Melchisedek

Melchisedek ist der biblischer Name für Manu, einen der höchsten Eingeweihten der Erde. War in der alten Atlantis Führer des Sonnenorakels und Begründer der nachatlantischen Kultur. [1]

Die(jenigen), welche zu einer gewissen Führerschaft der Welt hinaufgeführt wurden, sie mußten immer mehr oder weniger bewußt das in sich aufnehmen, was Verständnis geben kann für alles, ohne Unterschied. Und selbst wenn irgendeine menschliche Wesenheit nur der Führer eines Volkes war, mußte sie in einer gewissen Weise in das Verständnis einer jeden menschlichen Seele eingeführt werden. Das wird so grandios im Alten Testament an der Stelle angedeutet, wo Abraham dem Melchisedek entgegentritt, dem Priester des Allerhöchsten. Wer diese Stelle versteht, der weiß, daß Abraham, der der Führer seines Volkes werden sollte, in diesem Momente gleichsam initiiert wurde – wenn auch nicht vollbewußt, wie es in späteren Initiationen der Fall ist – in bezug auf das Verständnis desjenigen Göttlichen, das in alle menschlichen Seelen hineinspielen kann. An der Stelle, wo von der Begegnung des Abraham mit Melchisedek die Rede ist, verbirgt sich überhaupt ein tiefes Geheimnis für die Entwickelung der Menschheit. [2] Einem solchen Menschheitsführer, wie dem Abraham, in der Begegnung mit Melchisedek, oder Malek-Zadik war gegeben, sich die Kräfte für die Sonnen-Sphäre anzueignen. Die geistigen Augen des Abraham waren vollständig aufgetan für das Akasha-Bild des Christus in der Sonnen-Sphäre. [3]

Abraham lernte auf seine ganz besondere Art, auf dem Wege durch ein physisches Organ, durch physische Erkenntnis das Göttlich-Geistige kennen. Er lernte auf diesem Wege den führenden Weltengott kennen. Wenn er sich lebendig in den Gesamtweg der Entwickelung hineinstellen wollte, dann war es für ihn unendlich wichtig, zu erkennen, daß der Gott, der sich im Volksbewußtsein kundtut, derselbe ist, der in den Mysterien zu allen Zeiten als die schöpferische und schaffende Gottheit anerkannt wurde. [4] Denn Abraham hatte zuerst das Organ in sich veranlagt, ein Jahve-Bewußtsein zu erwerben. Aber er mußte wissen, daß der Gott, der sich in seinem Inneren ankündigen konnte den physischen Erkenntniskräften, mit derselben Stimme spricht, mit welcher der ewige, alles durchwebende Gott der Mysterien spricht, nur daß er sich auf eine eingeschränkte Weise, nämlich wie Abraham ihn erkennen konnte, offenbarte. [5]

