Licht

Das Licht an sich ist ebensowenig sichtbar als die absolute Finsternis. Das Licht ist die reale Bedingung dafür, daß wir die Gegenstände sehen. Sinnlich wahrnehmen können wir das Licht bloß in seinen Wirkungen. [1] Das Licht ist eigentlich etwas, von dem wir gar nicht sagen können, daß wir es sehen können. Mit Hilfe des Lichtes sehen wir die Farben, aber wir können nicht eigentlich sagen, daß wir das Licht sehen. 320.52. Es trat im Laufe der Erdenzeit etwas ein, was sehr wichtig ist: Es differenzierte sich die Materie, der Stoff. Die einheitliche Wärmematerie differenzierte sich, so daß Luftmaterie entstand, während ein Teil der früheren Wärmematerie als Wärmematerie geblieben ist. Überall da, wo sich die Wärmematerie verdichtet, so daß sie Luft wird, entsteht gleichzeitig Licht. Wärmematerie ist noch finstere Materie, wird nicht von Licht durchsetzt. Wenn aber in solcher Weltensphäre ein Teil dieser Wärme sich verdichtet zu Gas oder Luft, dann kann ein Teil dieser Materie das Licht durchlassen. [2] Es gab eine Zeit vor dem Mysterium von Golgatha, da hatte die Erde eine Atmosphäre, in der war die Seele, die zum Seelischen des Menschen gehörte. Jetzt hat die Erde eine Atmosphäre, die ist entleert des Seelischen, das zum Seelischen des Menschen gehört. Dafür ist in das Licht, das uns vom Morgen bis zum Abend umfaßt, eingezogen dasselbe Seelische, das vorher in der Luft war. Daß der Christus sich mit der Erde verbunden hat, das gab die Möglichkeit dazu. So daß Luft und Licht auch geistig-seelisch etwas anderes geworden sind im Laufe der Erdentwickelung. [3] In den alten Zeiten fühlte der Mensch sich durchaus als Licht im Lichte. Er fühlte sich zum Licht hinzugehörig. Er sagte nicht «Ich bin», er nahm die Sonnenstrahlen wahr, die auf die Erde fielen, und er unterschied sich nicht von den Sonnenstrahlen. Wo er das Licht wahrnahm, nahm er auch sich wahr, denn da drinnen fühlte er sich. Mit dem Christus wurde das in seinem eigenen Inneren wirksam. Es ist die Sonne, die in das eigene Innere einzieht und in dem eigenen Inneren wirksam wird. [4]

In was taucht der Mensch unter nach dem Tode? Er taucht unter in geistige Substanz, die da war ohne irdisches Zutun. Nach dem Mysterium von Golgatha muß der Mensch immer untertauchen in das, was durch das Mysterium von Golgatha gekommen ist als die Christus-Substanz der Erde. Wir haben den Christus kennengelernt als Sonnengeist. Vom Sonnenlicht hat sich das Ich einmal emanzipiert. Dann ist der große Sonnengeist auf die Erde heruntergekommen: dadurch taucht das Ich des Menschen unter in die Substanz des Sonnengeistes. Der Mensch erlebt dieses Untetauchen in die Christus-Substanz, wenn er durch die Pforte des Todes gegangen ist, und dadurch ist der Mensch nach dem Tode in der Lage, Bewußtsein zu entwickeln. In der physischen Natur wird diese Stufe erreicht, wenn die Erde beim Vulkanzustand angekommen ist. Scheint die Sonne von oben auf die Erde herunter, so können wir sagen: die Sonne zaubert das Pflanzenwachstum hervor. Wenn aber die Sonne scheinen würde auf den Erdenplaneten mit ihrer Kraft, das Pflanzenwachstum zu erzeugen, und die Erde wäre unfähig Pflanzen hervorzubringen, könnte aber das Sonnenlicht zurückstrahlen, dann würde das Sonnenlicht sich nicht verlieren, sondern in den Himmelsraum hinausgehen und übersinnliches Pflanzenwachstum erregen. Das findet nun statt, nicht physisch, aber geistig. Dadurch, daß der Christus sich mit der Erde vereinigt hat, wirkt er so, daß der Mensch, der sich mit ihm verbindet, nach dem Tode die Rückwirkung erlebt von dem, was er hier bewußtseinsmäßig erfaßt hat. So begreifen wir, wie der Mensch gerade auf der Erde sich erwerben muß die Möglichkeit, auch nach dem Tode Bewußtsein entwickeln zu können, und wie er mitbringen muß vom physischen Leibe her die Kräfte, die das Bewußtsein entwickeln. [5]

