Wer es versteht, der hat vor sich im Laut malerisch die Schale, den Mond, die Sonne tragend, weil man, indem man «Manas» aussprach im Ur-Sanskrit, den Menschen seinem Willenswesen nach fühlte wie die Schale, die dann das denkende Wesen trug. Alle Worte gehen auf Bilder zurück, sind nur elementare einfache Bilder. [3]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 97   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 169, Seite 149   (Ausgabe 1963, 182 Seiten)
[3]  GA 211, Seite 28   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)

Quellen:

GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 169:  Weltwesen und Ichheit (1916)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)