Ätherarten

Wie wir vom Leichnam zurückblicken auf das Leben, wo der Leichnam mit dem Seelisch-Geistigen verbunden war, so blicken wir von den festen Körpern der Erde zurück, indem wir diese festen Körper zurückführen auf frühere Zustände physischer Art, wo das Feste mit dem Leben verbunden war, wo das Feste nur gebunden an das Leben auftreten kann; wo Flüssiges nur auftreten kann gebunden an chemische Effekte; wo Gasförmiges nur auftreten kann gebunden an die Lichteffekte. Wo, mit anderen Worten, kein Gas war, das nicht innerlich erglänzt, innerlich leuchtet, das nicht gleichzeitig durch seine Verdichtungen und Verdünnungen innerlich leuchtet, verdunkelt, wellenartig phosphoresziert; wo nicht nur Flüssigkeit war, sondern ein lebendiges, fortwährendes chemisches Wirken; wo dem allem zugrunde lag Leben, das sich verfestigte, wie sich Leben verfestigt zum Beispiel in der Hornbildung der Rinder. [1] So werden wir darauf geführt, anzuerkennen, daß Festes, Flüssiges, Gasförmiges im irdischen Bereich in einer gewissen Weise uns durch ihre nachträglichen Beziehungen zu Licht, Chemie, Leben etwas Erstorbenes darstellen. [2]

Wenn wir den Äther überhaupt betrachten, von dem ja auch der menschliche Ätherleib ein Glied ist, eine besondere Aussonderung ist, so stellt er sich nicht undifferenziert dar, sondern aus vier Ätherarten bestehend: Wärmeäther, Lichtäther, chemischer Äther und dem Lebensäther. [3] Der chemische Äther, das ist derjenige, der vorzugsweise wirkt im sogenannten chemischen Teil des Spektrums (Lichtband durch Brechung des Lichtes erzeugt), und wenn wir vom chemischen Äther sprechen, so müssen wir uns etwa nicht die Kräfte denken, die in den chemischen Synthesen wirken, sondern diejenigen Kräfte, die ihnen polarisch entgegengesetzt sind. Die Ätherkräfte sind immer den in den physischen Stoffen wirkenden Kräften polarisch entgegengesetzt. Also wenn eine chemische Synthese zustande kommt, so wirken die Ätherkräfte analysierend. Demjenigen, der, wenn ich so sagen darf, mit dem Geistesauge eine chemische Analyse ausführt, dem erscheint dann, nachdem er die Stoffe getrennt hat, in um so verdichteter Gestalt ein «Gespenst» des chemischen Stoffes, das zurückbleibt. [4]

Wenn wir sozusagen lokalisieren wollen die drei höheren elementarischen Zustände, Lichtäther, Klangäther (chemischer Äther), Lebensäther, dann müßten wir sagen: die werden wir örtlich mehr in dem Sonnenhaften zu suchen haben. – Im Erdenhaften müssen wir das Erdige, Flüssige, Luftförmige suchen, die Wärme aber ist verteilt auf beides, auf das Erdenhafte und aufs Sonnenhafte. [5]

Daß sich gewisse Vorgänge in dem feinen Stoffe den man Äther nennt, als Licht und Farbe offenbaren, dazu ist ein Auge notwendig. [6] Die Sinnesorgane müssen ausgeschaltet werden, wenn der Mensch eine esoterische Entwickelung durchmacht; sie müssen sozusagen schweigen. Dafür nun tritt ein anderes ein: erstens ein allmähliches Bewußtwerden der einzelnen Sinnesorgane wie besondere Welten, die in einen hineindringen. Man lernt empfinden die Augen, die Ohren, sogar den Wärmesinn, wie hineingebohrt in einen. Aber das, was man da empfinden lernt, ist nicht das physische Sinnesorgan, sondern sind die Ätherkräfte, die Kräfte des Ätherleibes, die organisierend wirken an den Sinnesorganen. So daß man, wenn man ausschaltet die Tätigkeit der Sinne, gleichsam aufgehen sieht die Natur dieser Sinnesorgane wie ebenso viele in einen hineingebohrte ätherische Organisationen. Während man absieht von aller Tätigkeit des physischen Auges, fühlt man das Blickfeld durchzogen von den ätherischen Lichtkräften, die organisierend auf das Auge wirken. [7] )

