Apostel des Christus

Die höhere Entwickelung besteht darin, daß sich das, was im Wesen ist, hinaussetzt, so wie der Mensch die Schlange hinausgesetzt hat und dabei die Schlange auf einer höheren Stufe in seinem Rückenmark beibehält. Diesen Fall haben wir in Christus mit den 12 Aposteln. Die 12 Apostel stellen die Bewußtseinsstufen dar, durch die der Christus hindurchgegangen ist. Das erkennt man im Johannes-Evangelium durch die Schilderung der Fußwaschung, durch die angedeutet wird, daß Christus es den Aposteln verdankt, daß er die höhere Bewußtseinsstufe erreicht hat: Wahrlich, merket euch das, es ist der Diener niemals höher zu achten als der Herr. – Das höherentwickelte Wesen hat die anderen auf der Bahn zurückgelassen und ist nun selbst der Diener der anderen geworden. [1] Drei Unterrassen der Atlantier, sieben Unterrassen der arischen (nachatlantischen) Wurzelrasse und zwei der sechsten Wurzelrasse gehören in gewisser Beziehung zusammen. Dann, wenn die Menschheit alle diese Rassen durchlaufen hat, dann wird sie soweit gekommen sein, daß ein großer Teil der Menschheit das erlangt hat, wozu sie veranlagt ist. Die 12 Apostel sind die Sinnbilder für diese 12 Unterrassen. [2] Was in einem gewöhnlichen Leib die 12 Wesensbestandteile sind, bedeuten die 12 Apostel im Kollektivleib Christi. Der Teil, der das Ich darstellt, in welchem der Egoismus herrscht, der dem Christus den Tod bringt, der ist genannt Judas Iskariot. Hinzugesetzt wurde bei dieser Namengebung noch, daß er den Beutel hatte, das Geld, das niedere Habsuchtsprinzip. [3] Judas ist der Vertreter der Rasse, welche gerade alles auf den materiellen Plan herabbringt, unserer jetzigen 5. Unterrasse, der materialistischen, der Rasse, die am tiefsten herunterkommt. [4] Während früher die Menschenseelen hatten hinaufsteigen müssen zu dem Christus (siehe: Mysterien), war jetzt der Christus zu den Aposteln gekommen. Und die Apostel waren in gewisser Weise solche Seelen geworden, die in sich trugen jenen Inhalt, den die alten Sonnenhelden (siehe: Einweihung – Stufen der Einweihung) in ihren Seelen gehabt haben. Die geistige Kraft der Sonne hatte sich ausgegossen über die Seele dieser Menschen und wirkte fortan weiter in der Menschheitsevolution. [5] Die Apostel waren aufgerückt durch das ganze althebräische Volk hindurch zu der starken Betonung des unsterblichen Ich. Sie waren die wirklich ersten, die der Christus Jesus sich auswählen konnte, um an das zu appellieren, was in jeder Seele lebt, so lebt, wie es werden sollte zu einem neuen Ausgangspunkt für das Menschenwerden. Zur Menge sprach er, indem er voraussetzte, daß sie das verstehe, was sich als Erbschaft von dem alten Hellsehen erhalten hat; zu seinen Jüngern sprach er so, daß er von ihnen voraussetzen konnte, daß sie die ersten seien, die schon etwas von dem verstehen konnten, wie wir heute von den höheren Welten zu den Menschen sprechen. [6] Zur Menge sprach Christus, man möchte sagen, wie ein populärer Buddha; zu seinen intimen Schülern sprach er wie ein höherer Sokrates, wie ein spiritualisierter Sokrates. [7] Diejenigen, welche sich am schnellsten hinaufentwickelt haben aus jenen Schichten der westlichen Bevölkerung, die überwunden haben nach und nach den Durchgang durch die untersten Schichten, aber nicht sehr weit in der intellektuellen Entwickelung hinaufgekommen sind, sondern verhältnismäßig schlichte und einfache Menschen geblieben sind – gleichsam die Auserlesensten davon, die nur durch einen kräftigen Impuls, der sich in ihnen spiegelte, hinaufgehoben werden konnten zu bestimmter Zeit, das waren diejenigen, welche uns als die 12 Apostel des Jesus geschildert sind. Das war der verschlagene Extrakt der unteren Kasten, die nicht nach Indien gekommen sind. Aus ihnen mußte die Substanz für die Jünger genommen werden. – Damit soll nichts gesagt sein über vorhergehende oder nachfolgende Inkarnationen der Apostel-Individualitäten, sondern lediglich über die physische Vorfahrenschaft derjenigen Körper, in welchen die Apostel-Persönlichkeiten inkarniert waren. Man muß überall die Inkarnationslinie und die physische Vererbungslinie auseinanderhalten. [8] Gleich im Beginne des Markus-Evangeliums wird von der Bestellung der Zwölf geredet und wo die Rede ist von der Namengebung, wie Christus Jesus da zwei von seinen Aposteln die «Donnersöhne» nennt. Er nennt sie so, weil er, damit sie seine Diener werden, ein Element in sie verpflanzen will, das nicht von der Erde ist, das von außerhalb der Erde herkommt, weil es das Evangelium aus den Reichen der Angeloi und Archangeloi ist, weil es ein ganz Neues ist und weil es nicht mehr genügt, bloß von den Menschen zu sprechen, sondern von einem himmlischen, überirdischen Element, dem Ich. Er nennt sie Donnersöhne, um zu zeigen, daß auch die Seinigen eine Beziehung zu dem überirdischen Element haben. Er gibt ihnen Beinamen