In der alten Atlantis war einer der großen Initiierten der Führer aller atlantischen Orakel, der Sonnen-Eingeweihte. Dieser Führer des Sonnen-Orakels war auch der große Führer der bedeutungsvollen Kulturkoloni(sation), die sich von der Atlantis nach dem Inneren Asiens bewegt hat, um von dort auszustrahlen, zu inaugurieren die nachatlantische Kultur (siehe: Manu). In geheimnisvolle Stätten im Innern Asiens zog sich dieser große Eingeweihte, der er damals schon war, zurück. Er gab zunächst denjenigen großen Weisen, die wir als die heiligen Rishis bezeichnen, die Möglichkeit, große Lehrer ihres Volkstums zu sein. Und er war es, dieser große, geheimnisvolle Initiierte, der auch dem Zarathustra oder Zoroaster seine Einweihung zuteil werden ließ. [6] Einer solchen bedeutsamen Wesenheit, wie es der große atlantische Sonnen-Initiierte war, ist es nicht ohne weiteres möglich, zu denen, die zu irgendeiner Zeit leben und eine besondere Mission haben, sogleich in einer verständlichen Sprache zu reden. Eine so hohe Individualität wie der große Sonnen-Initiierte, der in seiner Individualität ein ewiges Dasein führt, von dem mit Recht gesagt wurde – um anzudeuten den Ewigkeitscharakter dieser Individualität –, daß man von ihm nicht anführen sollte Namen und Alter, nicht Vater und Mutter, ein solcher großer Führer des Menschheitsdaseins kann sich nur dadurch offenbaren, daß er etwas annimmt, wodurch er verwandt wird denen, welchen er sich offenbaren kann. So nahm, um dem Abraham die entsprechende Aufklärung zu geben, der Lehrer der Rishis, der Lehrer des Zarathustra, eine Gestalt an, in welcher er den Ätherleib trug, der aufbewahrt war von dem Stammvater des Abraham, denselben Ätherleib, der schon in dem Stammvater des Abraham, in Sem, dem Sohne Noahs, vorhanden war. Dieser Ätherleib des Sem war aufbewahrt worden – wie der Ätherleib des Zarathustra für Moses aufbewahrt worden war –, und seiner bediente sich der große Eingeweihte des Sonnen-Mysteriums, um sich in einer verständlichen Art dem Abraham offenbaren zu können. Diese Begegnung des Abraham mit dem großen Eingeweihten des Sonnen-Mysteriums ist jene Begegnung, welche uns im Alten Testament geschildert wird als die Begegnung des Abraham mit dem Könige (von Salem), mit dem Priester des höchsten Gottes, mit Melchisedek oder Malek-Zadik. Das ist eine Begegnung von größter, von universellster Bedeutung. Melchisedek kann Abraham geben das Geheimnis des Sonnendaseins, das natürlich Abraham nur in seiner Art verstehen kann, dasselbe, was hinter der Zarathustra-Offenbarung steht, worauf Zarathustra erst prophetisch hingewiesen hat. Das geschah dadurch, daß der Lehrer des Zarathustra selber bei jener Begegnung Einfluß nahm auf Abraham, sozusagen aus derselben Quelle seinen Einfluß brachte, aus der dann der Christus-Einfluß kommt. Das wird uns wieder in der Bibel symbolisch angedeutet, indem gesagt wird: Indem Abraham dem Melchisedek entgegengeht, bringt ihm dieser König von Salem, dieser Priester der höchsten der Götter, Brot und Traubensaft. «Brot und Traubensaft» wird später noch einmal ausgeteilt: Als das Geheimnis des Christus ausgedrückt werden soll für seine Bekenner bei der Einsetzung des Abendmahles, da geschieht es durch Brot und Traubensaft! Indem die Gleichheit des Opfers in so bedeutungsvoller Weise betont wird, wird darauf hingewiesen, daß es dieselbe Quelle ist, aus der Melchisedek schöpft, und woheraus der Christus schöpft. Und die Folge dieser Begegnung des Abraham mit Melchisedek war die, daß Abraham nun spürte: was ihn da antreibt, was er anspricht mit dem Namen Jahve als das Höchste, was er denken kann, das kommt aus derselben Quelle, aus der auch für alles höchste Erdenwissen das Bewußtsein des Initiierten kommt von dem alle Welten durchwebenden und durchlebenden höchsten Gott. [7] (Siehe auch: Abraham).

Wenn man im Sinne der Initiationserkenntnis zurückgeht zu dem, was wirklich gemeint ist, wenn gesagt wird, das Opfer des Melchi-Sadek wurde dargebracht in der Gestalt von Brot und Wein, so kommt man darauf zu sehen, daß im Brote in der richtigen Initiationserkenntnis immer gesehen worden ist ein Träger des Salzes. Die Juden haben eigentlich nicht mehr im richtigen Sinne und mit richtigem Verständnis gehandelt, wenn sie das Salz vergessen haben und sogar betont haben, daß es nötig sei, ungesäuertes Brot für die heilige Opferhandlung zu verwenden. In dem Brote, das ursprünglich gemeint war, wurde gerade das Salz gesehen, geradeso wie in dem Wein nicht der Wein als solcher, wie er sich in seiner Weinsubstanz darstellt, gesehen wurde, sondern es wurde in dem Wein gesucht der außerordentlich flüchtige, fluktuierende Gehalt an Sulphur oder Phosphor, was ja in der alten Bezeichnung ein und dasselbe ist. Wenn man also im richtigen Sinne spricht, muß man eigentlich sagen, daß das Opfer des Melchi-Sadek – das heißt das Opfer, das nach seinem Ritus vollzogen wurde – durch Salz und Schwefel – oder durch Salz und Phosphor – dargebracht worden ist, wie sie sich in den Nahrungsmitteln Brot und Wein finden.

