Blut

Im Menschen wird fortwährend etwas gebildet, das immer die Tendenz hat, geistig zu werden. Aber weil man es in großer Liebe, allerdings in egoistischer Liebe, im Leibe festhalten will, kann es nie geistig werden; es zerrinnt in seiner Leiblichkeit. Das ist das Blut – das Gegenteil der Nerven. Damit nicht das Blut als Geist aufwirbele, damit wir es so lange, als wir auf der Erde sind, bis zum Tode in uns behalten können, deshalb muß es vernichtet werden. Daher haben wir immerwährend in uns: Bildung des Blutes – Vernichtung des Blutes und so weiter durch Einatmung und Ausatmung. [1] Die Blutsubstanz ist durchaus dasjenige, was am Menschen irdisch ist. Die Nervensubstanz hat ihren Prozeß-Ursprung, in Vorgängen, die vor der Bildung der Erde liegen. Die Blutsubstanz mit allem, was in ihr wallt und webt, hat ganz den Ursprung in irdischen Vorgängen. [2]

Während das Nervensystem eigentlich zum Leben im Kosmos draußen, außerirdisch, bestimmt ist und in uns tot ist, ist das Blut bestimmt, in uns tot zu sein und erlangt ein Leben von außen. Das Nervensystem gibt gewissermaßen sein Leben ab an das Blut, und so ist das Nervensystem verhältnismäßig tot, das Blut verhältnismäßig das Lebendige. So wahr das Nervensystem kosmisch Leben und irdisch Tod hat, so wahr hat das Blut umgekehrt durch sich irdisch Tod und erborgtes, ihm aufgedrängtes kosmisches Leben. Das Leben ist überhaupt nicht von unserer Erde. Daher muß das Nervensystem gewissermaßen den Tod aufnehmen, damit es irdisch werden kann, und das Blut muß lebend werden, damit der Mensch, insofern er irdische Substanz ist, der außerirdischen Welt sich zuwenden kann. In dem Blute, indem es lebendig gemacht wird, während es durch seine eigene Natur zum Tode bestimmt ist, das heißt zu bloßen chemischen und physikalischen Vorgängen, tragen wir das Luziferische in uns. [3]

In dem Blut haben wir etwas gegeben, was unmittelbar als Stoff selber den luziferischen Einfluß erlitten hat. Auf die Substanzen als solche hat Luzifer keinen Einfluß, denn diese entstehen erst durch das, was er angerichtet hat, daß er die Leiber gleichsam verschoben hat. Auf das Blut aber hat er einen direkten Einfluß als Materie, als Stoff. [4] Wir haben gesagt: Materie entsteht dadurch, daß geistige Form bis an eine gewisse Grenze kommt und dann versprüht, so daß diese pulverisierte Form die Materie darstellt. So unmittelbar stellt sie sich eigentlich nur dar im Mineralischen, denn die anderen Substanzen werden dadurch daß sie von anderen Mitteln (Bildekräfte) ergriffen werden, verändert. Nun sollte aber das Blut vermöge seiner ursprünglichen Anlage nicht versprühen, sondern sollte an der Grenze ein klein wenig materiell werden und dann in sich selber zurücksprühen, wiederum unmittelbar zurück ins Geistige sprühen. Also das Blut sollte sein ein fortwährend bloßes Aufglänzen, Aufleuchten im Materiellen und sollte eigentlich etwas ganz Geistiges sein. Das wäre es geworden, wenn die Menschen im Beginne der Erdenevolution nur von den Geistern der Form (Exusiai) aus ihr Ich bekommen hätten; dann würden die Menschen nämlich dieses Ich empfinden durch den Widerstand, den dieses momentane Aufleuchten im Blut bedeutet. Darin würde der Mensch empfinden das «Ich bin». Das wäre aber die einzige Sinneswahrnehmung, die der Mensch überhaupt hätte. Zugedacht war ihm, daß er aus dem geistigen Weltenall, in das er hineinversetzt wäre als bloße Imagination, Inspiration, Intuition, herunterschaute auf ein Wesen auf der Erde oder im Umkreise der Erde, von dem er nicht fühlte: Ich stecke da drinnen, – sondern: Ich schaue da hinunter, das gehört zu mir, da glänzt mir als einzig Materielles auf, was materiell werdendes, spirituelles Blut ist, und darin nehme ich mein Ich wahr. [5]

