Christus Leben
► Grablegung

Es fällt dem hellsehenden Blick zunächst auf ein Bild, das eine Realität darstellt, das auch in den Evangelien angedeutet ist, das aber doch einen ganz besonderen Anblick darbietet, wenn man es gleichsam heraustreten sieht aus der Fülle der Bilder (der Akasha-Chronik), die der hellsehende Blick in der Rückschau erhalten kann. Es fällt dieser hellsehende Blick tatsächlich auf eine Art von Verfinsterung der Erde. Und man fühlt, wie in diesem bedeutungsvollen Augenblick, der durch Stunden hindurch anhält, wie da die physische Sonne verfinstert war über dem Lande Palästina, über der Stätte von Golgatha. Man hat denselben Eindruck, den der geisteswissenschaftlich geschulte Blick jetzt noch nachprüfen kann, wenn wirklich eine äußere physische Sonnenfinsternis durch das Land geht. Man fühlt während einer Sonnenfinsternis etwas wie ein Aufstehen der Gruppenseelen der Pflanzen, der Gruppenseelen der Tiere, dagegen wie ein Mattwerden aller physischen Leiblichkeit der Pflanzen und Tiere. Es tritt etwas ein wie ein Hellwerden alles dessen, was geistig ist, was Gruppenseelenhaftigkeit darstellt. Das alles stellt sich in einem hohem Maße dar, wenn der hellsehende Blick in der Rückschau hinsieht auf den Augenblick der Erdenevolution, den wir bezeichnen als das Mysterium von Golgatha. Und man lernt lesen, was dieses merkwürdige Naturzeichen eigentlich bedeutet. In vieler Beziehung konnte dasjenige Wissen, das von Plato oder Aristoteles erreicht worden ist, in der späteren Zeit gar nicht überholt werden, denn es war für die Intellektualität der Menschheit damit in gewisser Beziehung ein Höchstes herangekommen. Man weiß dann: So trat alles Wissen damals nicht aufklärend, sondern das Welträtsel verdunkelnd auf, und man fühlt als Hellseher die Verfinsterung der höheren, eigentlich spirituellen Regionen der Welt durch das Wissen der alten Zeit, das sich vor die wirkliche Erkenntnis hingestellt hat wie der Mond vor die Sonne bei einer Sonnenfinsternis. Und das äußere Naturereignis wird ein Ausdruck dafür, daß die Menschheit eine Stufe erreicht hat, innerhalb welcher sich das aus der Menschheit selbst geschöpfte Wissen vor das höhere Erkennen hingestellt hat wie der Mond vor die Sonne, bei einer Sonnenfinsternis. Der Menschheit Seelenverdunkelung innerhalb der Erdenevolution fühlt man hingeschrieben in einem ungeheuren Zeichen der okkulten Schrift in den Kosmos in jener Verfinsterung der Sonne.

Das Gegenwartsbewußtsein kann es wie eine Beleidigung empfinden, wenn man so etwas ausspricht, weil es kein Verständnis mehr hat für das Walten spiritueller Kräfte im Weltenall, die im Zusammenhang stehen mit dem, was in der Menschenseele als Kräfte waltet. Ich will nicht im gewöhnlichen Sinne von Wundern sprechen, von einem Durchbrechen der Naturgesetze, aber ich kann nicht anders als Ihnen mitteilen, wie man jene Verfinsterung der Sonne lesen muß. [1]

Und dann – nachdem man diese okkulte Schrift gelesen hat – stellt sich in der Tat vor das hellsichtige Bewußtsein das Bild des erhöhten Kreuzes auf Golgatha, des an ihm hängenden Körpers des Jesus zwischen den beiden Räubern. Und es stellt sich ein – und ich darf wohl in Parenthese einfügen, je mehr man sich gegen dieses Bild wehrt, desto heftiger stellt es sich ein –, das Bild stellt sich ein der Kreuzabnahme und der Grablegung. Jetzt tritt ein zweites gewaltiges Zeichen ein, wodurch wieder wie in den Kosmos hineingeschrieben wird etwas, was man eben lesen muß, um es zu begreifen, als ein Symbolum dessen, was in der Evolution der Menschheit eigentlich geschehen ist: Man verfolgt das Bild des vom Kreuze herabgenommenen Jesus, der in das Grab gelegt wird, und man wird dann durchrüttelt, wenn man den Seelenblick darauf richtet, in der Seele von einem Erdbeben das durch jene Gegend ging.