Die Wissenschaft lehrt uns, daß das Licht zum Wachstum der Pflanzen notwendig ist; das ist aber nur die eine Hälfte der Wahrheit. Derjenige, der mit hellsichtigem Blick die Pflanzen ansieht, der sieht aus den Pflanzen aufsteigen lebendige Geistes-Elemente. Das Licht steigt in die Pflanzen hinein, um sich in ihnen zu verwandeln, um in ihnen wiedergeboren zu werden als lebendiges Geistes-Element. In die Tiere steigt der chemische Äther hinein, den der Mensch nicht wahrnehmen kann; er würde geistig tönen, wenn der Mensch ihn wahrnehmen könnte (deshalb auch Klangäther genannt). Und die Tiere verwandeln diesen Äther in Wassergeister (siehe: Elementarwesen des Wassers). Die Pflanzen verwandeln das Licht in Luftgeister (siehe: Elementarwesen der Luft). Der Mensch aber verwandelt dasjenige, was im kosmischen Äther, im Lebensäther liegt, dasjenige, was macht, daß er überhaupt leben kann, und von dem verhindert worden ist, daß er es töten könne in sich, das verwandelt er in Erdgeister (siehe: Elementarwesen der Erde). Fortwährend erzeugt sich im Menschen auch etwas Geistiges. Dasjenige, was als Leben im Menschen lebt, das geht gleichsam fortwährend in die Welt hinaus. Der Mensch verbreitet eine Aura um sich, eine Strahlungs-Aura, wodurch er das erdgeistige Element der Erde fortwährend bereichert. In diesem Erdgeist-Element der Erde, da ist aber enthalten, indem es der Mensch hinüberschickt in die Erde, all dasjenige, was der Mensch an moralischen und an sonstigen im Leben erworbenen menschlichen Qualitäten in sich trägt. Für den hellsichtigen Blick zeigt es sich, wie der Mensch fortwährend in die Welt hinausschickt seine moralische und intellektuelle und ästhetische Aura, und wie diese Aura als Erdengeist in der Erdengeistigkeit weiterlebt. Wir ziehen nach uns durch das ganze Erdenleben, wie der Komet seinen Schweif durch das Weltenall nach sich zieht, dasjenige, was wir gleichsam an Geistes-Aura ausdünsten, was sich während unseres Lebens zusammenfügt, phantomhaft, aber zugleich unser moralisches und intellektuelles Seelengut in die Welt hinausstrahlt. Früher (vor dem Mysterium von Golgatha) war das phantomartige Wesen, das der Mensch ausstrahlte viel flüchtiger. Es wurde dichter, gestaltenartiger in der Zeit, in der das Mysterium von Golgatha über die Erde kam. Und der Mensch mischte als einen Grundcharakter diesem phantomartigen Wesen dasjenige bei, was er an Tod in sich aufnimmt, indem er den Lichtstrahl, der in das Auge eindringt, tötet. Gewissermaßen ein totgeborenes Geisteskind sind diese erdgeistartigen Wesen, die der Mensch von sich ausstrahlt, weil er ihnen seinen Tod mitgibt. Und mit diesem Tode verbunden wären die moralischen Qualitäten der Menschen; objektive Schuld und objektive Sünde, die wären da drinnen. Nehmen wir an, der Christus wäre nicht gekommen, dann wären diese dichten Gestalten dasjenige geworden, was mit der Erde nach dem Jupiter (der künftige Weltkörper) hätte hinüberziehen müssen. Der Mensch hätte der Erde den Tod erteilt. Eine tote Erde hätte einen toten Jupiter geboren! Denn so hätte es kommen müssen, weil dem Menschen die Möglichkeit gefehlt hätte, das, was so ausstrahlt von ihm, zu durchdringen mit dem, was in der Sphärenmusik liegt und mit dem, was im kosmischen Leben liegt. Diese aber hat der Christus gebracht mit dem Mysterium von Golgatha. Und indem sich, wenn wir den Christus aufnehmen in uns, erfüllt das «Nicht ich, sondern der Christus in mir», belebt sich, indem wir zu dem Christus Beziehungen in uns entwickeln, dasjenige, was so von uns ausstrahlt, was sonst tot wäre. [8] Nicht können wir – weil wir ja bis in unsere fernere Erdenzeit irdisches Leben absolvieren müssen in Menschenleibern – die Sphärenmusik unmittelbar hören, nicht können wir das kosmische Leben unmittelbar in uns erleben, aber wir können erleben dasjenige, was von dem Christus ausfließt, und haben stellvertretend damit dasjenige, was uns sonst aus der Sphärenmusik und dem kosmischen Leben zukommen würde. [9]

Beim Kosmos ist das Ätherische das Unterste; auf Erden ist das Physische das Unterste. Schaue ich in die Unendlichkeit des blauen Weltenfirmaments hinein, so sehe ich nach außen sich offenbaren der ätherische Leib, der aber das Unterste ist für diese ganze hierarchische Welt. [10]

Die Wissenden, auch noch am Ende des 18. Jahrhunderts, sie wußten eben durchaus auch, wie innerhalb des Geistigen die Farbe erquillt. Die Luft ist der Schatten des Lichtes. [11]

Zitate:

[1]  GA 321, Seite 196   (Ausgabe 1982, 240 Seiten)
[2]  GA 321, Seite 195   (Ausgabe 1982, 240 Seiten)
[3]  GA 313, Seite 28   (Ausgabe 1984, 176 Seiten)
[4]  GA 313, Seite 29   (Ausgabe 1984, 176 Seiten)
[5]  GA 122, Seite 139   (Ausgabe 1961, 200 Seiten)
[6]  GA 9, Seite 91   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[7]  GA 145, Seite 45f   (Ausgabe 1976, 188 Seiten)
[8]  GA 155, Seite 200ff   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)
[9]  GA 155, Seite 204   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)
[10]  GA 236, Seite 247   (Ausgabe 1988, 310 Seiten)
[11]  GA 233a, Seite 20   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)

Quellen:

GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 122:  Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das Sechstagewerk im 1. Buch Moses (1910)
GA 145:  Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst? (1913)
GA 155:  Christus und die menschliche Seele. Über den Sinn des Lebens. Theosophische Moral. Anthroposophie und Christentum (1912/1914)
GA 233a:  Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit (1924)
GA 236:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Zweiter Band (1924)
GA 313:  Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie (1921)
GA 321:  Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, II. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs: Die Wärme auf der Grenze positiver und negativer Materialität (1920)