Eigentlich war der Mensch dazu bestimmt, im Umkreise der Erde zu leben. Er sollte auf der Erde selbst sein Spiegelbild hervorbringen. [6] Nun kam Luzifer und brachte den Menschen dazu, daß er nicht nur sein Ich als Sinnenwahrnehmung, sondern auch alles das als sein Ich empfinden solle, was er schon auf dem Mond gehabt hat als Astralleib: Denken, Fühlen und Wollen. Das Ich wurde damit vermischt. Damit aber war die Notwendigkeit gegeben, daß der Mensch in die Materie herunterfiel. Die Vertreibung aus dem Paradiese ist der Fall in die Materie. Und zunächst geschah jene Veränderung an dem Blute des Menschen. Und so sprüht die Blutsubstanz, die eigentlich zurückkehren sollte ins Geistige, in dem Augenblick, wo sie materiell wird, in den übrigen Menschen hinein und füllt seine übrige Organisation aus, entsprechend sich verändernd nach den Kräften dieser Organisation. Das ist die unmittelbare Tat, die er im Stoffe vollbracht hat, dieser Luzifer, daß er eigentlich das Blut, so wie es ist, als Materie fabriziert hat, während er in die anderen Dinge wenigstens nur Unordnung hineingebracht hat. Das Blut ist das, was Luzifer hingeworfen hat, daß es Ahriman auffangen konnte, so daß beide nun an den Menschen herankommen können. Wundern wir uns noch, daß ihm Faust mit seinem Blut den Vertrag unterschreibt? Selbst die Tinte ist für Luzifer göttlicher als das Blut, das so recht sein Element ist. Alles, was am Menschen Materie ist, wird ja aus dem Blut ernährt, ist eigentlich umgewandeltes Blut. Und insofern er Blut ist, ist er der wandelnde Luzifer-Ahriman selber, der also fortwährend herumgetragen wird. Wenn das Blut so geblieben wäre, wie es dem Menschen bestimmt war, so wäre es ein reiner Ausfluß der Geister der Form, der Exusiai, der sieben Elohim der Bibel. Das heißt, sein Ich würde er in einer Siebengliedrigkeit empfinden, wovon eines das Hauptglied wäre, das dem Jahve entspricht, und die anderen sechs wären zunächst Nebenglieder für den Menschen. So lange hat die Menschheit durch ihr verdorbenes Blut warten müssen darauf, zu erkennen, daß eigentlich eine Siebengliedrigkeit hereinspielt, so lange, bis sie umgekehrt durch genügende Ausstrahlungen von intuitiver, inspirativer und imaginativer Substanz aus Nerven, Muskeln und Knochen reif geworden ist, diesen Menschen wiederum hereinzubekommen, diese siebengliedrige Menschennatur! Aber der Mensch hätte es nicht bringen können zu einer speziellen Verdunkelung der sechs anderen Glieder und einer besonderen Erhellung des einen Gliedes, des Ich, wenn nicht abkommandiert worden wäre Luzifer im Verlaufe der Weltentwickelung. [7]

Es ist das Ich das Hauptsächlichste im Blute. Die Moralität wirkt auf das Blut. Sie müssen nicht so sehr das physische Blut ins Auge fassen, das eigentlich nur da ist, ich möchte sagen, um die Stelle im Raum auszufüllen, wo die Ich-Kräfte wirken. Also die Moralität wirkt auf das Ich. [8]

Während das Blut auf der einen Seite mit der Außenwelt nur so in Beziehung tritt, daß es von dieser Außenwelt nur das erhält, dem alle Eigengesetzmäßigkeit abgestreift ist, tritt es auf der anderen Seite mit der Außenwelt so in Beziehung, daß es unmittelbar an diese Außenwelt in einer gewissen Weise herantreten kann. Das geschieht, wenn das Blut durch die Lunge fließt und mit der äußeren Luft in Berührung kommt. Da wird es durch den Sauerstoff der äußeren Luft aufgefrischt und in einer solchen Weise gestaltet, daß jetzt dieser Gestaltung nichts abschwächend gegenübertritt. [9]

