Auferstehung

Das Geistige ist um uns herum, wie es um die Menschen des Altertums noch nicht geistig herum war. Der Ätherleib wird (einige Tage nach dem Tode) von der Seele abgetrennt als eine Art zweiter Leichnam, aber er wird durch den Christus-Impuls, der geblieben ist von dem Mysterium von Golgatha, in gewisser Weise doch konserviert, löst sich nicht rein auf, wird konserviert. Wenn man den «Glauben» hat, Goethe sei als Ätherleib auferstanden, und sich dann an sein Studium macht, dann werden einem selbst seine Begriffe und Vorstellungen lebendig, und man schildert ihn nicht so, wie er war, sondern wie er heute ist. Dann hat man den Begriff der Auferstehung ins Leben übertragen. Wir mögen denken, was wir wollen – für unser Fühlen und Wollen gilt das nicht, aber für unser Denken und Vorstellen gilt es –, wir mögen denken, was wir wollen: solange wir im physischen Leibe sind, gibt es ein Hindernis dafür, daß die Vorstellungen sich in der richtigen Weise ausleben können. Möge Goethe noch so groß gewesen sein, seine Vorstellungen waren noch größer als er selber. Denn, daß sie so groß haben werden können, wie sie waren und nicht größer, daran war sein physischer Leib schuld. In dem Augenblick, wo sie sich vom physischen Leibe trennen konnten – ich meine jetzt die Vorstellungen, die im Ätherleibe in gewisser Weise weiterleben, nicht sein Fühlen und Wollen – und wo sie aufgenommen werden können von jemand, der sie in Liebe aufnimmt und weiterdenkt, da gewinnen sie ein neues Leben. Dann machen Sie im Leben unmittelbar wirksam, den Gedanken der Auferstehung. Und wer in diesem Sinne sich an die Vergangenheit seelisch anlehnt, der lernt in sich selber erleben das Fortleben der Vergangenheit. Dann kommt eines Tages das über Sie, daß Sie sich sagen: So wie der Gedanke lebt, wie er in mir neuerdings lebendig ist, so ist er durch den Christus lebendig, und hat niemals so lebendig werden können, bevor der Christus auf der Erde war. Es gibt eben einen Weg zu dem Mysterium von Golgatha, der innerlich gegangen werden kann. [1]

Zitate:

[1]  GA 175, Seite 330ff   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)

Quellen:

GA 175:  Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917)