Bildekräfte

Die Bildekräfte sind ganz übersinnlich. [1] Die Urbilder (im Devachan) sind die Werkmeister alles dessen, was in der physischen und der seelischen Welt entsteht. Unzählige Urbilder wirken oft zusammen, damit diese oder jene Wesenheit in der seelischen oder physischen Welt entstehe. [2] Wir wissen, daß der Mensch, wenn er durch dieses Leben in der übersinnlichen Welt (im nachtodlichen Leben) durchgegangen ist und durch eine neue Geburt wieder ins Dasein tritt, in einer gewissen Weise der Selbstaufbauer seiner Leiblichkeit, ja seines ganzen Geschickes in dem nächsten Leben wird. Innerhalb gewisser Grenzen formt und baut der Mensch seinen Leib bis in die Windungen seines Gehirns sich auf mit den Kräften, die er aus den geistigen Welten mitzubringen hat, wenn er durch die Geburt neuerdings ins physische Dasein tritt. [3]

Von dem, was da entstehen kann in der physischen Vererbungslinie, wird der Mensch angezogen. Aber das, was da der Mensch als seine äußere Hülle empfängt, indem er durch die Geburt geht, das muß erst im Feineren plastisch ausgestaltet werden, mit Hilfe einer ungeheuer komplizierten Anordnung von Kräften, die sich der Mensch aus der geistigen Welt mitbringt und die er so erhält, daß er von der einen Ordnung der Hierarchien aus diese Kräfte, von einer anderen Hierarchienordnung jene Kräfte erhält. Wenn wir einen bildlichen Ausdruck gebrauchen wollen, so können wir sagen: Zwischen dem Tode und einer neuen Geburt werden dem Menschen übergeben die Gaben der Wesenheiten höherer Hierarchien, und diese Gaben sind die Kräfte, die der Mensch braucht, um das, was ihm durch die Vererbung übergeben wird, seiner eigenen Individualität anzupassen. [4]

Rechnen Sie die Ernährungsstoffe, und was aus ihnen wird, weg, so haben Sie den menschlichen Organismus als ein übersinnliches Kraftsystem dahinter zu denken, das in solcher Weise wirkt, daß diese Ernährungsstoffe nach allen Richtungen hingeführt werden können. Erst dadurch, daß sich dieser übersinnlichen Form eingliedert das Ernährungsmaterial, wird der menschliche Organismus zu einem physisch-sinnlichen Organismus, zu dem, was man mit Augen sehen und mit Händen greifen kann. Wir müssen uns also einen vom Lebensprozeß oder vom Ätherleibe aufgenommenen Ernährungsstrom denken. Der Ätherleib sorgt für seine Umwandlung, für seine Eingliederung in die inneren Regsamkeiten des menschlichen Organismus. [5]

So können Sie sich die verschiedensten Organe im menschlichen Organismus denken: zuerst übersinnlich veranlagt und dann ausgefüllt unter dem Einfluß der verschiedensten übersinnlichen Kraftsysteme von physischer Materie. [6] Unser Ätherleib ist ein Gebilde, das von unserem Astralleibe geformt worden ist. Langsam hat sich der physische Körper herausgehoben aus der Grundlage des Ätherleibes. [7] Die allgemeine Lebensflut heißt Prana. Sie rinnt wie Wasser; ist sie aber geformt, wie man Wasser in ein Gefäß gießt, in den physischen Leib gegossen, so spricht man von Ätherleib. [8] Der Ätherleib ist der Bildner, der Architekt des physischen Leibes. Die Anregung zu der Art, wie er zu bilden hat, erhält er vom Astralleibe. In diesem sind die Vorbilder, nach denen der Ätherleib dem physischen Leibe seine Gestalt gibt. [9]