Beim Furcht- und Angstgefühl, wo der Mensch sich so stark in sich zurückziehen möchte von etwas, wovon er sich bedroht fühlt, da wird er bleich; das Blut zieht sich zurück zum Zentrum, nach innen. Wenn sich der Mensch im Schamgefühl verstecken möchte, sein Ich auslöschen möchte, wenn er am liebsten nicht wäre und irgendwo hineinschlüpfen möchte, da breitet sich das Blut unter dem Eindrucke dessen, was das Ich erleben kann, bis zur Peripherie aus. Da sehen Sie, daß das Blut das am leichtesten bestimmbare System im Menschen ist und folgen kann in einer fest bestimmten Weise den Erlebnissen des Ich. [10]

Das Blut ist wie eine Tafel, die sowohl nach der einen wie nach der anderen Seite gewendet wird, die nach zwei Seiten hin Eindrücken ausgesetzt ist. Da wird sie auf der einen Seite gewendet zu den unterbewußten Prozessen in den tieferen Regionen des menschlichen Organismus, wo die Ernährungsstoffe heraufkommen. Was da alles vorgeht, das wird durch das sympathische Nervensystem abgeschwächt, so daß es nicht mehr zum Bewußtsein kommt. Nun muß das Blut die andere Seite der Tafel zuwenden den Erlebnissen des bewußten Seelenlebens. Es müssen nicht nur die unbewußten Vorgänge des Ich, die sich auswirken vom Knochensystem herauf, sondern es müssen auch von der Seite des anderen Ich her in das Blut hereindringen unsere bewußten Seelentätigkeiten. [11] Ed. 1978

In unserem Gedankensystem, das als ein physisches Korrelat einen Salzablagerungsprozeß hat, haben wir das Innerlichste dessen, was das Blut als ein Werkzeug des Ich zu verrichten hat. Und weil der Prozeß der Salzablagerung am meisten verinnerlicht und auch am meisten geschützt sein muß gegen die anderen Organe, so kann durch Abnormität des Blutes auch diese Fähigkeit des Blutes am meisten behindert werden. Es kann aber auch der andere Fall eintreten, daß die innere Regsamkeit über ein gewisses Maß hinausgeht, dieses Eigenleben übertreibt. Das ist unter den vorkommenden menschlichen Unregelmäßigkeiten der weitaus wichtigere Fall, weil er für die Erkrankungsfälle vor allen Dingen in Betracht kommt. Wir werden durch die therapeutische Zuführung von solchen Substanzen, die zur Salzablagerung führen einem solchen Prozeß beikommen. [12] Ed. 1978

Zitate:

[1]  GA 293, Seite 38   (Ausgabe 1980, 216 Seiten)
[2]  GA 169, Seite 37   (Ausgabe 1963, 182 Seiten)
[3]  GA 169, Seite 40f   (Ausgabe 1963, 182 Seiten)
[4]  GA 134, Seite 93   (Ausgabe 1979, 126 Seiten)
[5]  GA 134, Seite 94f   (Ausgabe 1979, 126 Seiten)
[6]  GA 134, Seite 96   (Ausgabe 1979, 126 Seiten)
[7]  GA 134, Seite 97uf   (Ausgabe 1979, 126 Seiten)
[8]  GA 170, Seite 69   (Ausgabe 1964, 276 Seiten)
[9]  GA 128, Seite 74   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)
[10]  GA 128, Seite 117   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)
[11]  GA 128, Seite 144   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)
[12]  GA 128, Seite 149f   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)

Quellen:

GA 128:  Eine okkulte Physiologie (1911)
GA 134:  Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes (1911/1912)
GA 169:  Weltwesen und Ichheit (1916)
GA 170:  Das Rätsel des Menschen. Die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte (1916)
GA 293:  Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik (1919)