Begierde

Das physische Feuer ist nur der äußere Ausdruck eines inneren, für dasjenige, was die Geheimlehre als die Seele des Feuers kennt. Das lebt auch im Menschen in gewisser Weise als seine Triebe, Begierden und Leidenschaften. Nur hat sich bei der weiteren Entwickelung dasjenige, was im Menschen lebt als Triebe, Begierden und Leidenschaften, abgetrennt. Es ist nicht mehr mit dem äußeren Feuer in Verknüpfung. Die Geisteswissenschaft zeigt, wie Leidenschaften und Begierden in ähnlicher Weise mit dem Feuer zusammenhängen wie der positive und der negative Pol eines Magneten: die Leidenschaften sind der eine Pol und das physische Feuer der andere. [1]

Begierde im Inneren ist Astrales von außen. [2] Das Kind ist bloß Begierde, wenn es in die Welt hereinkommt. Und bis zu dieser Begierde kommt man zurück (bei der Lebensrückschau). Und da lernt man seinen astralischen Leib kennen. [3] Im Schlafe hat die Menschenseele nur ein dumpfes Bewußtsein. Sie hat es deshalb, weil in ihr die Begierde nach dem Leibe lebt. Diese Begierde nach dem Leibe dämpft bis zur Ohnmacht herab das Bewußtsein zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. [4]

Wer den Willen erfahrungsgemäß durchschaut, der weiß, daß dieser Wille sich stützt auf die Begierde. Aber wir können auch dasjenige, was als die eigentliche Kraft des Willens wirkt, von unseren Begierden loslösen. Bis zu einem gewissen Grade lösen wir es eben los im sozialen Leben. Nicht aus unseren Begierden heraus lieben wir den Nächsten, sondern es ist da ein Anwenden eines begierdelosen Willens. Aber auch dieser begierdelose Wille kann durch eine besondere Schulung herangezogen werden. Indem wir durch unseren Willen Selbstzucht üben, indem wir versuchen, uns immer besser und besser nach der einen oder der anderen Richtung zu machen, wenden wir die eigentliche begierdelose Willenskraft an. [5]

Zitate:

[1]  GA 54, Seite 380   (Ausgabe 1966, 540 Seiten)
[2]  GA 93a, Seite 93   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[3]  GA 349, Seite 97   (Ausgabe 1961, 264 Seiten)
[4]  GA 304, Seite 26   (Ausgabe 1979, 228 Seiten)
[5]  GA 329, Seite 299f   (Ausgabe 1985, 348 Seiten)

Quellen:

GA 54:  Die Welträtsel und die Anthroposophie (1905/1906)
GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 304:  Erziehungs- und Unterrichtsmethoden auf anthroposophischer Grundlage (1921/1922)
GA 329:  Die Befreiung des Menschenwesens als Grundlage für eine soziale Neugestaltung. Altes Denken und neues soziales Wollen (1919)
GA 349:  Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums (1923)