Christus Leben
► Nikodemus – Gespräch

«Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, mit Namen Nikodemus, ein Oberer unter den Juden; der kam zu Jesu bei der Nacht und sprach zu ihm...» – «Bei der Nacht» heißt hier nichts anderes, als daß dieses Zusammentreffen geschah in der astralen Welt, in der geistigen Welt und nicht in der Umgebung, in der man bei dem gewöhnlichen Tagesbewußtsein ist. Der Christus konnte verhandeln mit dem Nikodemus außerhalb des physischen Leibes, wenn der astralische Leib außerhalb des physischen Leibes und des Ätherleibes ist. [1]

«Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch wiedergeboren werden, wenn er alt ist?».. Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen!» [2] Solange der Mensch in den Wasser-Luft-Sphären war, war sein Bewußtsein eine astralisch-helle Wahrnehmungsfähigkeit, weil er, so oft er heraus war aus dem physischen Leibe, oben bei den Göttern war, aber durch das Dichtwerden des physischen Körpers schnürte er sich sozusagen von der göttlichen Substanz ab. Wie etwas, was eine Schale bekommt, so schnürte sich der Mensch langsam heraus aus dem früheren Zusammenhange, als er aufhörte, (nur) wasser- und luftförmig zu sein. Ebenso wie der Mensch heruntergestiegen ist, wird er auch wieder hinaufsteigen. Nachdem er das hier erfahren hat, was er in der festen Materie erfahren kann, wird er wieder hinaufsteigen in die Regionen, wo sein physischer Leib wässerig und luftförmig ist. Das heißt, der Mensch ist einstmals nicht geboren worden aus Fleisch und Erde, sondern aus Luft und Wasser. Und er muß später im Geiste wirklich wiedergeboren werden aus Luft und Wasser. – Der Sprachgebrauch der Zeiten, als die Evangelien entstanden sind, den wir auch studieren müssen, ist so, daß man «Wasser» auch Wasser genannt hat; aber «Pneuma», was heute als «Geist» gebraucht wird, war «Luft». Man muß das Wort «Pneuma» übersetzen mit «Luft» oder mit «Dampf»; sonst ruft man ein Mißverständnis hervor. Man muß daher diesen Satz des Nikodemus- Gespräches so sagen: «Amen, Amen, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Luft, sonst kann er nicht in die Reiche der Himmel kommen.» So weist der Christus auf den Zukunftszustand hin, in den der Mensch sich hineinentwickeln soll, und so haben wir in dieser Unterredung ein tiefes Geheimnis unserer Entwickelung vor uns. [3] Wem verdankt denn dies selbständige Menscheninnere, welches außerhalb des physischen Leibes und Ätherleibes Stärkung sucht sein Dasein? Es verdankt sein Dasein dem physischen Leibe und dem Ätherleibe des Menschen, der sich nach und nach im Laufe der Erdentwickelung gebildet hat. Er hat das herausgeboren, was bei Tag untertaucht in die physischen Sinne und hinaussieht in die physische Welt, was aber bei Nacht in einen bewußtseinslosen Zustand untersinkt, weil es sich herausgelöst hat aus dem Zustande, in dem es früher war. Der okkulte Sprachgebrauch nennt das, was heute im Bette liegt, den eigentlichen Erdenmenschen. Das war der «Mensch». Und das, in dem das Ich drinnen steckt Tag und Nacht, was aber herausgeboren ist aus dem physischen und Ätherleib, nannte man das «Menschenkind» oder den «Menschensohn». Ich und astralischer Leib, wie sie herausgeboren sind im Laufe der Erdenevolution aus dem physischen und Ätherleibe, dafür ist der technische Ausdruck «Menschensohn». Dieser «Menschensohn», der sich losgelöst hat aus dem Zusammenhange, worin er früher war, aber dafür sich das physische Bewußtsein erobert hat, er soll durch die Kraft des Christus, der auf der Erde erschienen ist, wiederum zum Bewußtsein der Geistigkeit kommen. Durch die Kraft des Christus soll der Menschensohn wiederum zum Göttlichen erhöht werden. Vorher konnten nur einzelne Auserlesene auf die Art der alten Mysterien-Einweihung hineinschauen in die göttlich-geistige Welt. Für solche hatte man in alten Zeiten einen technischen Ausdruck. Die hineinschauen durften in die göttlich-geistige Welt und Zeugen werden konnten für sie, nannte man die «Schlangen». Schlangen sind diejenigen Menschen in alten Zeiten, die auf diese Weise in den Mysterien eingeweiht wurden. Sie waren die Vorläufer der Tat des Christus Jesus. Moses zeigte seine Sendung dadurch, daß er vor seinem Volke das Symbolum aufrichtete der Erhöhung derjenigen, die hineinschauen konnten in die geistigen Welten: die Schlange erhöhte er. Was diese Einzelnen waren, das sollte durch die Kraft des Christus auf der Erde ein jeglicher Menschensohn werden. Das drückt der Christus aus im weiteren Verfolg des Nikodemus-Gespräches, indem er sagt: «Wie einstmals durch Moses die Schlange ist erhöht worden, so soll der Menschensohn erhöht werden!» [4]

Zitate:

[1]  GA 112, Seite 195   (Ausgabe 1959, 292 Seiten)
[2]  GA 103, Seite 109   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[3]  GA 103, Seite 118ff   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[4]  GA 103, Seite 121f   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)

Quellen:

GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)
GA 112:  Das Johannes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, besonders zu dem Lukas-Evangelium (1909)