Was liegt denn eigentlich in Salz und Phosphor, wenn der Mensch sie in sich aufnimmt durch das Brot und den Wein? Je mehr der Mensch Salz in sich aufnimmt, desto mehr verbindet er sich mit der Erde, und je mehr Phosphor er in sich aufnimmt, desto mehr entreißt er sich ihr, macht sich frei von ihr. Es ist so, daß der Mensch, der in richtiger Weise Salz und Phosphor in sich hat, auf der Erde in der richtigen Weise steht, richtig stark genug mit der Erde verbunden ist, aber auch die nötige ätherische und astralische Leichtigkeit erhält, um in seinem Wesen auch wiederum frei zu sein von den Erdenkräften. Dadurch, daß die Juden der späteren Zeit den Hauptwert auf das Ungesäuerte im Brote gelegt haben, haben sie eben gezeigt, daß sie nicht mehr mit der Erde in Verbindung sein wollten, sondern eben auch in dem Brote schon das haben wollten, was sie über die Erde hinausträgt. Sie wollten also ein überirdisches, nicht ein irdisches Priestertum, sie wollten überhaupt ein Priestertum, das die Erde von außen beherrscht. So war es mit dem Judentum insbesondere zur Zeit Christi. Weil das Judentum durch lange Zeiten hindurch in seinen Mysterien ein nicht mit der Erde in richtigem Zusammenhang stehendes Priestertum begründet hat, deshalb konnte es nicht verstehen, daß dasjenige Wesen, von dem ihm seine Eingeweihten als von dem kommenden Messias sprachen, in einem irdischen Leibe zur Vollendung kommen könnte; und es ging auch den initiierten Juden (siehe dazu beispielsweise: Christus Leben ► Nikodemus-Gespräch) niemals auf, daß in einem irdischen Leibe, in dem Leibe des Jesus, der Christus auf der Erde hätte wandeln können. Das ging erst dem Paulus auf, als ihm die Hilfe wurde, daß sich ihm der Christus nicht im irdischen, sondern im ätherischen Leibe offenbarte.

Was aber wird dadurch erlangt, daß in dieser Weise zurückgegangen wird zu der eigentlichen Urform der Opfergabe «Salz und Schwefel»? Was dadurch erlangt wird, können wir uns vorstellen, wenn wir uns den Gegensatz vor unsere Seele stellen, der bestand zwischen dem Hohenpriester, zwischen Melchi-Sadek, der ja zugleich auch ein Priesterkönig, ein Adonai, war, und Abraham. In derjenigen Strömung des Geisteslebens, in der auch Melchi-Sadek drinnenstand, lebte die Anschauung von den wiederholten Erdenleben. Sie lebte gerade in derjenigen Mysteriengemeinschaft, der Melchi-Sadek angehörte in der Weise, daß sie vor den Uneingeweihten als ein Mysterium verborgen gehalten wurde, aber allen denjenigen, welche in diese Mysterien eingeweiht worden waren, wurde sie übergeben (daher gibt es auch ein hebräisches Wort für Seelenwanderung – Gilgul). Das abrahamitische Hebräertum zeichnete sich dadurch aus, daß es die menschliche Anschauung gerade auf das einschränkte, was sich als etwas Geistiges für den Menschen ergibt, wenn man absieht von den wiederholten Erdenleben, wenn man nicht auf sie eingeht, wenn man notdürftig noch berücksichtigt die dem einen Erdenleben vorangegangene vorirdische Lebenszeit und dann ins Auge faßt die nachirdische Lebenszeit.

Wenigstens in der Lehre der Pharisäer war das so. In Abraham stand also der Urvater des Judentums, der die Mission hatte, innerhalb der Erziehung der Erdenmenschheit die Lehre von den wiederholten Erdenleben zunächst nicht tätig sein zu lassen, gegenüber dem höheren Priester, den er anerkannte, der diese Lehre auf diejenigen verpflanzte, die von ihm unter Darbringung des Opfers geweiht wurden; er stand gegenüber der Auffassung des Melchi-Sadek in dem Moment, der ja vom Alten Testament geschildert wird. Diese Auffassung des Melchi-Sadek müssen wir is in der folgenden Weise vor die Seele stellen.

Es war so, daß die, welche Schüler des Melchi-Sadek wurden – was Abraham nicht in vollem Maße geworden ist –, erkennen lernten, daß der Mensch, der hier auf der Erde neben dem Guten und Rechten das Unrechte, das Böse vollbringt, eine Kraft braucht, die von seinem gegenwärtigen Körper übergeht auf den Körper des nächsten Erdenlebens. Der Mensch kann nicht durch sich selbst dasjenige, was er in einem Erdenleben als Tätigkeit vollbringt, ohne weiteres hineintragen in den Körper, das heißt in die physische und ätherische Organisation des nächsten Erdenlebens; er kann es hineintragen – und zwar jetzt im Sinne der Zeit der Menschheitsentwickelung vor dem Mysterium von Golgatha – dadurch, daß für ihn verrichtet wird dasjenige, was sich durch den Kultus mit Salz und Phosphor vollzieht, in dem Sinne wie Melchi-Sadek das Opfer durch Brot und Wein verrichtet hat. Dadurch wurden die Menschen der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha fähig, in die Körper, in die sie beim nächsten Erdenleben kamen, das mithineinzunehmen, was sie in dem vorhergehenden Erdenleben an Gutem und Bösem verrichtet haben, als dessen Folgen. Mit anderen Worten: dadurch wurden die Menschen erst in die Lage versetzt, ein Karma zu entwickeln.