Das Licht, das uns umgibt, bildet den Körper der Toten. Sie haben einen Körper aus Licht gewoben. Das Licht das die Erde umgibt, ist Stoff für die Wesen, die im Devachan leben. Sehen wir draußen eine Pflanze, die vom Sonnenlicht sich nährt: sie empfängt nicht nur das physische Licht, sondern in Wahrheit die Tätigkeit geistiger Wesen, und unter ihnen sind auch diese Menschenseelen. 99.46fDie Dinge sind uns durch das Sonnenlicht sichtbar. Die anderen Sinne nehmen auf ähnliche Weise die Dinge um uns herum wahr. In dem Augenblick, in welchem die Schwelle überschritten wird, da muß der Mensch, wenn ich mich auf das Beispiel des Sonnenlichtes beschränke, in seinem inneren Wesen eins werden mit dem Lichte. Er kann nicht durch das Licht die Dinge sehen, weil er ja in das Licht hineinkriechen muß. Man kann nur so lange die Dinge mit Hilfe des Lichtes sehen, als das Licht außerhalb ist. Wenn man mit dem Lichte sich selbst bewegt, kann man nicht mehr die Dinge sehen, die das Licht bescheint. Nun merkt man aber erst dann, wenn man mit seinem Seelenwesen also im Lichte sich bewegt, daß eigentlich unser Denken eine Einheit ist mit dem in der Welt webenden Lichte. Es ist ja zunächst nur für das physische Leben richtig, daß wir ein Denken haben, das an unseren Leib gebunden ist. In dem Augenblick, wo wir diesen Leib verlassen, haben wir kein abgerundetes Denken, sondern das, was Denken ist, verwebt sich mit dem Lichte, lebt mit dem Lichte. In dem Augenblick aber, wo so das Licht unser Denken aufnimmt, hört die Möglichkeit auf, auf so bequeme Weise ein Ich zu haben, wie der Mensch dieses Ich zwischen der Geburt und dem Tode hat. Er tut ja nichts dazu. Sein Leib ist so eingerichtet, daß sich sein Wesen durch diesen Leib spiegelt, und dieses Spiegelbild nennt er sein Ich. Es ist ein Bild-Gedanke, ein Gedanken-Bild. Und das fließt in dem Momente, im welchem die Schwelle überschritten wird in das Licht aus. Man verliert es in dem Augenblicke, in welchem man den Leib verläßt, und man kann dann nur ein Ich dadurch erleben, daß man eins wird mit dem, was man nennen kann die Kräfte des Planeten, namentlich mit den verschiedenen Variationen der Schwerkraft des Planeten. Man muß dann tatsächlich so eins werden mit dem Planeten, mit der Erde, daß man sich als ein Glied der Erde empfindet, wie sich der Finger als ein Glied unseres Organismus empfindet. Dann findet man mit der Erde zusammen die Möglichkeit, wiederum ein Ich zu haben. Und dann merkt man, daß so, wie man sich jetzt des Denkens bedient im physischen Leib, man sich so nachher des Lichtes bedienen kann. So daß man sagen müßte vom Gesichtspunkte der Initiation aus: Man lebt mit der Erdenschwere und beschäftigt sich leuchtend mit der Welt. – Das wäre dieselbe Tatsache für das Erleben jenseits der Schwelle, wie wenn man hier sagt: Man lebt in seinem Leibe und denkt über die Dinge. [6]

Für den Okkultisten sind die Naturkräfte nichts Wirkliches, sondern sie sind die Maya, sie sind die Abprägung der Naturgeister, die hinter der Sinneswelt wirken. Licht, Wärme, Magnetismus, Elektrizität und so weiter, Anziehungskraft, Abstoßungskraft, Schwere und so weiter sind diejenigen Wahrnehmungen in der Welt der Maya, denen in Wirklichkeit die Welt der Naturgeister zugrunde liegt, der Ätherleib der Erde. [7]

