Christus Leben
► Christi Auferstehung

Was die Seele eines jeden zu Initiierenden durchmachte, das machte der Christus Jesus bis zum Leibe durch, also auf einem anderen Niveau. Weil der Christus kein irdischer Mensch, sondern ein Sonnenwesen im Leibe des Jesus von Nazareth war, konnte dasselbe, was der alte zu Initiierende in den Mysterien seiner Seele nach durchmachte, der ganzen Menschennatur nach durchmachen der Christus Jesus auf Golgatha. Es konnte vollzogen werden, trotz des Todes des Leibes, trotz des Aufgehens des Leibes des Jesus in der sterblichen Erde, eine Auferstehung des Christus, weil dieser Christus höher hinaufsteigt, als die Seele des zu Initiierenden hinaufsteigen konnte. Den Leib konnte der zu Initiierende nicht in so tiefe Regionen des Untersinnlichen bringen, wie ihn der Christus Jesus gebracht hat. Deshalb konnte der zu Initiierende nicht so hoch hinaufsteigen mit der Auferstehung wie der Christus; aber bis zu diesem Unterschiede hinsichtlich der Weltengröße ist die alte Einweihungshandlung als historische Tatsache erschienen auf der Weihestätte von Golgatha. [1]

Drei Tage war es unentschieden, ob er auch sterben könne. Es war ein dreitägiger Kampf mit dem Tode. Es ist also so aufzufassen, daß die Dinge, die da sind [in den Evangelien], Realitäten sind. Es ist nicht etwa so, daß der Christus den Schmerz, der zu erleiden war, nicht wirklich durchgemacht hätte bei der Geißelung und der Kreuzigung. Es ist so aufzufassen, daß die drei Tage lang die Möglichkeit vorhanden war, daß er den Tod nicht überwunden hätte. Es dauerte der Kampf so lange. Sie können sagen, von einem höheren Gesichtspunkte kommt das nicht in Betracht. Aber er mußte drei Tage mit dem Tode kämpfen und hatte dieses Tableau des vergangenen Lebens (siehe: Lebenstableau) und führte den Kampf gegen die Auflösung [des Leibes], den er mit seiner göttlichen Natur durchmachte wie der Mensch in seiner menschlichen Natur. Der menschliche Leib zerfällt mit dem Tode. Der Leib des Christus Jesus hat sich aufgelöst in der Erdensubstanz. Das können Sie ebensogut «Vergehen» nennen wie «Auflösen» und «Bestehen-bleiben». Etwas Erlösendes geschieht, eine Wirkung auf Elementargeister wird ausgeübt durch das Hineinziehen in ihr Reich. [2]

(Durch die Kreuzigung) trat nun tatsächlich der Tod ein für den physischen Leib des Jesus von Nazareth. Der Geist des Christus weilte die drei Tage außerhalb des physischen Leibes, dann kehrte er aber zurück in den verdichteten Ätherleib, so verdichtet, daß ihn die Jünger wahrnehmen konnten, so daß der Christus wandeln konnte und sichtbar werden konnte auch nach dem Ereignis von Golgatha. [3] Die Frauen (am Grabe) und die Jünger haben den Christus im Ätherleib gesehen, nicht mehr den Jesus von Nazareth, sondern den Christus, dasjenige, was jetzt der verwandelte innere Mensch war. [4] Diesen Eindruck wollten die Evangelien durchaus hervorrufen, daß der Christus (nach der Grablegung) in einer anderen Gestalt erschienen ist. Aber auch das andere wollten die Evangelien andeuten: daß etwas notwendig war in dem Inneren der Menschenseelen, um den verwandelten Christus auf die Menschenseelen wirken zu lassen, nämlich eine gewisse Empfänglichkeit. Was der Christus von Wesen zu Wesen zunächst gewirkt hat nach der sogenannten Auferstehung, das war etwas, was aus den unbewußten Seelenkräften der Jünger heraufwirkte in ihr Seelenleben: Eine Bekanntschaft mit dem Sohne (siehe: Logos). Daher auch der Unterschied in der Schilderung des auferstandenen Christus; daher auch das Verschiedene der Charakteristiken, wie der Christus auf den einen oder den anderen gewirkt hat, wie er diesem oder jenem erschienen ist, je nachdem der eine oder der andere geartet war. Sie sind Wirkungen der Christus-Wesenheit auf das Unterbewußte seiner Jünger-Seelen; daher auch sind sie ein ganz Individuelles, und wir dürfen uns nicht daran stoßen, daß uns diese Erscheinungen nicht gleichförmig, sondern mannigfaltig geschildert werden.

Wenn aber das, was der Christus der Welt werden sollte, allen Menschen ein Gemeinsames bringen sollte, so mußte nicht nur diese individuelle Wirkung, diese Sohnes-Wirkung von dem Christus ausgehen, sondern es mußte von dem Christus erneuert werden das Element des Geistes, was die Gemeinsamkeit im Menschenleben bilden kann. Das wird dadurch charakterisiert, daß der Christus, nachdem er auf die Logos-Natur der Menschen gewirkt hat, den Geist in der Form des erneuerten oder «heiligen» Geistes sendet.

