Schilderung von Teilen der übersinnlichen Welt
► Tod und die nachtodlichen Erlebnisse

Auch der Tod tritt durch nichts anderes ein als durch eine Änderung im Zusammenhang der Glieder des Menschenwesens. Auch dasjenige, was in bezug darauf die übersinnliche Beobachtung ergibt, kann in seinen Wirkungen in der offenbaren Welt gesehen werden; und die unbefangene Urteilskraft wird durch die Betrachtung des äußeren Lebens auch hier die Mitteilung der übersinnlichen Erkenntnis bestätigt finden. Doch ist für diese Tatsachen der Ausdruck des Unsichtbaren im Sichtbaren weniger offenliegend. Während sich beim Übergang in den Schlaf der Astralleib nur aus seiner Verbindung mit dem Ätherleib und dem physischen Leibe löst, die letzteren jedoch verbunden bleiben, tritt mit dem Tode die Abtrennung des physischen Leibes vom Ätherleibe ein. Der physische Leib bleibt seinen eigenen Kräften überlassen und muß deshalb als Leichnam zerfallen. Für den Ätherleib ist aber nunmehr mit dem Tode ein Zustand eingetreten, in dem er während der Zeit zwischen Geburt und Tod niemals war. Er ist nämlich jetzt mit seinem Astralleib vereinigt, ohne daß der physische Leib dabei ist. Denn nicht unmittelbar nach dem Eintritt des Todes trennen sich Ätherleib und Astralleib. Sie halten eine Zeitlang durch eine Kraft zusammen, von der leicht verständlich ist, daß sie vorhanden sein muß. Wäre sie nämlich nicht vorhanden, so könnte sich der Ätherleib gar nicht aus dem physischen Leibe herauslösen. Denn er wird mit diesem zusammengehalten: das zeigt der Schlaf, wo der Astralleib nicht imstande ist, diese beiden Glieder des Menschen auseinanderzureißen. Diese Kraft tritt beim Tode in Wirksamkeit. Sie löst den Ätherleib aus dem physischen heraus, so daß der erstere jetzt mit dem Astralleib verbunden ist. Die übersinnliche Beobachtung zeigt, daß diese Verbindung für verschiedene Menschen nach dem Tode verschieden ist. Die Dauer bemißt sich nach Tagen (rund 3 Tage). – Später löst sich dann der Astralleib auch von seinem Ätherleib heraus und geht ohne diesen seine Wege weiter. Während der Verbindung der beiden Leiber ist der Mensch in einem Zustande, durch den er die Erlebnisse seines Astralleibes wahrnehmen kann. Solange der physische Leib da ist, muß mit der Loslösung des Astralleibes von ihm sogleich die Arbeit von außen beginnen, um die abgenutzten Organe zu erfrischen. Ist der physische Leib abgetrennt, so fällt diese Arbeit weg. Doch die Kraft, welche auf sie verwendet wird, wenn der Mensch schläft, bleibt nach dem Tode, und sie kann jetzt zu anderem verwendet werden. Sie wird nun dazu gebraucht, um die eigenen Vorgänge des Astralleibes wahrnehmbar zu machen. [1]