Was wäre denn geschehen, wenn es solche Opfer durch Salz und Phosphor nicht gegeben hätte, wenn nicht Priesterkönige dagewesen wären, die diese Opfer verrichtet hätten und so Menschen geworden wären, die sozusagen durch ihre eigene Schwungkraft und Begeisterung die anderen Körper mitgerissen haben, um so von einem Erdenleben zum anderen die Kraft des Karma zu tragen? Dann wäre das, was die Menschen in einem Erdenleben an Gutem und Bösem verrichtet haben, von ihnen abgefallen in dem betreffenden Erdenleben und eine Erbschaft derjenigen Macht geworden, die man im Sinne des Evangeliums bezeichnet als den «Fürsten dieser Welt», nicht als den Fürsten, dem ja der Mensch mit seinem innersten Wesen angehört. Es war ja der beständige Kampf der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha, daß der sogenannte (widerrechtliche) Fürst dieser Welt – ein luziferisch-ahrimanisch gewordener Geist, namentlich stark ahrimanisch gewordener Geist – sich desjenigen bemächtigte, was im Menschen nach dem Bösen hinneigt, so daß er die Kraft dieses Bösen für sich der kosmischen Ordnung verwenden kann. Die Menschen wären dann immer freier geworden von diesem Bösen. Das durften sie nicht; sie durften es aus dem Grunde nicht, weil ja in jedem neuen Erdenleben ein neues Dasein ihrer selbst begonnen hätte, und sie hätten nie das, was man «Sünde» nennt, selber zum Ausgleich bringen können. Das Opfer des Melchi-Sadek besteht also darin, daß man für die Menschen die Heilung der Sünden bewahrt hat, indem man sie fortwährend dem Fürsten dieser Welt entrissen hat und so den Menschen die Möglichkeit gegeben hat, durch ihre eigene Wesenheit einen Sündenausgleich im späteren Erdenleben zu bewirken. Die katholische Kirche hat sich später wohl gehütet, dieses Geheimnis, das sie durch lange Jahrhunderte, auch noch bis ins Mittelalter, gekannt hat, und das von einzelnen Eingeweihten der katholischen Kirche auch heute noch gekannt wird, im Ernste als Religionsinhalt zu betrachten, aus dem Grunde, weil es leichter ist den Menschen zu sagen, man vergibt ihnen ihre Sünden, das heißt, man tilgt sie aus der Erde, sogar mit dem Ablaß, man löscht sie aus, anstatt ihnen zu sagen, man bewirke gerade, daß sie nicht gelöscht werden auf der Erde und nicht eine Beute des Fürsten dieser Welt werden und dadurch den Menschen für die Ewigkeit der Welt verderben würden, anstatt ihnen zu sagen, daß die Sündenheilung gerade darin besteht, daß dem Menschen die Möglichkeit bewahrt wird, im folgenden Erdenleben die Sünden auszugleichen.

Man muß in richtigem Sinne erkennen, was das Wort heißt: Christus hat die Sünden der Menschen auf sich genommen, mit sich vereinigt. Christus ist nicht gekommen, um die menschliche Frömmigkeit mit sich zu vereinigen, sondern er ist der gewesen, der sich mit den Sünden der Menschen vereinigt hat, um die Sündenlast auf sich zu nehmen. Und wenn Paulus sagt «Nicht ich, sondern Christus in mir», so meint er: Ihr Menschen sollt den Christus in euch aufnehmen, um damit die in die Zukunft der Erde gehende Strömung in euch aufzunehmen, die euren Sündenstrom enthält, aber den Sündenstrom, der nicht zum Tode führt, sondern zum Ausgleich der Sünden. [8]

Zitate:

[1]  GA 89, Seite 309   (Ausgabe 2001, 234 Seiten)
[2]  GA 141, Seite 43f   (Ausgabe 1983, 200 Seiten)
[3]  GA 141, Seite 50f   (Ausgabe 1983, 200 Seiten)
[4]  GA 123, Seite 79   (Ausgabe 1959, 264 Seiten)
[5]  GA 123, Seite 81   (Ausgabe 1959, 264 Seiten)
[6]  GA 123, Seite 79f   (Ausgabe 1959, 264 Seiten)
[7]  GA 123, Seite 81ff   (Ausgabe 1959, 264 Seiten)
[8]  GA 344, Seite 145uf   (Ausgabe 1994, 285 Seiten)

Quellen:

GA 89:  Bewußtsein – Leben – Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie (1903-1906)
GA 123:  Das Matthäus-Evangelium (1910)
GA 141:  Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu den kosmischen Tatsachen (1912/1913)
GA 344:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, III. Vorträge bei der Begründung der Christengemeinschaft (1922)