.In der Apostelgeschichte wird erzählt, wie gewisse Leute, zu denen die Apostel gekommen sind, schon die Taufe nach Jesus hatten – und dennoch – wie es in der Apostelgeschichte symbolisch angedeutet wird, indem auf das Händeauflegen hingewiesen wird – erst empfangen mußten den Geist. Daher müssen wir sagen: Es wird gerade bei der Charakteristik des Christus-Ereignisses in scharfer Weise aufmerksam gemacht auf den Unterschied zwischen jener Wirkung, die wir als die eigentliche Christus-Wirkung zu bezeichnen haben, die auf die unterbewußten Seelenmomente einwirkt und deshalb einen persönlichen, innerlichen Charakter haben muß, und zwischen den Geist-Elementen, die etwas Gemeinschaftliches darstellen. [5]

Der Ätherleib des Jesus von Nazareth war vollständig durchdrungen von dem Christus. Daher war es solch ein Ätherleib, der ganz den physischen Leib unter seiner Herrschaft hatte, der dadurch, weil er völliger Herrscher war über den physischen Leib, nach dem Tode den physischen Leib (als Kraftgestalt oder Phantom) wiederherstellen konnte, das heißt, in einer solchen Erscheinung auftreten konnte, daß alles das, was im physischen Leibe war, wieder da war, aber aus der Kraft des Ätherleibes heraus. Wenn daher der Christus nach dem Tode gesehen worden ist, so war das der Ätherleib des Christus. Aber für diejenigen, welche imstande waren, durch die Kraft, welche sie durch die Ereignisse gewonnen hatten, nicht nur einen physisch-sinnlichen Leib als einen wirklichen Leib anzuerkennen, sondern auch einen Ätherleib mit allen Erscheinungen des physischen Leibes, für sie war der Christus als ein Leibhaftiger auferstanden. [6]

Diejenige, die in dem Flecken Bethanien den Christus Jesus gesalbt hat, sie hatte die starke Kraft zum geistigen Sehen aus dem Ereignis von Palästina bekommen, und sie ist zum Beispiel eine derjenigen, welche zuerst vernehmen, daß das, was in Jesus gelebt hat, vorhanden ist nach dem Tode, auferstanden ist. Woher hatte sie diese Möglichkeit? Dadurch, daß die inneren Sinnesorgane ihr aufgegangen sind. Wird uns das gesagt? Ja. Wir werden unterrichtet davon, daß Maria von Magdala hingeführt wird an das Grab, daß der Leichnam fort ist und sie da am Grabe zwei geistige Gestalten sieht. Man sieht diese zwei geistigen Gestalten immer, wenn ein Leichnam längere Zeit da ist. Man sieht auf der einen Seite den Astralleib, und man sieht auf der anderen Seite das, was sich nach und nach als Ätherleib loslöst und in den Weltenäther übergeht. Ganz abgesehen vom physischen Leibe sind zwei geistige Gestalten da, die der geistigen Welt angehören. «Als sie nun weinte, guckte sie in das Grab. Und siehet zween Engel in zwei weißen Kleidern sitzen.» Und sie sah noch mehr: den Auferstandenen sah sie. «Sie wandte sich zurück und siehet Jesum stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Weib, was weinest du? Wen suchest du? Sie meinet, es sei der Gärtner.» Und damit uns das möglichst genau gesagt wird, wird uns das nicht bloß einmal gesagt, sondern auch bei der nächsten Erscheinung des Auferstandenen, als Jesus erschien am See Genezareth. «Als es aber Morgen war, stund Jesus am Ufer; aber die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war». Die esoterischen Schüler finden ihn da. Diejenigen, welche die volle Kraft des Ereignisses von Palästina aufgenommen hatten, konnten sich da hineinfinden und sehen, daß es der auferstandene Christus ist, den man im Geistigen sehen konnte. [7]

Nicht umsonst vergeht gerade zwischen dem Tode und der Auferstehung des Christus Jesus so viel Zeit, wie bei uns zwischen dem Verlassen des physischen Leibes und dem Verlassen des Ätherleibes. Da ist für den heutigen Menschen nach dem Mysterium von Golgatha ein inniges Band zwischen ihm und dem Christus-Leben auf der Erde. [8] (Siehe auch: Ätherleib nach dem Tode; Todesvorgang).

Zitate:

[1]  GA 233a, Seite 110   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[2]  GA 344, Seite 250   (Ausgabe 1994, 285 Seiten)
[3]  GA 139, Seite 133   (Ausgabe 1960, 212 Seiten)
[4]  GA 349, Seite 267   (Ausgabe 1961, 264 Seiten)
[5]  GA 131, Seite 49f   (Ausgabe 1958, 244 Seiten)
[6]  GA 112, Seite 270f   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[7]  GA 103, Seite 215f   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[8]  GA 176, Seite 292   (Ausgabe 1982, 392 Seiten)

Quellen:

GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)
GA 112:  Das Johannes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, besonders zu dem Lukas-Evangelium (1909)
GA 131:  Von Jesus zu Christus (1911)
GA 139:  Das Markus-Evangelium (1912)
GA 176:  Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten. Das Karma des Materialismus (1917)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)
GA 344:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, III. Vorträge bei der Begründung der Christengemeinschaft (1922)
GA 349:  Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums (1923)