Lebenstableau als erstes Nachtodeserlebnis

Während der Verbindung des Menschen mit seinem physischen Leibe tritt die äußere Welt in Abbildern ins Bewußtsein; nach der Ablegung dieses Leibes wird wahrnehmbar, was der Astralleib erlebt, wenn er durch keine physischen Sinnesorgane mit dieser Außenwelt verbunden ist. Neue Erlebnisse hat er zunächst nicht. Die Verbindung mit dem Ätherleibe hindert ihn daran, etwas Neues zu erleben. Was er aber besitzt, das ist die Erinnerung an das vergangene Leben. Diese läßt der noch vorhandene Ätherleib als ein umfassendes, lebensvolles Gemälde erscheinen (siehe unter: Lebenstableau). Das ist das erste Erlebnis des Menschen nach dem Tode. Er nimmt das (ganze) Leben zwischen Geburt und Tod als eine vor ihm ausgebreitete Reihe von Bildern wahr. Während (des) Lebens ist die Erinnerung nur im Wachzustand vorhanden, wenn der Mensch mit seinem physischen Leib verbunden ist. Sie ist nur insoweit vorhanden, als dieser Leib dies zuläßt. Der Seele geht nichts verloren von dem, was im Leben auf sie Eindruck macht. Wäre der physische Leib dazu ein vollkommenes Werkzeug: es müßte in jedem Augenblicke des Lebens möglich sein, dessen ganze Vergangenheit vor die Seele zu zaubern. Mit dem Tode hört dieses Hindernis auf. Solange der Ätherleib dem Menschen erhalten bleibt, besteht eine gewisse Vollkommenheit der Erinnerung. Sie schwindet aber in dem Maße dahin, in dem der Ätherleib die Form verliert, welche er während seines Aufenthaltes im physischen Leibe gehabt hat und welche dem physischen Leib ähnlich ist. Das ist ja auch der Grund, warum sich der Astralleib vom Ätherleib nach einiger Zeit trennt. Er kann nur so lange mit diesem vereinigt bleiben, als dessen dem physischen Leib entsprechende Form andauert. – Während des Lebens zwischen Geburt und Tod tritt eine Trennung des Ätherleibes nur in Ausnahmefällen und nur für kurze Zeit ein. Wenn der Mensch zum Beispiel eines seiner Glieder belastet, so kann ein Teil des Ätherleibes aus dem physischen sich abtrennen. Von einem Gliede, bei dem dies der Fall ist, sagt man, es sei «eingeschlafen». Und das eigentümliche Gefühl, das man dann empfindet, rührt von dem Abtrennen des Ätherleibes her. Die übersinnliche Beobachtung kann in einem solchen Falle sehen, wie der entsprechende Teil des Ätherleibes aus dem physischen herausrückt. Wenn nun der Mensch einen ganz ungewohnten Schreck oder dergleichen erlebt, so kann für einen großen Teil des Leibes für eine ganz kurze Zeit eine solche Abtrennung des Ätherleibes erfolgen. Es ist das dann der Fall, wenn der Mensch sich durch irgend etwas plötzlich dem Tode nahe sieht, wenn er zum Beispiel am Ertrinken ist oder bei einer Bergpartie ihm ein (Tod beim) Absturz droht. Was Leute, die solches erlebt haben, erzählen, das kommt in der Tat der Wahrheit nahe und kann durch übersinnliche Beobachtung bestätigt werden. Sie geben an, daß ihnen in solchen Augenblicken ihr ganzes Leben wie in einem großen Erinnerungsbilde vor die Seele getreten ist. Der ausgezeichnete Kriminalanthropologe und auf vielen anderen Gebieten der Naturforschung bedeutsame Forscher Moritz Benedikt erzählt in seinen Lebenserinnerungen den von ihm selbst erlebte Fall, daß er einmal, als er dem Ertrinken in einem Bade nahe war, wie in einem einzigen Bilde sein ganzes Leben in der Erinnerung vor sich gesehen habe. [2] In einem Erinnerungsgemälde zusammengefaßt erscheint in der ersten Zeit nach dem Tode die erlebte Vergangenheit. Nach der Trennung von dem Ätherleib ist nun der Astralleib für sich allein auf seiner weiteren Wanderung. Es ist unschwer einzusehen, daß in dem Astralleib alles das vorhanden bleibt, was dieser durch seine eigene Tätigkeit während seines Aufenthaltes im physischen Leibe zu seinem Besitz gemacht hat. Das Ich hat bis zu einem gewissen Grade das Geistselbst (Manas), den Lebensgeist (Buddhi) und den Geistesmenschen (Atma) herausgearbeitet. Soweit diese entwickelt sind, erhalten sie ihr Dasein nicht von dem, was als Organe in den Leibern vorhanden ist, sondern vom Ich. Und dieses Ich ist ja gerade dasjenige Wesen, welches keiner äußeren Organe zu seiner Wahrnehmung bedarf. Und es braucht auch keine solchen, um im Besitze dessen zu bleiben, was es mit sich selbst vereint hat. Man könnte einwenden: ja warum ist im Schlafe keine Wahrnehmung von diesem entwickelten Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmenschen vorhanden? Sie ist deswegen nicht vorhanden, weil das Ich zwischen Geburt und Tod an den physischen Leib gekettet ist. Wenn es auch im Schlafe mit dem Astralleibe sich außerhalb dieses physischen Leibes befindet, so bleibt es doch mit diesem eng verbunden. Denn die Tätigkeit seines Astralleibes ist diesem physischen Leibe zugewandt. Dadurch ist das Ich mit seiner Wahrnehmung an die äußere Sinneswelt verwiesen, kann somit die Offenbarungen des Geistigen in seiner unmittelbaren Gestalt nicht empfangen. Erst durch den Tod tritt diese Offenbarung an das Ich heran, weil dieses durch ihn frei wird von seiner Verbindung mit physischem und Ätherleib. In dem Augenblicke kann für die Seele eine andere Welt aufleuchten, in dem sie herausgezogen ist aus der physischen Welt, die im Leben ihre Tätigkeit an sich fesselt. [3]