von den Eigenschaften der elementarischen Welt. Dasselbe ist der Fall, wenn er Simon den «Felsenmann» (lateinisch: Petrus) nennt. So wird durch das ganze Evangelium angekündigt das Hereintreten des «Angelium», der Impulse aus der geistigen Welt. [9] Diejenigen Seelen erschienen wieder, die in den 7 Makkabäersöhnen und in den 5 Söhnen des Mattathias, in Judas und seinen Brüdern, verkörpert waren; daraus setzte sich das Apostolat zusammen. Sie waren hineingeworfen in das Element der Fischer und der einfachen Leute. Man könnte sich vorstellen, daß jemand ein ganz Ungläubiger wäre und nur künstlerisch das ins Auge fassen wollte, wie am Ende des Alten Testamentes Sieben und Fünf auftreten und wie Zwölf wieder am Anfang des Neuen Testamentes zu finden sind. Wenn man dies rein als künstlerisch-kompositionelles Element nimmt, kann man schon von der Einfachheit und der künstlerischen Größe des Bibelbuches ergriffen sein, ganz abgesehen davon, daß die Zwölf sich zusammensetzen aus den 5 Söhnen des Mattathias und den 7 Söhnen der Makkabäermutter. Man wird lernen müssen, die Bibel auch als Kunstwerk zu nehmen; dann wird einem erst das Gefühl für die Größe aufgehen, die in die Bibel als Kunstwerk hineingelegt ist. Und man wird ein Gefühl dafür erhalten, worauf sich das, was da künstlerisch hineingelegt ist, eben beziehen muß. Unter den 5 Söhnen des Mattathias ist einer der schon im alten Testament Judas heißt. Er ist damals derjenige, welcher am kräftigsten kämpft für sein Volk, der ganz und gar mit seiner Seele seinem Volkstum hingegeben ist, und dem es auch gelingt, einen Bund mit den Römern zu schließen gegen den König Antiochus von Syrien. Dieser Judas ist derselbe, welcher später die Prüfung durchzumachen hat, den Verrat zu begehen, weil er, der am allerinnigsten verbunden ist mit dem spezifisch alt-hebräischen Element, nicht gleich den Übergang zu dem christlichen Element finden kann und erst die harte Prüfung braucht durch den Verrat. Durch die spätere Wiederverkörperung dieses Judas geschieht eigentlich gerade die Verschmelzung des römischen Elementes mit dem christlichen Element, und wir sehen, wie der wiederverkörperte Judas der erste ist, der sozusagen den großen Erfolg hat in der Ausbreitung des romanisierten Christentums, und wie der Bündnisabschluß des Judas des Alten Testamentes mit den Römern die prophetische Vortatsache ist dessen, was ein Späterer tut. Und was sich dann durch sein späteres Wirken zeigt als Christentum im Römertum und Römertum im Christentum zugleich, das erscheint wie eine ins Geistige umgesetzte Erneuerung des Bündnisses des alttestamentlichen Judas mit den Römern. [10] Wer ist denn eigentlich anwesend, als sich das Mysterium von Golgatha abspielte? Hat Christus um sich gesammelt Schüler, wie Konfuzius, Laotse oder Buddha es taten? Wenn man genau zusieht, tat er nicht einmal das. Denn waren seine Jünger bis zum Mysterium von Golgatha schon seine Apostel? Nein! Zerstreut haben sie sich, weggegangen sind sie, als derjenige, dem sie bis dahin gefolgt waren, seinen Leidensweg antrat. Dadurch erst sind sie seine Apostel geworden, daß er, durch den Tod hindurchgehend, ihnen die Gewißheit gab, daß etwas lebt, was Sieger ist über den Tod. Da erst sind sie seine Apostel geworden und haben seine Kraft hineingetragen unter die Völker der Erde. Als das Persönliche weg ist, durch den Tod gegangen ist, da erst wirkt die Kraft, die durch den Christus auf die Erde kam. Nicht wirkt fort eine persönliche Lehre, sondern die Tatsache, daß der Christus im Jesus war, daß er das Mysterium von Golgatha durchgemacht hat, und daß von diesem eine Kraft ausstrahlt über die ganze folgende Menschheitsentwickelung hin. [11]

Zitate:

[1]  GA 93a, Seite 21   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[2]  GA 97, Seite 45   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[3]  GA 94, Seite 292   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[4]  GA 97, Seite 46   (Ausgabe 1981, 340 Seiten)
[5]  GA 148, Seite 46   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[6]  GA 139, Seite 84   (Ausgabe 1960, 212 Seiten)
[7]  GA 139, Seite 84f   (Ausgabe 1960, 212 Seiten)
[8]  GA 155, Seite 100   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)
[9]  GA 139, Seite 42   (Ausgabe 1960, 212 Seiten)
[10]  GA 139, Seite 44f   (Ausgabe 1960, 212 Seiten)
[11]  GA 130, Seite 283   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)

Quellen:

GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 97:  Das christliche Mysterium (1906/1907)
GA 130:  Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit (1911/1912)
GA 139:  Das Markus-Evangelium (1912)
GA 148:  Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium (1913/1914)
GA 155:  Christus und die menschliche Seele. Über den Sinn des Lebens. Theosophische Moral. Anthroposophie und Christentum (1912/1914)