Devachan
► 2. Region – der Ozean des Lebens

Indem man sich im Meditieren mit angehaltenem Atem übt, gelangt man zur zweiten Stufe des Devachan. Die Hohlräume, welche die physische Substanz bildet, füllen sich mit einem System von geistigen Strömungen; es sind die Strömungen des universellen Lebens, welche alles durchziehen, es ist der Ozean des Devachan. Hier taucht der Initiierte in die sprudelnde Quelle allen Lebens ein. Er sieht dieses Leben wie ein ungeheures Flußnetz, dessen Kanäle alles durchziehen. Zugleich durchdringt ihn eine fremdartige und ganz neue Empfindung. Er fühlt, wie er anfängt in den Metallen zu leben. Reichenbach, der Autor des Buches über das Od, hatte dieses Phänomen bei den sensitiven Personen entdeckt, von denen er in Papierstücke eingewickelte Metalle erraten ließ. Die Wesenheiten, denen man in dieser Region begegnet, sind diejenigen, die Dionysius Areopagita die Archangeloi oder Beleber der Metalle nennt. [1]

Diese zweite Region enthält die Urbilder des Lebens. Aber dieses Leben bildet hier eine vollkommene Einheit. Als flüssiges Element durchströmt es die Welt des Geistes, gleichsam als Blut alles durchpulsend. Es läßt sich mit dem Meere und den Gewässern der Erde vergleichen. Seine Verteilung ist allerdings ähnlicher der Verteilung des Blutes. [2] In diesem all-einen Leben finden Sie nicht etwa so unregelmäßige Gestaltungen an Flüssen und Ozeanen wie hier auf der Erde, sondern ganz regelmäßig gestaltete, so daß der Vergleich viel besser wäre mit dem Herzen und seinen Blutadern. [3] Fließendes Leben, aus Gedankenstoff gebildet, so könnte man diese zweite Stufe bezeichnen. Hier zeigt es sich, daß alles Leben eine Einheit ist, daß das Leben in dem Menschen verwandt ist mit dem Leben aller seiner Mitgeschöpfe. [4] Man sieht es dahinfluten, das allgemeine Leben, daß es rötlich-lilafarben flutet von Pflanzenform zu Pflanzenform, von Tierform zu Tierform. [5] Das Leben, das das ganze devachanische Gebiet durchströmt, die eigenartige Substanz, das Prana (sanskrit: für Lebensodem), bildet im Devachan einen ewig fließenden Lebensstrom von der Farbe der Pfirsichblüte. [6] Alles, was hier in der physischen Welt Leben ist, alles also, was einen Ätherleib besitzt, das ist in dem Devachan wie ein fließendes Element. Es sammelt sich auch wie in einem Meerbecken, wie das Wasser im Meer, oder besser gesagt, wie das Blut, das durch die Adern fließt und sich im Herzen sammelt. [7]

Im Devachan lebt das Leben. Alle Formen des geistigen Lebens, zum Beispiel das der christlichen Gemeinschaften, sieht man dort als gemeinsam flutendes Leben. [8] In dieser Region lernt der Mensch erkennen das Schaffen und Wirken der Gottheit. Da sehen wir die Bekenner der verschiedenen Religionen ausbilden die devotionellen Gefühle, indem sie sich demütig, verehrend ihren Göttern nähern. Mit einem höheren Grade der Frömmigkeit erreicht der Mensch seine Verkörperung, nachdem er durch diese zweite Region hindurchgegangen ist. Menschen, die einen Sinn für die allem zugrundeliegende Einheit haben, sehen wir lange Zeit verweilen in dieser zweiten Region. Wir sehen sie sich einleben in die Einheit alles Seins, und wir sehen, wie diese Geister, wenn sie zurückkehren auf die Erde, führende religiöse Persönlichkeiten werden. Diese Menschen sehen, daß die Interessen des einzelnen nicht mehr getrennt werden können von den Interessen der Gemeinschaft. Dieser Sinn für das Gemeinschaftsleben wird in der zweiten Region des Devachan ausgebildet. [9]

Zitate:

[1]  GA 94, Seite 81   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[2]  GA 9, Seite 125   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[3]  GA 53, Seite 152   (Ausgabe 1981, 508 Seiten)
[4]  GA 9, Seite 125f   (Ausgabe 1961, 214 Seiten)
[5]  GA 95, Seite 44   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[6]  Bei 60, Seite 23   (Ausgabe 1977, 0 Seiten)
[7]  GA 100, Seite 52   (Ausgabe 1981, 276 Seiten)
[8]  GA 95, Seite 44   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[9]  GA 88, Seite 124f   (Ausgabe 1999, 256 Seiten)

Quellen:

Bei 60:  Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Heft 60 (1977)
GA 9:  Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung (1904)
GA 53:  Ursprung und Ziel des Menschen. Grundbegriffe der Geisteswissenschaft (1904/1905)
GA 88:  Über die astrale Welt und das Devachan (1903-1904)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 100:  Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis. Theosophie und Rosenkreuzertum – Das Johannes-Evangelium (1907)