Läuterungszeit im Kamaloka

Die nächsten Erlebnisse nach dem Tode sind nun in noch einer Beziehung (als der bisher weiter oben geschilderten Läuterung) verschieden von denen während des Lebens. Während der Läuterung (oder Kamaloka) lebt der Mensch gewissermaßen nach rückwärts. Er macht alles dasjenige noch einmal durch, was er im Leben seit der Geburt erfahren hat. Von den Vorgängen, die dem Tode unmittelbar vorausgingen, beginnt er und erlebt alles nochmals bis zur Kindheit in rückwärtiger Reihenfolge. Und dabei tritt ihm alles geistig vor Augen, was nicht aus der geistigen Natur des Ich während des Lebens entsprungen ist. Nur erlebt er auch dieses alles jetzt in umgekehrter Art. Ein Mensch, der zum Beispiel im sechzigsten Jahre gestorben ist und der aus einer zornigen Aufwallung heraus in seinem vierzigsten Jahre jemand körperlichen oder seelischen Schmerz zugefügt hat, wird dieses Ereignis noch einmal erleben, wenn er bei seiner rückgängigen Daseinswanderung nach dem Tode an der Stelle seines vierzigsten Jahres angelangt ist. Nur erlebt er da nicht die Befriedigung, die ihm im Leben geworden ist durch den Angriff auf den andern, sondern dafür den Schmerz, der durch ihn diesem andern zugefügt worden ist. Nur dasjenige von einem solchen Vorgang kann nach dem Tode als peinvoll wahrgenommen werden, was aus einer Begierde des Ich entsprungen ist, die nur der äußeren physischen Welt entstammt. In Wahrheit schädigt das Ich nämlich nicht nur den andern durch die Befriedigung einer solchen Begierde, sondern sich selbst; nur bleibt ihm diese Schädigung während des Lebens unsichtbar. Nach dem Tode aber wird diese ganze schädigende Begierdenwelt dem Ich sichtbar. Und zu jedem Wesen und jedem Dinge fühlt sich dann das Ich hingezogen, an dem solch eine Begierde entzündet worden ist, damit sie im «verzehrenden Feuer» ebenso wieder ausgetilgt werden kann, wie sie entstanden ist. Erst wenn der Mensch bei seiner Rückwärtswanderung in dem Zeitpunkte seiner Geburt angelangt ist, sind alle derartigen Begierden durch das Läuterungsfeuer hindurchgegangen, und nichts hindert ihn von jetzt ab an der vollen Hingabe an die geistige Welt. Er betritt eine neue Daseinsstufe. Wie er im Tode den physischen Leib, bald darauf den Ätherleib abgelegt hat, so zerfällt jetzt derjenige Teil des astralischen Leibes, der nur im Bewußtsein der äußeren physischen Welt leben kann. Für die übersinnliche Erkenntnis gibt es somit drei Leichname, den physischen, den ätherischen und den astralischen. Der Zeitpunkt, in dem der letztere von dem Menschen abgeworfen wird, ist dadurch gekennzeichnet, daß die Zeit der Läuterung etwa das Drittel von derjenigen beträgt, welche zwischen Geburt und Tod verflossen ist. Für die übersinnliche Beobachtung sind in der menschlichen Umwelt fortwährend Astralleichname vorhanden, die abgeworfen sind von Menschen, welche aus dem Läuterungszustande in ein höheres Dasein übergehen. [4]

