Bewußtsein
► (Allgemein)

Bewußtsein ist Spiegelung des Verkehrs der Seele mit der Umgebung. [1] Durch das denkende Wesen wird das Denken mit der Beobachtung verbunden. Das menschliche Bewußtsein ist der Schauplatz, wo Begriff und Beobachtung einander begegnen und wo sie miteinander verknüpft werden. Dadurch ist aber dieses (menschliche) Bewußtsein zugleich charakterisiert. Es ist der Vermittler zwischen Denken und Beobachtung. [2] Die früheren Bewußtseine unterscheiden sich von dem irdischen hauptsächlich durch zwei Merkmale, durch den Helligkeitsgrad und durch den Umkreis, auf welchen sich die Wahrnehmung des Menschen erstreckt. [3]

Saturn Trancebewußtsein Allbewußtsein
Sonne Traumloses Schlafbewußtsein auf Lebendiges beschränktes Bewußtsein
Mond Traumbewußtsein Bilderbewußtsein
Erde Wachbewußtsein
Jupiter Astrales-(Bilder-) Bewusstsein erweitert
Venus Ätherbewußtsein noch mehr erweitert
Vulkan Allbewußtsein
[4]

Mit den verschiedenen übersinnlichen Bewußtseinen erblickt man außer der physischen Welt andere Welten. Das erste Bewußtsein übersinnlicher Art, davon erlebt der Mensch ein Surrogat, eine Andeutung in jenem erhobenen Traumbewußtsein, das nicht bloß willkürliche Traumbilder liefert, sondern das sich erstreckt bis zur Wahrnehmung von Wirklichkeiten, die allerdings einer höheren Welt angehören. Und es bedarf eigentlich nur einer systematischen höheren Ausbildung des Traumbewußtseins, dann kommt der Mensch zu dem ersten Bewußtsein übersinnlicher Art, das kann schon Aufschluß geben über wichtige Verhältnisse, die sich auf dem Monde, dem vergangenen Verkörperungszustande unserer Erde, zugetragen haben. Wenn es aufwacht, das tiefe Schlafbewußtsein, wenn es wach würde außerhalb des Leibes, dann ist es das zweite übersinnliche Bewußtsein, das höher hinaufgeht, und das würde allerdings den, der es erleben kann, bis zu dem alten Sonnenzustand hinaufführen. [5] Es ist üblich geworden, diese verschiedenen Bewußtseinszustände zu nennen verschiedene «Plane»; das, was mit dem physischen Bewußtsein zu überschauen ist, zu nennen den physischen Plan; was überschaubar ist mit dem ersten Bewußtsein übersinnlicher Art: den astralischen Plan; was überschaubar ist mit dem zweiten Bewußtsein übersinnlicher Art: den niederen Devachan – oder Mentalplan; was überschaubar ist mit dem dritten Bewußtsein übersinnlicher Art: den höheren Mentalplan oder höheren Devachanplan. Dann würde sich noch anschließen der Buddhiplan und Nirvanaplan (in mehreren Abteilungen). [6]

Es wird ganz unmöglich sein, irgend etwas Besonderes zu wissen über den Aufbau der hierarchischen Ordnung der höheren geistigen Wesenheiten, wenn man nicht auf das Bewußtsein dieser höheren geistigen Wesenheiten eingeht. [7]

Was am Menschen physischer Natur ist, bleibt physischer Leib, hat aber im Devachan für sich ein Bewußtsein, von dem der Mensch allerdings nichts weiß, das indessen in seinen Gliedern spukt. Ein anderes Bewußtsein hat der Ätherleib, das sich im unteren Devachan auslebt. Endlich hat auch der Astralleib ein ihm eigenes Bewußtsein auf dem Astralplan. Ferner besteht ein unbewußtes Bewußtsein des Ich im oberen Devachan. Das Wichtigste nun ist, daß der Mensch vom Ich aus in die anderen Körper hineinarbeitet, und daß dann erst die verschiedenen Bewußtseine ihm bewußt werden. Wenn der Mensch von seinem Ich aus hineinarbeitet in seinen Astralleib, dann steigt er hinauf zum Astralplan und wird ein Genosse aller astralischen Wesenheiten. Alles das, was ein Astralbewußtsein hat, ist rings um ihn. Wenn er mit seinem Ich in seinen Ätherleib hineinarbeitet, dann steigt er zugleich hinauf in die unteren Partien des Devachan; es tauchen dann um ihn herum ätherische Wesenheiten auf. Das ist ein großer und gewaltiger Moment: mit den physischen Sonnenstrahlen dringen heran Engelwesenheiten (Angeloi), die das Licht als Leib haben. Das ist ein Ergebnis der Einweihung. [8]