Bevor Luzifer herangetreten ist an den Menschen, konnte der Mensch hinausschauen; er sah mit einem ursprünglichen, den Menschen zuteil gewordenen Hellsehen die Fixsterne, aber er sah sie so, wie sie sind in ihrer Substanz als der Substanz der Geister der Weisheit, der Kyriotetes: er sah sie geistig. Und er fing an, sie physisch zu schauen, das heißt, es strahlte ihm erst für seine physischen Augen wahrnehmbares Licht entgegen, als er selber, der Mensch, der luziferischen Versuchung unterlegen war. Das heißt, so wie die Fixsterne zunächst dirigiert werden von den Geistern der Weisheit, so sind sie physisch nicht sichtbar, so verbreiten sie nicht physisches Licht. Physisches Licht kann nur verbreitet werden, wenn etwas zugrunde liegt, was dem Lichte wie ein Träger unterliegt, wenn das Licht gleichsam gefesselt wird durch einen Träger. Daß ein Fixstern sichtbar werden kann, dazu ist noch etwas anderes notwendig, als daß bloß die geistigen Wesen der Weisheit in dem Fixstern wirken. Dazu ist notwendig, daß in diesem Fixstern luziferische Geister wirken, die sich auflehnen gegen die bloße Substanz der Weisheit, daß sie diese bloße Substanz der Weisheit durchsetzen mit ihrem Prinzip. Der Fixstern wäre nicht sichtbar, wenn er nicht in sich zu den Geistern der Weisheit, Kyriotetes, die normal fortgeschritten sind, auch solche hätte, die nicht ihr Ziel erreicht haben, die auf untergeordneter Stufe stehen geblieben sind, entweder auf der Stufe der Geister der Bewegung, der Dynamis oder der Geister der Form, den Exusiai. [8]

Denken Sie einmal, daß folgendes eintreten würde: daß in dem jetzigen Zeitpunkt widerstrahlen könnte, was in einem früheren Zeitpunkt geschehen ist. Nun wissen wir aber, daß so etwas geschieht. Wir leben jetzt im 5. nachatlantischen Kulturzeitraum; da strahlen wider die Ereignisse des 3. Kulturzeitraumes, der alten ägyptisch-chaldäischen Zeit. Was früher da war, wird aufgefangen und strahlt jetzt zurück. Das ist eine Art Wiederholung des Gebens und Nehmens auf der alten Sonne. So haben wir uns gegenüber den Geistern der Weisheit, Kyriotetes, die in den älteren Sonnenzeiten die Gebenden, Schenkenden sind, in den Archangeloi die Aufnehmenden zu denken. Wir haben uns also von einem Zentrum ausgehend zu denken das, was von den Geistern der Weisheit kommt: das wird ausgestrahlt nach allen Seiten, wird aufgefangen von den Archangeloi und zurückgestrahlt. Was ist die ausgestrahlte Weisheit in sich selbst zurückgeleitet? Das ist das Licht. Und damit sind die Archangeloi zugleich die Schöpfer des Lichtes. Licht ist ebensowenig das, als was es uns in der äußeren Illusion erscheint, sondern wo Licht auftritt, haben wir die zurückgestrahlten Gaben der Geister der Weisheit. Und die Wesen, die wir überall hinter dem Licht vermuten müssen, das sind die Archangeloi. Daher müssen wir sagen: Hinter dem flutenden Lichtstrahl, der uns trifft, stecken die Archangeloi; daß sie uns aber Licht zuströmen können, das kommt nur davon her, daß sie zurückstrahlen, was ihnen entgegenstrahlt, nämlich die schenkende Tugend der Kyriotetes. So bekommen wir ein Bild der alten Sonne. Wir denken uns gleichsam einen Zentralsitz, wo vereinigt ist das, was vom alten Saturn herübergekommen ist: die Opfertaten der Throne gegenüber den Cherubim, im Anblick dieser Opfertaten versunken die Geister der Weisheit. Durch diesen Anblick werden sie veranlaßt, von sich auszustrahlen, was ihr eigenes Wesen ist: strömende, flutende Weisheit als schenkende Tugend. Das aber wird, weil es zeitdurchstrahlt ist, ausgesandt und wieder zurückgesandt, so daß wir einen Globus, einen durch die zurückstrahlende Tugend innerlich erleuchteten Globus haben. Denn wir müssen uns die alte Sonne nicht nach außen, sondern nach innen leuchtend denken. Damit ist ein Neues geschaffen. Die Kyriotetes erhalten ihr ausstrahlendes Wesen, indem es ihnen von der Oberfläche zurückstrahlt, so daß sie es als Licht wieder bekommen. Alles ist durchleuchtet. Aber was bekommen sie zurück von denen, die da im Nehmen zurückstrahlen? Ihr eigenes Wesen wurde, indem sie es hingegeben haben, zum Geschenk an den Makrokosmos, da war es ihr Inneres. Jetzt strahlt es zurück: ihr eigenes Wesen tritt ihnen von außen entgegen. Sie sehen ihr Inneres in die ganze Welt verteilt und widergestrahlt von außen als Licht, als die Widerspiegelung ihres eigenen Wesens. [9]