Nach der Läuterung tritt für das Ich ein völlig neuer Bewußtseinszustand ein. Während ihm vor dem Tode die äußeren Wahrnehmungen zufließen mußten, damit auf sie das Licht des Bewußtseins fallen könne, strömt jetzt gleichsam von innen eine Welt, die zum Bewußtsein gelangt. Auch zwischen Geburt und Tod lebt das Ich in dieser Welt. Nur kleidet sich letztere da in die Offenbarungen der Sinne; und nur da, wo das Ich mit Außerachtlassung aller Sinneswahrnehmung sich selbst in seinem «innersten Allerheiligsten» wahrnimmt, kündigt sich das in unmittelbarer Gestalt an, was sonst nur in dem Schleier des Sinnlichen erscheint. So wie die Wahrnehmung des Ich im Innern vor dem Tode vor sich geht, so von innen heraus offenbart sich die geistige Welt in ihrer Fülle nach dem Tode und nach der Läuterung. Eigentlich ist diese Offenbarung schon sogleich nach dem Ablegen des Ätherleibes da; doch legt sich vor sie hin wie eine verfinsternde Wolke die Welt der Begierden, welche noch der äußeren Welt zugekehrt sind. Es ist da, wie wenn sich in eine selige Welt gestigen Erlebens die schwarzen dämonischen Schatten mischten, welche aus den im «Feuer sich verzehrenden» Begierden entstehen. Ja nicht bloß Schatten, sondern wirkliche Wesenheiten sind jetzt diese Begierden; das zeigt sich sofort, wenn die physischen Organe vom Ich entfernt sind und dieses dadurch wahrnehmen kann, was geistiger Art ist. Als Zerrbilder und Karikaturen dessen erscheinen diese Wesen, was dem Menschen vorher durch die sinnliche Wahrnehmung bekannt geworden ist. Die übersinnliche Beobachtung hat von dieser Welt des Läuterungsfeuers zu sagen, daß sie bewohnt ist von Wesen, deren Aussehen dem geistigen Auge grauenhaft und schmerzerregend sein kann, deren Lust die Vernichtung zu sein scheint und deren Leidenschaft auf ein Böses sich richtet, gegen welches das Böse der Sinnenwelt unbedeutend wirkt. Was der Mensch an den gekennzeichneten Begierden in diese Welt mitbringt, das erscheint für diese Wesenheiten wie eine Nahrung, durch welche ihre Gewalten stets aufs neue Kräftigung und Stärkung erhalten. Das Bild, das so von einer für die Sinne unwahrnehmbaren Welt entworfen wird, kann dem Menschen weniger unglaublich erscheinen, wenn er einmal mit einem unbefangenen Blicke einen Teil der Tierwelt betrachtet. Was ist für den geistigen Blick ein grausam herumziehender Wolf? Was offenbart sich in dem, was die Sinne an ihm wahrnehmen ? Nichts anderes als eine Seele, die in Begierden lebt und sich durch diese betätigt. Man kann die äußere Gestalt des Wolfes eine Verkörperung dieser Begierden nennen. Nun, die Wesen des Läuterungsfeuers sind zwar nicht für das sinnliche, sondern nur für das übersinnliche Bewußtsein vorhanden; ihre Wirkungen liegen aber offenkundig da: sie bestehen in der Zerstörung des Ich, wenn ihnen dieses Nahrung gibt. Diese Wirkungen werden deutlich sichtbar, wenn sich der begründete Genuß zu Unmäßigkeit und Ausschweifung steigert. Denn was den Sinnen wahrnehmbar ist, würde auch das Ich nur insoweit reizen, als der Genuß in seiner Wesenheit begründet ist. Das Tier wird nur durch dasjenige in der Außenwelt zum Verlangen getrieben, wonach seine drei Leiber begehren. Der Mensch hat höhere Genüsse, weil zu den drei Leibesgliedern noch das vierte, das Ich, hinzukommt. Wenn aber nun das Ich nach einer solchen Befriedigung verlangt, die seinem Wesen nicht zur Erhaltung und Förderung, sondern zur Zerstörung dient, so kann ein solches Verlangen weder die Wirkung seiner drei Leiber noch diejenige seiner eigenen Natur sein, sondern nur diejenige von Wesenheiten, welche den Sinnen verborgen bleiben ihrer wahren Gestalt nach, die aber gerade an die höhere Natur des Ich sich heranmachen können und es zu Begierden zu reizen vermögen, die nicht mit der Sinnlichkeit zusammenhängen, doch aber nur durch diese befriedigt werden können. Es sind eben Wesen vorhanden, welche Leidenschaften und Begierden zu ihrer Nahrung haben, die von schlimmerer Art als alle tierischen sind, weil sie nicht im Sinnlichen sich ausleben, sondern das Geistige ergreifen und dieses in das sinnliche Feld herunterziehen. Die Gestalten solcher Wesen sind deshalb für den geistigen Blick häßlicher, grauenhafter als die Gestalten der wildesten Tiere, in denen sich doch nur Leidenschaften verkörpern, welche im Sinnlichen begründet sind; und die zerstörenden Kräfte dieser Wesen überragen maßlos alle Zerstörungswut, welche in der sinnlich wahrnehmbaren Tierwelt vorhanden ist. Die übersinnliche Erkenntnis muß auf diese Art den Blick des Menschen weiten als auf eine Welt von Wesen, die in gewisser Beziehung niedriger steht als die sichtbare zerstörungsbringende Tierwelt. [5]