Beim Menschen ist das Bewußtsein im Kopfe lokalisiert. Beim Tier ist das Bewußtsein auf dem Astralplan. Es schafft sich außerhalb des Kopfes einen gewissen Angriffspunkt; das Organ dafür ist bei dem Tier vor dem Kopfe, an der Stelle, wo beim Menschen die Stirne ist. Beim Menschen ist der Punkt bereits in den Kopf eingeschlossen und mit dem Vorderhirn ausgefüllt; es ist das Bewußtsein eingefangen worden durch das Gehirn und den Vorderschädel und ist daher auf dem physischen Plan. Bei allen Tieren liegt der Knotenpunkt des Bewußtseins vor dem Kopfe, im Astralen, da geht es in die Astralwelt hinein. Wenn wir das Bewußtsein der Pflanzen verfolgen könnten, würden wir, von oben nach unten gehend, immer an der Wurzelspitze herauskommen. Wenn wir dann die Linie des Wachstums verfolgen, so würden wir an den Mittelpunkt der Erde kommen. Da ist der Sammelpunkt aller Empfindungen, der Aufsaugepunkt des Bewußtseins der Pflanzen. Er steht direkt in Verbindung mit der mentalen Welt (Devachan). Die gesamte Pflanzenwelt hat ihr Bewußtsein im Mentalen. Bei der gesamten mineralischen Welt ist das Bewußtsein auf den höchsten Gebieten der Mentalwelt, auf dem Arupaplan (oberes Devachan). Die Steine haben ihr Bewußtsein so, daß wenn wir den Punkt suchen wollen, wir ihn wie eine Art Sonnenatmosphäre finden würden. [9]

Die Änderung im Atmungssystem bezeichnet den Übergang vom alten Bewußtsein, das nur Bilder widerspiegelte, zum gegenwärtigen Bewußtsein, das vom Körper her seine Sinneswahrnehmungen empfängt und daher seinen objektiven Charakter erhält. Das imaginative Bilderbewußtsein konnte von sich aus nicht ein Objekt abbilden, sondern es gab sich einen inneren Gehalt durch eine in ihm liegende plastische Kraft. Je weiter wir in die Vergangenheit der Menschheit zurückgehen, desto mehr sehen wir die Seele des Menschen nicht in ihm, sondern um ihn. Wir kommen zu einem Punkt, wo die Empfindungswerkzeuge nur erst keimhaft existieren und wo der Mensch die äußeren Gegenstände nur durch Anziehung oder Abstoßung, durch Sympathie oder Antipathie wahrnimmt. Das universale Subjekt wird zum objektiven Universum, und der Mensch schreitet zuerst vor vom Subjektiven zum Objektiven durch die gradweise fortschreitende Beschaffenheit seines physischen Körpers. Alsdann kehrt er vom Objektiven zum Subjektiven zurück durch die Höherentwickelung seiner Seele (Manas), seines Lebensgeistes (Buddhi), seines Geistesmenschen (Atma). Das Bewußtsein, das wir im Traumzustand haben, ist ein atavistisches Überbleibsel des einstmaligen Bilderbewußtseins. Eine Besonderheit dieses Bewußtseins ist, daß es schöpferisch ist. Es erschafft in seiner eigenen Wesenheit Formen und Farben, die in physischer Wirklichkeit nicht existieren. Das Gegenstandsbewußtsein ist analytisch. Das subjektive Bewußtsein ist plastisch, es hat eine magische Gewalt. [10]

Alle Wesen haben ein Bewußtsein, aber der Mensch unterscheidet sich von ihnen darin, daß sein Selbstbewußtsein heute vollkommen auf den physischen Plan bezogen ist. Außerhalb des Wachzustandes, der diesem physischen Plan entspricht, kennt er andere Bewußtseinszustände, die ihn den Bewußtseinszuständen anderer Reiche annähern. Während des traumlosen Schlafes lebt das menschliche Bewußtsein auf dem Devachanplan. [11]

Warum fühlt sich der Mensch im Wachbewußtsein auf dem physischen Plan getrennt von allem, was nicht er selbst ist? Der Grund ist der, daß er alle seine Eindrücke von einer Umgebung empfängt, die er mit deutlicher Unterscheidung außerhalb seines Körpers sieht. Im Gegensatz dazu nimmt man auf dem Astralplan nicht mit den Sinnen wahr, sondern durch die Sympathie, die Sie ins Herz von allem, was Ihnen begegnet, dringen läßt. Das Astralbewußtsein ist nicht eingeschlossen in einem verhältnismäßig geschlossenen Bezirk. Es ist gewissermaßen flüssig, fließend. Auf dem Felde des Devachan ist das Bewußtsein so flüchtig, wie es nur ein Gas sein kann.