Was ist der astralische Leib? Er erscheint ja dem hellseherischen Bewußtsein auch heute als eine Aura, die den Menschen umgibt; er ist (also) ein Lichtleib, der nur in dem gegenwärtigen Bewußtsein nicht gesehen werden kann. Aber er ist, wenn er im hellseherischen Bewußtsein gesehen wird, Licht, geistiges Licht; und unser physisches Licht ist nur umgestaltetes geistiges Licht. Auch das physische Sonnenlicht ist die Verkörperung des geistig-göttlichen aurischen Weltenlichtes. Das liegt ihm zugrunde. Es gibt in der heutigen Welt ein Licht, das dem Menschen von der Sonne zuströmt. Aber auch ein anderes Licht gibt es, das von seinem inneren Lichte ausströmt. Auf dem Monde leuchtete der Astralleib des Menschen noch für die um ihn befindlichen Wesen. [10]

Das Licht zerstört sich innerhalb unseres nachatlantischen Erdenprozesses. Bis in die Atlantis hinein war der Erdenprozeß ein fortschreitender, seither ist er ein zerfallender. Das Licht zerfällt, und das zerfallende Licht ist Elektrizität.130.95 Das Sonnenlicht ist eine Kraft, die die Elektrizität auslöscht (die aus der Erde aufsteigt). Aber wo die Sonnenwirkung schwach ist, da geht die Elektrizität hinauf, in die Luft hinein – das Nordlicht ist die elektrische Kraft der Erde, die unter dem Einfluß der Mondenkräfte ausströmt. [11]

Die Wissenschaft lehrt uns, daß das Licht zum Wachstum der Pflanzen notwendig ist – das ist aber nur die halbe Wahrheit. Derjenige, der mit hellsichtigem Blick die Pflanzen ansieht, der sieht aus den Pflanzen aufsteigen lebendige Geistes-Elemente. Das Licht taucht nämlich in die Pflanzen unter und steigt wiederum auf als lebendiges Geistes-Element. Die Pflanzen verwandeln das Licht in Luftgeister. [12]

Zitate:

[1]  GA 1c, Seite 11 Anm1   (Ausgabe 1921, 2640 Seiten)
[2]  GA 102, Seite 86   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)
[3]  GA 194, Seite 115   (Ausgabe 1983, 254 Seiten)
[4]  GA 211, Seite 60   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)
[5]  GA 140, Seite 155   (Ausgabe 1980, 374 Seiten)
[6]  GA 196, Seite 94f   (Ausgabe 1966, 305 Seiten)
[7]  GA 136, Seite 45f   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[8]  GA 136, Seite 194f   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[9]  GA 132, Seite 34f   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[10]  GA 103, Seite 45f   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[11]  GA 351, Seite 58f   (Ausgabe 1966, 270 Seiten)
[12]  GA 155, Seite 200   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)

Quellen:

GA 1c:  J.W. GOETHE: Naturwissenschaftliche Schriften. Band III (1890)
GA 102:  Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen (1908)
GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)
GA 132:  Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen (1911)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 140:  Okkulte Untersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Die lebendige Wechselwirkung zwischen Lebenden und Toten (1912/1913)
GA 155:  Christus und die menschliche Seele. Über den Sinn des Lebens. Theosophische Moral. Anthroposophie und Christentum (1912/1914)
GA 194:  Die Sendung Michaels. Die Offenbarung der eigentlichen Geheimnisse des Menschenwesens (1919)
GA 196:  Geistige und soziale Wandlungen in der Menschheitsentwickelung (1920)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)
GA 351:  Mensch und Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur. Über das Wesen der Bienen (1923)