Nachtodlicher Durchgang durch die Welt des Geistes

Wenn der Mensch nach dem Tode durch diese Welt hindurchgegangen ist, dann findet er sich einer Welt gegenüber, welche Geistiges enthält und die auch nur ein Verlangen in ihm erzeugt, das im Geistigen seine Befriedigung findet. Aber auch jetzt unterscheidet der Mensch zwischen dem, was zu seinem Ich gehört, und dem, was die Umgebung dieses Ich – man kann auch sagen, dessen geistige Außenwelt – bildet. Nur strömt ihm das, was er von dieser Umgebung erlebt, so zu, wie während seines Aufenthaltes im Leibe ihm die Wahrnehmung seines eigenen Ich zuströmt. Während also die Umgebung des Menschen im Leben zwischen Geburt und Tod durch die Organe seiner Leiber zu ihm spricht, dringt nach Ablegung aller Leiber die Sprache der neuen Umgebung unmittelbar in das «innerste Heiligtum» des Ich. Die ganze Umgebung des Menschen ist jetzt erfüllt von Wesenheiten, welche gleicher Art sind mit seinem Ich, denn nur ein Ich hat zu einem Ich den Zutritt. So wie Mineralien, Pflanzen und Tiere den Menschen in der Sinnenwelt umgeben und diese zusammensetzen, so ist er nach dem Tode von einer Welt umgeben, die aus Wesenheiten geistiger Art zusammengesetzt ist. – Doch bringt der Mensch etwas, was in ihr nicht seine Umgebung ist, in diese Welt mit; es ist dasjenige, was das Ich innerhalb der Sinnenwelt erlebt hat. Zunächst trat die Summme dieser Erlebnisse unmittelbar nach dem Tode, solange der Ätherleib noch mit dem Ich verbunden war, als ein umfassendes Erinnerungsgemälde auf. Der Ätherleib selbst wird dann zwar abgelegt, aber von dem Erinnerungsgemälde bleibt etwas als unvergänglicher Besitz des Ich zurück. Wie wenn man aus allen Erlebnissen und Erfahrungen, die zwischen Geburt und Tod an den Menschen herangetreten sind, einen Extrakt, einen Auszug machen würde, so nimmt sich das aus, was da zurückbleibt. Es ist dies das geistige Erträgnis des Lebens, die Frucht desselben. Dieses Erträgnis ist geistiger Art. Es enthält alles, was sich Geistiges durch die Sinne offenbart. Aber ohne das Leben in der Sinnenwelt hätte es nicht zustande kommen können. Diese geistige Frucht der Sinnenwelt empfindet nach dem Tode das Ich als das, was jetzt seine eigene, seine Innenwelt ist und womit es die Welt betritt, die aus Wesen besteht, die sich offenbaren, wie nur sein Ich sich selbst in seinem tiefsten Innern offenbaren kann. Wie ein Pflanzenkeim, der ein Extrakt der ganzen Pflanze ist, sich aber nur entfaltet, wenn er in eine andere Welt, in die Erde, versenkt wird, so entfaltet sich jetzt dasjenige, was das Ich aus der Sinnenwelt mitbringt, wie ein Keim, auf den die geistige Umgebung wirkt, die ihn nunmehr aufgenommen hat. Die Wissenschaft des Übersinnlichen kann allerdings nur Bilder geben, wenn sie schildern soll, was in diesem «Geisterland» vorgeht; doch können diese Bilder solche sein, welche dem übersinnlichen Bewußtsein sich als wahre Wirklichkeit darstellen, wenn es die entsprechenden, dem sinnlichen Auge unsichtbaren Ereignisse verfolgt. Was da zu schildern ist, kann durch Vergleiche mit der Sinnenwelt anschaulich gemacht werden. Denn trotzdem es ganz geistiger Art ist, hat es Ähnlichkeit in gewisser Beziehung mit der sinnlichen Welt. Wie zum Beispiel in dieser eine Farbe erscheint, wenn dieser oder jener Gegenstand auf das Auge wirkt, so stellt sich vor das Ich im Geisterlande ein Erlebnis wie das durch eine Farbe hin, wenn auf dasselbe ein Wesen wirkt. Nur wird dieses Erlebnis so hervorgebracht, wie innerhalb des Lebens zwischen Geburt und Tod nur die Wahrnehmung des Ich im Inneren bewirkt werden