Vielleicht wird man einmal den Zusammenhang jener Verfinsterung der Sonne mit diesem Erdbeben auch naturwissenschaftlich besser einsehen, denn gewisse Lehren, die heute schon, aber zusammenhangslos, durch die Welt ziehen, zeigen einen Zusammenhang zwischen Sonnenfinsternis und Erdbeben und sogar schlagenden Wettern in Bergwerken (zum Beispiel: Rudolf Falb, in Grundzüge der Theorie der Erdbeben und Vulkanausbrüche, Graz 1870). Jenes Erdbeben war eine Folge der Sonnenfinsternis; es durchrüttelte das Grab, in das der Leichnam des Jesus gelegt war – und weggerissen wurde der Stein, der darauf gelegt worden war, und ein Spalt wurde aufgerissen in der Erde, und der Leichnam wurde aufgenommen von dem Spalt. Durch weitere Aufrüttelung wurde über dem Leichnam der Spalt wieder geschlossen. Und als die Leute am Morgen kamen, war das Grab leer, denn die Erde hatte aufgenommen den Leichnam des Jesus; nur der Stein lag noch da, hinweggeschleudert. [2]

Durch das wellenartige Erdbeben und Stürmen wurden tatsächlich die Leichentücher so herumgeworfen wie sie dann im Johannes-Evangelium bei der Beschreibung des leeren Grabes in ihren Lagen geschildert werden. Was da von dem Erdspalt aufgenommen worden ist, das durchdrang dasjenige, was wir das in der Äthersubstanz erflimmernde und erglitzernde Blut genannt haben, und dadurch wird das flimmernde und glitzernde Blut im Ätherleibe sichtbar; so daß man die Empfindung hat – ich sagte (siehe: Ätherleib nach dem Tode): es breitet sich der Ätherleib nach dem Tode aus und man erblickt ihn wie eine Art Firmament, von dem sich alles andere abhebt, es spannt sich aus in diesem sich ausbreitenden Ätherleibe wie eine Grundsubstanz der blutentleerte Leib des Christus Jesus, der von dem Erdspalt aufgenommen worden ist und so in die Erde übergegangen ist und in dem ausgespannten Tableau des Ätherleibes wie diesen belebend erscheint. [3]

Diese Ereignisse: Erdenverfinsterung, Erdbeben und mächtiger Wirbelwind, sie zeigen uns so an einem Punkte der Erdentwickelung, wie die Naturereignisse zugleich mit geistigen Ereignissen eintraten. Sonst findet etwas Derartiges nur bei lebenden Wesen statt, wie zum Beispiel einer Handbewegung der Willensentschluß und das Denken vorhergeht. Die Entwickelung der Erde ging so vor sich, daß wir es im gewöhnlichen Leben nur mit mechanischen Tatsachen zu tun haben. Nur in einem besonderen Augenblick haben wir es – auch bei anderen Tatsachen der Erde, aber bei dieser Tatsache im höchsten Maße – mit dem Zusammenfallen einer geistigen mit zwei physischen Tatsachen zu tun. [4]

Zitate:

[1]  GA 148, Seite 26ff   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[2]  GA 148, Seite 30   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[3]  GA 148, Seite 205   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)
[4]  GA 148, Seite 323   (Ausgabe 1980, 342 Seiten)

Quellen:

GA 148:  Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium (1913/1914)