Was war nun der Zweck dieser Einengung des Bewußtseins anstelle des imaginativen Bewußtseins? – Ohne sie hätte der Mensch niemals «Ich» zu sich sagen können. Der göttliche Keim, der im Menschen ist, konnte im Laufe der Entwickelung nur in ihn eindringen durch die Verdichtung seines physischen Leibes. [12]

Alle diese Bewußtseinsgrade hat der Mensch auf der absteigenden Linie seiner Entwickelung durchschritten. Ursprünglich war er ähnlich den Mineralien, in dem Sinne, daß sein Ich in einer höheren Welt zuhause war und ihn von oben her führte. Aber die Entwickelung hat zum Ziel, ihn von der Abhängigkeit von Wesen, die auf höherer Bewußtseinsstufe als der seinen stehen, zu befreien und ihn dahin zu bringen, daß er auf höheren Daseinsstufen voll bewußt bleibt. Alle diese Bewußtseinsebenen kreuzen sich heute im Menschen:

  1. Das mineralische Bewußtsein. Es ist das des Tiefschlafes; der heutige Mensch verliert es.
  2. Das pflanzliche Bewußtsein. Es ist dasjenige des gewöhnlichen Schlafzustandes.
  3. Das Bewußtsein der Tiere, das dem Traumbewußtsein entspricht.
  4. Das physische Gegenstandsbewußtsein. Das ist der normale Wachzustand, während die zwei vorhergehenden atavistische Relikte darstellen.
  5. Ein Bewußtsein, das den dritten Grad wiederholt, dabei aber die erworbene Gegenständlichkeit beibehält. Die Bilder haben bestimmte Farben und unterscheiden sich von dem, der sie wahrnimmt; die subjektive Anziehung oder Abstoßung verschwindet. Auf dieser neuen imaginativen Bewußtseinsstufe behält die in der physischen Welt erworbene Vernunft ihre Rechte.
  6. Jetzt ist es nicht mehr der Traum, sondern der Schlaf, der zu einem neuen Bewußtseinszustand aufsteigt. Wir nehmen nicht mehr allein Bilder wahr, sondern wir dringen in das Sein der Wesen und Dinge ein und nehmen ihre innere Klangfülle wahr. Auf dem physischen Plan geben wir jedem Ding einen Namen, aber dieser Name bleibt außerhalb des Dinges, nur wir selbst können uns von innen her bestimmen, indem wir sagen: Ich – dieser unaussprechliche Name der bewußten Individualität. Wenn wir aber mit dem Bewußtsein die Welt der Töne erreichen, sagt uns jedes Ding seinen unaussprechlichen Namen. Durch die Hellhörigkeit nehmen wir den Ton wahr, der das innerste Wesen jedes Dinges ausdrückt und aus ihm eine Note im Universum macht, verschieden von allen anderen.
  7. Noch eine Stufe weiter, und der Tiefschlaf wird bewußt. Dieser Zustand läßt sich nicht beschreiben, weil er jeden Vergleich übersteigt. Man kann lediglich sagen, daß er existiert.

Das sind die sieben Bewußtseinszustände, durch die der Mensch hindurchgeht. Er wird noch andere durchschreiten. Dabei gibt es immer einen Hauptzustand in der Mitte, drei nach der Vergangenheit und drei nach der Zukunft, wobei letztere auf eine gehobenere Art die drei unteren wieder hervorbringen. Der «Reisende», der vorwärts rückt, ist immer in der Mitte seines Bildfeldes. Jeder Bewußtseinszustand entwickelt sich im Laufe von sieben Lebenszuständen. [13]

Zitate:

[1]  GA 60, Seite 154   (Ausgabe 1983, 496 Seiten)
[2]  GA 4, Seite 59   (Ausgabe 1973, 278 Seiten)
[3]  GA 11, Seite 144   (Ausgabe 1955, 252 Seiten)
[4]  GA 93a, Seite 199   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[5]  GA 137, Seite 193f   (Ausgabe 1973, 216 Seiten)
[6]  GA 137, Seite 195f   (Ausgabe 1973, 216 Seiten)
[7]  GA 163, Seite 34   (Ausgabe 1975, 152 Seiten)
[8]  GA 94, Seite 257f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[9]  GA 93a, Seite 216f   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[10]  GA 94, Seite 88f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[11]  GA 94, Seite 93   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[12]  GA 94, Seite 94   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[13]  GA 94, Seite 95f   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)

Quellen:

GA 4:  Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung – Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode (1894)
GA 11:  Aus der Akasha-Chronik (1904/1908)
GA 60:  Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins (1910/1911)
GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 137:  Der Mensch im Lichte von Okkultismus, Theosophie und Philosophie (1912)
GA 163:  Zufall, Notwendigkeit und Vorsehung. Imaginative Erkenntnis und Vorgänge nach dem Tode (1915)