kann. Es ist nicht, wie wenn das Licht von außen herein in den Menschen fiele, sondern so, wie wenn ein anderes Wesen unmittelbar auf das Ich wirkte und dieses veranlaßte, sich diese Wirkung in einem Farbenbilde vorzustellen. So finden alle Wesen der geistigen Umgebung des Ich in einer farbenstrahlenden Welt ihren Ausdruck. Da sie eine andere Art der Entstehung haben, sind selbstverständlich diese Farbenerlebnisse der geistigen Welt auch von etwas anderem Charakter als die an den sinnlichen Farben. Auch für andere Eindrücke, welche der Mensch von der Sinnenwelt empfängt, muß Ähnliches gesagt werden. Am ähnlichsten den Eindrücken dieser Sinnenwelt sind nun aber die Töne der geistigen Welt. Und je mehr sich der Mensch einlebt in diese Welt, desto mehr wird sie für ihn ein in sich bewegtes Leben, das sich mit den Tönen und ihrer Harmonie in der sinnlichen Wirklichkeit vergleichen läßt. Nun fühlt er die Töne nicht als etwas, das von außen an ein Organ herankommt, sondern wie eine Macht, die durch sein Ich in die Welt hinausströmt. Er fühlt den Ton, wie in der Sinnenwelt sein eigenes Sprechen oder Singen; nur weiß er in der geistigen Welt, daß diese Töne, die aus ihm strömen, zugleich die Kundgebung anderer Wesenheiten sind, die durch ihn sich in die Welt ergießen. Eine noch höhere Kundgebung im Geisterland findet statt, wenn der Ton zum «geistigen Wort» wird. [6] Dann strömt durch das Ich nicht nur das bewegte Leben eines anderen geistigen Wesens, sondern ein solches Wesen selbst teilt sein Inneres diesem Ich mit. Und ohne das Trennende , das ein jedes Beisammensein in der Sinnenwelt haben muß, leben dann, wenn das Ich von dem «geistigen Wort» durchströmt wird, zwei Wesen ineinander. Und in dieser Art ist wirklich das Beisammensein von dem Ich mit andern geistigen Wesen nach dem Tode. Das strömende Leben im Geisterland wird gleichzeitig wie ein geistiges Tönen wahrgenommen. Die Wahrnehmung der Vorgänge im Luftkreis des Geisterlandes lassen sich vergleichen mit dem Hören der Worte in der physischen Welt. Deshalb sagt man: wie die Luft die Erdenwesen einhüllt und durchdringt, so die «wehenden geistigen Worte» die Wesen und Vorgänge des Geisterlandes. Und weitere Wahrnehmungen sind noch möglich in dieser geistigen Welt. Auch das ist hier vorhanden, was sich mit der Wärme und mit dem Lichte in der physischen Welt vergleichen läßt. Was wie die Wärme die irdischen Dinge und Wesen alles im Geisterland durchdringt, das ist die Gedankenwelt selbst. Nur sind die Gedanken da als lebende, selbständige Wesen vorzustellen. Was der Mensch in der offenbaren Welt als Gedanken erfaßt, das ist wie ein Schatten dessen, was als Gedankenwesen im Geisterlande lebt. Man denke sich den Gedanken, wie er im Menschen vorhanden ist, herausgehoben aus diesem Menschen und als tätiges, handelndes Wesen mit einem eigenen Innenleben begabt, so hat man eine schwache Verbildlichung dessen, was das vierte Gebiet des Geisterlandes erfüllt. Was der Mensch als Gedanken in seiner physischen Welt zwischen Geburt und Tod wahrnimmt, das ist nur die Offenbarung der Gedankenwelt, so wie sie durch die Werkzeuge der Leiber sich bilden kann. Aber alles, was der Mensch an solchen Gedanken hegt, die eine Bereicherung in der physischen Welt bedeuten, das hat aus diesem Gebiete heraus seinen Ursprung. Man braucht bei solchen Gedanken nicht bloß an Ideen der großen Erfinder, der genialen Personen zu denken, sondern man kann bei jedem Menschen sehen, wie er «Einfälle» hat, die er nicht bloß der Außenwelt verdankt, sondern durch die er diese Außenwelt selbst umgestaltet. [7]