In dem unteren Devachan ist das Bewußtsein der Pflanzen verankert. In ihm wurzeln die Kräfte, die allem Wachstum und allem organischen Aufbau zugrunde liegen. In ihm wurzeln also auch die Kräfte, die unseren eigenen physischen Leib aufbauen; das heißt also die Kräfte unseres Ätherleibes. 100.34Im Kosmos gehen fortwährend Vorgänge vor, spielen sich Ereignisse ab. Wesenhaftes lebt im Kosmos. Das alles bildet sich ab, schreibt sich ein in den Ätherleib. Der ätherische Leib des Menschen ist in der Tat ein richtiger Abbildner des gesamten Kosmos. Es gibt nichts im Kosmos, was sich nicht im ätherischen Leibe des Menschen bildhaft imaginativ abdrückt und, wenn man den Ausdruck gebrauchen will, sich spiegelt. Und der astralische Menschenleib liest fortwährend das, was die Welt in den ätherischen Menschenleib einschreibt. [10]

Der Ätherleib, als eine Summe von Strömungen, von Kraftwirkungen, ist der Architekt des aus ihm heraus kristallisierten physischen Leibes, welcher sich aus ihm herausentwickelt wie etwa das Eis aus dem Wasser. [11] Alle die Impulse, um den physischen Menschenleib zu formen, die stecken in dem Ätherleib darinnen. Auch der Künstler bringt sie aus seinem ätherischen Leib heraus, wenn er künstlerisch schafft. [12] Ebenso (wie beim physischen Leib die physische Substanz) erneuert sich die Äthersubstanz, obwohl ihre Form und ihre Struktur einheitlich unter der Obhut des höheren Ich bleibt. [13]

Der astralische Leib hält beim Menschen oder Tier das Ätherische von innen zusammen. [14] Astralische Substantialitäten, die den physischen und den Ätherleib schaffen, an seiner Schöpfung beteiligt sind, die nehmen sich derer wieder an, wenn der Mensch (im Schlafe) sie verläßt. Dabei finden sie sie anders, als sie sie ursprünglich dem Menschen geliefert haben. [15] Wenn die eigene Astralität draußen ist, so tauchen jene Wesenheiten auch in den Ätherleib hinein. [16]

Man hat sich nicht vorzustellen, daß jemals alles Geistige sich in Stoffliches umwandelt; sondern man hat in dem Stofflichen immer nur umgewandelte Teile des ursprünglichen Geistigen vor sich. Dabei bleibt das Geistige auch während der stofflichen Entwickelungsperiode das eigentlich leitende und führende Prinzip. [17]

Der ganze menschliche Leib hat sich zusammengesetzt aus Teilen, die dadurch entstanden sind, daß die ursprünglich ungegliederte Masse sich in Organe geteilt hat, nachdem der ursprüngliche Astralleib Verschiedenes ausgesondert hatte (die späteren Naturreiche) und durch diese um ihn herumstehenden Aussonderungen, die sich in ihm abspiegelten, in ihm Bilder entstanden sind. Diese Bilder wurden in ihm Kräfte und formten seinen Ätherleib; das heißt, durch diese mannigfaltigen Bilder wird sein Ätherleib gegliedert. In diesem nun aus Teilen bestehenden Ätherleib verdichtet sich wiederum jeder solcher Ätherteil in sich und es entsteht der physische Gliedkörper. Jeder solche physische Kern, aus dem dann die Organe werden, bildet zur gleichen Zeit eine Art von Zentrum im Äther. Die Zwischenräume zwischen den Zentren sind durch die bloße Äthermasse ausgefüllt. [18] Da wir während der irdischen Entwickelung die mannigfaltigsten Gebilde herausgesetzt haben, so halten die Teile im Ätherleib nur in gewissem Grade zusammen. Die menschliche Natur ist ein Abbild der herausgesetzten Wesenheiten. Soweit die Wesen ein Sonderdasein führen, so weit führen auch die Teile des physischen Körpers ein Sonderdasein. Wenn die Verwandtschaft der Kräfte so gering geworden ist, daß sie aufhört, so leben wir nur bis dahin; das Maß unserer Lebenszeit ist dadurch bedingt, wie sich die Wesenheiten rund um uns herum vertragen. [19]

