Basilius Valentinus

Er redet von allerlei chemischen Verrichtungen, redet scheinbar von demjenigen, was man mit Metall und anderen Stoffen in Retorten und Schmelztiegeln unternimmt. In Wirklichkeit redet er von demjenigen Wissen, das sich die Toten aneignen müssen, wenn sie ihre Verrichtungen pflegen wollen in jenem (für sie) untersten Reiche, dem tierischen Reiche. Er redet von dem, was man zu kennen hat von jenen Impulsen, die aus der geistigen Welt heraus kommen, um den Mikrokosmos selbst aus dem Makrokosmos heraus zu begreifen. Basilius redet von diesem uralten Weisheitserbe in Imaginationen. [1] Es gibt im frühen Mittelalter den medizinisch, alchemistischen Basilius Valentinus, den Benediktiner-Mönch, der sehr viel arbeitet in seinen Klosterkellern in Laboratorien, der eine Reihe von wichtigen Untersuchungen macht. Dann sind gewisse Menschen da, die sind seine Schüler, die schreiben bald nach ihm dasjenige nieder, was Basilius Valentinus ihnen gesagt hat. Und so gibt es eigentlich kaum echte Schriften von Basilius Valentinus; aber es gibt Schriften von Schülern, die sehr viel des Echten von seiner alchemistischen Weisheit bringen. [2]

Durch das ganze erste Mittelalter hindurch war ein lebendiger Handelsverkehr von dem Orient an der Donau herauf, gerade jenen Weg entlang, den der alte Mithrasdienst, der natürlich im ersten Mittelalter bereits verklungen war, genommen hatte. Die Leute, die da als Handelsleute nach dem Orient und vom Orient her zogen, haben immer wieder das im Orient gefunden, was dem Christentum vorangegangen war, was aber durchaus schon nach dem Christentum hintendierte. Mit diesem alten Weisheitsgut war die alte Säftemedizin verknüpft. Die Reste einer alten Medizin wurden überall durch Tradition dann in Europa fortgepflanzt. Einzelne Menschen, die dann zur gleichen Zeit mit ihrer eigenen geistigen Entwickelung ihrer Zeit vorausgegangen waren, machten dann merkwürdige Entwickelungen durch, wie die Persönlichkeit, die unter dem Namen des Basilius Valentinus weiterlief. Er war eine Persönlichkeit, welche unter den Leuten, mit denen sie ihre Jugend verlebt hatte, die Tradition der alten Säftemedizin, zuweilen ganz unverständig, übernommen hatte, in dieser oder jener Andeutung. [3] Derjenige, der die Werke des Basilius Valentinus geschrieben hat, war ein Benediktinermönch. In den Benediktinerklöstern namentlich sind in alten Zeiten solche Dinge wie diese Wissenschaft (der Metalltherapie der Krankheiten) wirklich in einem hohen Maße gepflegt worden. Und die Benediktinermönche waren außerordentlich gescheit in solchen Dingen. (Aber) in einer bestimmten Zeit hat die Obrigkeit der Kirche angefangen, diese Wissenschaft nach und nach zu unterdrücken, die überall in den Klöstern geblüht hatte. [4] Bis vor ganz kurzer Zeit – heute (1921) ist das schon weniger der Fall – waren in den alten Bauernregeln noch Überreste dieser aus dem Orient durch die Wanderzüge herübergetragenen medizinischen Tradition vorhanden, die eigentlich im Bauerntum sich ablagerten, die dann gehört wurden von denjenigen, die dann Priester wurden. Namentlich diejenigen, die Mönche wurden, wuchsen aus dem Bauerntum heraus. Sie dachten nach über das, was sie gehört hatten; aus dem eigenen Genie heraus verbanden sie die Dinge, und so entstanden dann die Schriften, die sich erhalten haben als die Schriften des Basilius Valentinus. Ja es bildete sich durch so etwas sogar durchaus noch eine Schule, in der auch Paracelsus und selbst Jakob Böhme lernen. Solch ein altes Volksgut war durchaus noch nicht so abstrakt, wie unsere heutige Wissenschaft es ist, sondern es war da etwas von dem Erfühlen des Objektiven in den Worten. So wie man heute in den Begriffen erkennen will, so fühlte man in den Worten. [5]

Zitate:

[1]  GA 179, Seite 148   (Ausgabe 1977, 164 Seiten)
[2]  GA 236, Seite 74   (Ausgabe 1988, 310 Seiten)
[3]  GA 204, Seite 73f   (Ausgabe 1979, 328 Seiten)
[4]  GA 348, Seite 331   (Ausgabe 1983, 348 Seiten)
[5]  GA 204, Seite 74   (Ausgabe 1979, 328 Seiten)

Quellen:

GA 179:  Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit. Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten (1917)
GA 204:  Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Der materialistische Erkenntnisimpuls und die Aufgabe der Anthroposophie (1921)
GA 236:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Zweiter Band (1924)
GA 348:  Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre (1922/1923)