Bildung des nächsten Lebenskeimes

In diese Welt wird nach dem Tode das Ich eingesenkt mit dem Erträgnis, das es aus dem sinnlichen Leben mitbringt. Und dieses Erträgnis ist noch vereinigt mit jenem Teile des Astralleibes, der am Ende der Läuterungszeit nicht abgeworfen wird. Es fällt ja nur jener Teil ab, welcher nach dem Tode mit seinen Begierden und Wünschen dem physischen Leben zugewandt war. Die Einsenkung des Ich mit dem, was es aus der sinnlichen Welt sich zugeeignet hat, in die geistige Welt, läßt sich mit dem Einbetten eines Samenkorns in die (aus)reifende Erde vergleichen. Wie dieses Samenkorn die Stoffe und Kräfte aus seiner Umgebung heranzieht, um sich zu einer neuen Pflanze zu entfalten, so ist Entfaltung und Wachstum das Wesen des in die geistige Welt eingesenkten Ich. – In demjenigen, was ein Organ wahrnimmt, liegt auch die Kraft verborgen, durch welche dieses Organ selbst gebildet wird. Das Auge nimmt das Licht wahr. Aber ohne das Licht gäbe es kein Auge. Wesen, welche ihr Leben im Finstern zubringen, bilden an sich keine Werkzeuge zum Sehen aus. So aber ist der ganze leibliche Mensch herausgeschaffen aus den verborgenen Kräften dessen, was durch die Glieder der Leiber wahrgenommen wird. Wenn nun das Ich in das Geisterland (Devachan) versetzt ist, so treten ihm eben jene Kräfte entgegen, die für die physische Wahrnehmung verborgen bleiben. Was im ersten Gebiet des Geisterlandes sichtbar wird, das sind die geistigen Wesenheiten, welche den Menschen immer umgeben und die seinen physischen Leib auch aufgebaut haben. In der physischen Welt nimmt der Mensch also nichts anderes wahr als die Offenbarungen derjenigen geistigen Kräfte, welche seinen eigenen physischen Leib auch gestaltet haben. Nach dem Tode ist er eben mitten unter diesen gestaltenden Kräften selbst, die sich ihm jetzt in ihrer eigenen, vorher verborgenen Gestalt zeigen. Ebenso ist er durch die zweite Region inmitten der Kräfte, aus denen sein Ätherleib besteht; in der dritten Region strömen ihm die Mächte zu, aus denen sein Astralleib herausgegliedert ist. Auch die höheren Gebiete des Geisterlandes lassen ihm jetzt das zufließen, aus dem er im Leben zwischen Geburt und Tod aufgebaut ist. Diese Wesenheiten der geistigen Welt wirken nunmehr zusammen mit dem, was der Mensch als Frucht aus dem vorigen Leben mitgebracht hat und was jetzt zum Keime wird. Und durch dieses Zusammenwirken wird der Mensch zunächst als geistiges Wesen aufs neue aufgebaut. Im Schlafe bleiben der physische Leib und der Ätherleib bestehen; der Astralleib und das Ich sind zwar außerhalb dieser beiden, aber noch mit ihnen verbunden. Was diese in solchem Zustande an Einflüssen aus der geistigen Welt empfangen, kann nur dienen, die während des Wachens erschöpften Kräfte wiederherzustellen. Nachdem aber der physische Leib und der Ätherleib abgelegt sind und nach der Läuterungszeit auch jene Teile des Astralleibes, die noch durch ihre Begierden mit der physischen Welt zusammenhängen, wird nun alles, was aus der geistigen Welt dem Ich zuströmt, nicht nur zum Verbesserer, sondern zum Neugestalter. Und nach einer gewissen Zeit (siehe: Leben zwischen Tod und einer neuen Geburt) hat sich um das Ich herum ein Astralleib gegliedert, der wieder in einem solchen Ätherleib und physischem Leib wohnen kann, wie sie dem Menschen zwischen Geburt und Tod eigen sind. Der Mensch kann wieder durch eine Geburt gehen und in einem neuen Erdendasein erscheinen, das nun in sich eingegliedert hat die Frucht des früheren Lebens. Bis zu der Neugestaltung eines Astralleibes ist der Mensch Zeuge seines Wiederaufbaues. Da sich ihm die Mächte des Geisterlandes nicht durch äußere Organe, sondern von innen aus offenbaren, wie das eigene Ich im Selbstbewußtsein, so kann er diese Offenbarung wahrnehmen, solange sein Sinn noch nicht auf eine äußere Wahrnehmungswelt gerichtet ist. Von dem Augenblicke an, wo der Astralleib neugestaltet ist, kehrt sich dieser Sinn aber nach außen. Der Astralleib verlangt nunmehr wieder einen äußeren Ätherleib und physischen Körper. Er wendet sich damit ab von den Offenbarungen des Innern. Deshalb gibt es jetzt einen Zwischenzustand, in dem der Mensch in Bewußtlosigkeit versinkt. [8]