Es kristallisiert sich die Materie gewissermaßen um bestimmte unsichtbare Bildekräfte. Gewiß es spielen noch die mit der Vererbung zusammenhängenden Kräfte hinein, aber die hauptsächlichsten Bildekräfte des Kopfes sind kosmischen Ursprungs, sind gewisse Kristallisationskräfte, möchte ich sagen, an die sich die Materie im Mutterleib ansetzt. So unsichtbar wie der Magnet seine Strahlen aussendet, müssen Sie sich auch die Form des Kopfes vorstellen, wie sie aus dem Kosmos hereinwirkt. Und wie sich die Eisenfeilspäne nach Maßgabe der magnetischen Linie ordnen, so ordnet sich das, was die Mutter hergibt, nach Maßgabe der kosmischen Formen, die dem Haupte eingegliedert sind. Wenn Sie diese Vorstellung zu Hilfe nehmen, dann werden Sie sich schon einen entsprechenden Gedanken bilden können davon, daß an dem menschlichen Haupte gearbeitet wird während der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, und daß die Bildekräfte für den übrigen Organismus – aber auch wiederum nur mehr oder weniger, nicht vollständig – angesetzt werden vom Irdischen aus, von dem, was in den Vererbungsverhältnissen durch die Generationen liegt. Insoferne ist der Mensch irdischen und kosmischen Ursprungs. In diesen Sachen spielen die allertiefsten Mysterien, die aufschlußgebend sind nicht nur für die Menschheitsentstehung, sondern eigentlich für den ganzen Kosmos. [20] Die Bildekraft unseres Hauptes und auch die Wesenheiten, die in diesen Bildekräften wirkend und schaffend sind, gehören einer ganz anderen Welt an als zum Beispiel die Bildekraft unserer Brust, die Bildekraft alles dessen, was zu unserem Herzen gehört, einschließlich der Arme und Hände. Und wiederum gehören die Unterleibsorgane und die Beine einer ganz anderen Welt an als die beiden anderen Glieder. [21]

Zitate:

[1]  GA 142, Seite 38   (Ausgabe 1960, 140 Seiten)
[2]  GA 9, Seite 122   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[3]  GA 141, Seite 154   (Ausgabe 1983, 200 Seiten)
[4]  GA 140, Seite 245   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[5]  GA 128, Seite 152ff   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)
[6]  GA 128, Seite 91   (Ausgabe 1978, 186 Seiten)
[7]  GA 93, Seite 211   (Ausgabe 1979, 370 Seiten)
[8]  GA 95, Seite 155   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[9]  GA 13, Seite 85   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[10]  GA 156, Seite 115   (Ausgabe 1967, 183 Seiten)
[11]  GA 55, Seite 119   (Ausgabe 1959, 278 Seiten)
[12]  GA 168, Seite 47   (Ausgabe 1968, 230 Seiten)
[13]  GA 94, Seite 75   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[14]  GA 136, Seite 189   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[15]  GA 98, Seite 238   (Ausgabe 1983, 272 Seiten)
[16]  GA 98, Seite 241   (Ausgabe 1983, 272 Seiten)
[17]  GA 13, Seite 140   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[18]  GA 93a, Seite 173   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[19]  GA 93a, Seite 174   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[20]  GA 170, Seite 58   (Ausgabe 1964, 276 Seiten)
[21]  GA 161, Seite 155   (Ausgabe 1980, 292 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)
GA 55:  Die Erkenntnis des Übersinnlichen in unserer Zeit und deren Bedeutung für das heutige Leben (1906/1907)
GA 93:  Die Tempellegende und die Goldene Legende als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen (1904/1906)
GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 98:  Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt (1907/1908)
GA 128:  Eine okkulte Physiologie (1911)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 140:  Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Die lebendige Wechselwirkung zwischen Lebenden und Toten (1912/1913)
GA 141:  Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu den kosmischen Tatsachen (1912/1913)
GA 142:  Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe (1912/1913)
GA 156:  Okkultes Lesen und okkultes Hören (1914)
GA 161:  Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung (1915)
GA 168:  Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten (1916)
GA 170:  Das Rätsel des Menschen. Die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte (1916)