Christus Leben
► Lehre von dem eingeborenen Sohne des Vaters

Man nannte in den alten Zeiten, in denen die Evangelien geschrieben wurden, «zweigeboren» diejenigen, die vom Fleische, sagen wir durch die Vermischung des Blutes von Vater und Mutter, geboren sind. Was nicht aus dem Fleische geboren ist und nicht durch die Menschenwirkung und nicht durch die Vermischung des Blutes entstanden ist, das ist «aus Gott geboren»; das ist «eingeboren». Diejenigen, die früher «Gotteskinder» genannt wurden, waren immer schon in gewisser Weise die «Eingeborenen»; und die Lehre von dem Gottessohn ist die Lehre von dem Eingeborenen. Der physische Mensch ist der «Zweigeborene», der Geistes-Mensch ist der «Eingeborene». Das dürfen Sie nicht so auffassen, als ob es hieße «hineingeboren», nein, eingeboren ist der Gegensatz zu zweigeboren. Und das Wort deutet darauf hin, daß der Mensch außer der physischen Geburt auch eine geistige Geburt durchmachen kann, nämlich die Vereinigung mit dem Geiste, die Geburt, durch die er eingeboren, ein Kind oder Sohn der Gottheit wird. Johannes bezeichnet sich selbst als den, der zwar wußte, daß dies Ich in dem einzelnen selbständig werden muß, der aber Zeugnis abzulegen hatte von dem, der da kommen wird, um dies zu bewirken. Er sagte deutlich: Der, der da kommen wird, ist das «Ich bin», das ewig ist, das wirklich von sich sagen kann: Bevor Abraham war, war «Ich bin». Johannes konnte sagen: Das Ich, von dem hier die Rede ist, es ist vor mir gewesen; es ist zu gleicher Zeit, trotzdem ich sein Vorgänger bin, mein Vorgänger. Und nun werden bedeutsame Worte gesagt: «Denn aus dessen Fülle haben wir alle entnommen Gnade über Gnade.» Viele Menschen gibt es, die sich Christen nennen und die über das Wort «Fülle» hinweglesen. Pleroma heißt nach dem Griechischen die Fülle. «Denn aus dem Pleroma haben wir alle entnommen Gnade über Gnade!» Nur der kann es verstehen, der da weiß, daß man in den alten Mysterien von dem Pleroma oder der Fülle als von etwas ganz Bestimmtem gesprochen hat. Denn man hat damals schon die Lehre vertreten, daß, als sich zuerst offenbarten diejenigen geistigen Wesenheiten, die bis zur Göttlichkeit (das heißt bis zum Schöpfertum) aufgestiegen waren während des alten Mondes, die Elohim, sich einer von ihnen trennte, er blieb auf dem Mond und strahlte von dort zurück die Kraft der Liebe, bis die Menschen genügend reif waren für das Licht der übrigen sechs Elohim. So unterschied man Jahve, den Einzelgott, den Rückstrahler und die aus sechs bestehende Fülle der Gottheit, «Pleroma». Da aber mit dem Gesamtbewußtsein des Sonnenlogos der Christus gemeint ist, mußte man, wenn man auf ihn hindeutete, sprechen von der Fülle der Götter. Diese tiefe Wahrheit verbirgt sich dahinter: «Denn aus dem Pleromahaben wir alle entnommen Gnade über Gnade.» [1]

Zitate:

[1]  GA 103, Seite 83ff   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)

Quellen:

GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)