Inkarnation neue

Das Bewußtsein kann erst wieder in der physischen Welt auftauchen, wenn die zur physischen Wahrnehmung notwendigen Organe gebildet sind. In dieser Zeit, in welcher das durch innere Wahrnehmung erleuchtete Bewußtsein aufhört, beginnt sich nun der neue Ätherleib an den Astralleib anzugliedern, und der Mensch kann dann auch wieder in einen physischen Leib einziehen. An diesen beiden Angliederungen könnte sich mit Bewußtsein nur ein solches Ich beteiligen, welches von sich aus die im Ätherleib und physischen Leib verborgen schaffenden Kräfte, den Lebensgeist (Buddhi) und den Geistesmenschen (Atma), erzeugt hat. Solange der Mensch nicht soweit ist, müssen Wesenheiten, die weiter in ihrer Entwickelung sind als er selbst, diese Angliederung leiten. Der Astralleib wird von solchen Wesenheiten zu einem Elternpaar geleitet, so daß er mit dem entsprechenden Ätherleib und physischem Leibe begabt werden kann. – Bevor die Angliederung des Ätherleibes sich vollzieht, ereignet sich nun etwas außerordentlich Bedeutsames für den wieder ins physische Dasein tretenden Menschen. Dieser hat ja in seinem vorigen Leben störende Mächte geschaffen, die sich bei der Rückwärtswanderung nach dem Tode gezeigt haben. Man nehme das früher erwähnte Beispiel wieder auf. Der Mensch habe aus einer Zornaufwallung heraus in dem vierzigsten Jahre seines vorigen Lebens jemand Schmerz zugefügt. Nach dem Tode trat ihm dieser Schmerz des andern als eine störende Kraft für die Entwickelung des eigenen Ich entgegen. Und so ist es mit allen solchen Vorfällen des vorigen Lebens. Beim Wiedereintritt in das physische Leben stehen nun diese Hindernisse der Entwickelung wieder vor dem Ich. Wie mit dem Eintritte des Todes eine Art Erinnerungsgemälde vor dem menschlichen Ich gestanden hat, so jetzt ein Vorblick auf das kommende Leben. Wieder sieht der Mensch ein solches Gemälde, das jetzt all die Hindernisse zeigt, welche der Mensch hinwegzuräumen hat, wenn seine Entwickelung weitergehen soll. Und das, was er so sieht, wird der Ausgangspunkt von Kräften, welche der Mensch ins neue Leben mitnehmen muß. Das Bild des Schmerzes, den er dem andern zugefügt hat, wird zur Kraft, die das Ich, wenn es nun wieder ins Leben eintritt, antreibt, diesen Schmerz wieder gutzumachen. So wirkt also das vorgängige Leben bestimmend auf das neue. Die Taten dieses neuen Lebens sind durch jene des vorigen in einer gewissen Weise verursacht. Diesen gesetzmäßigen Zusammenhang eines früheren Daseins mit einem späteren hat man als das Gesetz des Schicksals anzusehen; man ist gewohnt worden, es mit dem aus der morgenländischen Weisheit entlehnten Ausdruck «Karma» (Sanskritwort für «Tat») zu bezeichnen. [9]

Die Kräfte welche die Welt verändern - Evolution

Der Aufbau eines neuen Leibeszusammenhanges ist jedoch nicht die einzige Tätigkeit, welche dem Menschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt obliegt. Während dieser Aufbau geschieht, lebt der Mensch außerhalb der physischen Welt. Diese schreitet aber während dieser Zeit in ihrer Entwickelung weiter. In verhältnismäßig kurzen Zeiträumen ändert die Erde ihr Antlitz. Wenn der Mensch in einem neuen Dasein auf der Erde erscheint, sieht diese in der Regel niemals wieder so aus, wie sie zur Zeit seines letzten Lebens ausgesehen hat. Während er von der Erde abwesend war, hat alles mögliche sich geändert. In dieser Änderung des Antlitzes der Erde wirken nun auch verborgene Kräfte. Sie wirken aus derselben Welt heraus, in welcher sich der Mensch nach dem Tode befindet. Und er selbst muß an dieser Umgestaltung der Erde mitwirken. Er kann es nur unter der Anführung von höheren Wesenheiten, solange er sich nicht durch die Erzeugung von Lebensgeist und Geistesmenschen ein klares Bewußtsein über den Zusammenhang zwischen dem Geistigen und dessen Ausdruck im Physischen angeeignet hat. Aber er schafft mit an der Umwandlung der irdischen Verhältnisse. Man kann (also) sagen, die Menschen gestalten während der Zeit vom Tode bis zu einer neuen Geburt die Erde so um, daß deren Verhältnisse zu dem passen, was sich in ihnen selbst entwickelt hat. Für die physische Beobachtung wirkt auf die Umgestaltung der Erde das Licht der Sonne, die Wandelung des Klimas und so weiter. Für die übersinnliche Beobachtung waltet in dem Lichtstrahl, der von der Sonne auf die Pflanze fällt, die Kraft der toten Menschen. [10]

Zitate:

[1]  GA 13, Seite 92ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[2]  GA 13, Seite 95ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[3]  GA 13, Seite 98f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[4]  GA 13, Seite 104ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[5]  GA 13, Seite 106ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[6]  GA 13, Seite 109ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[7]  GA 13, Seite 112ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[8]  GA 13, Seite 115ff   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[9]  GA 13, Seite 118f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)
[10]  GA 13, Seite 199f   (Ausgabe 1962, 444 Seiten)

Quellen:

GA 13:  Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910)