Ahriman
► Ahriman als Schmerzwesen

Man möchte die ahrimanischen Wesenheiten, Schmerzwesen nennen. Denn eigentlich streben sie nach der menschlichen Gestaltung hin, können sie aber für sich nicht erreichen. Es ist ein furchtbarer Schmerz, den im Grunde diese ahrimanischen Wesen durchmachen. Er kann ihnen nur gelindert werden, wenn sie herankommen an den Menschen und den Verstand erfassen. Da kühlt der Verstand diesen Schmerz ab. Daher verbeißen sie sich in den menschlichen Verstand, krallen sich gewissermaßen mit ihrem ganzen Wesen in ihn ein, knochen sich ein.

Ahriman

(Abbildung: Detail von dem oberen Ahriman der plastischen Gruppe im Goetheanum).

Das Ahrimanische, das ist etwas wie aus der materiellen Welt Heraufkommendes, durch das Tierreich Durchgegangenes, das schmerzvoll hinstrebt nach dem Menschen, das den Verstand ergreifen will, das aber zurückgestoßen wird im Menschen von dem übermenschlichen Wesen. Es ist etwas, was immer wieder und wieder in den Menschen herein will und den Menschen halten möchte beim bloßen Verstande, ihn nicht hinaufkommen lassen möchte bis zur Imagination, Inspiration, weil es das Menschenwesen zur Linderung seiner Qual bei sich behalten möchte. [1] Indem der Mensch die materielle Wissenschaft in sich hegt, verbindet sich Ahriman in ihm mit seiner Wissenschaft. Und so wie insbesondere Luzifer seine Hand im Spiele hat bei dem Künstlerischen, so hat Ahriman seine Hand im Spiele bei dem Ausbilden des Mechanischen, Technischen, dessen, was den Verstand wegziehen möchte vom Menschen, was ihn in die Maschine, sei es in das mechanische Werkzeug, sei es in die Maschinerie des Staatswesens hineinziehen möchte. Man möchte sagen: Während der Renaissancezeit ist das luziferische Wirken in eine Art von Sackgasse gekommen; das ahrimanische Wirken, das hat sich jenseits der Wand dieser Sackgasse dann angesetzt. Und wir sehen das ganze Treiben, welches seit der Renaissancezeit da ist; das Hintreiben nach dem Mechanismus, nach geistloser Wissenschaft, sehen wir mit dem ahrimanischen Charakter ablaufen. Was in der neueren Zeit als materialistische Wissenschaft, als industrielle Technik heraufgezogen ist, ist durchaus ahrimanischer Natur, würde, wenn es sich verbreiten könnte ohne Christus-Auffassung, den Menschen an die Erde fesseln, dadurch würde er nicht hinaufkommen zum Jupiterdasein. Bringen wir aber die Christus-Auffassung, bringen wir ein neues geistiges Leben, bringen wir neuerdings Imagination, Inspiration, Intuition in dasjenige, was nur Erkenntnis der äußeren Welt ist, dann erlösen wir das ahrimanische Wesen. Wie diese Erlösung bildhaft vorgestellt werden kann, habe ich in meinen Mysteriendramen von den mannigfaltigsten Seiten aus dargestellt. Aber es würde ein Überwinden des Menschen durch Ahriman sein, wenn die Christus-Auffassung nicht als eine wirklich durchgeistigte Auffassung, (also) enttheologisiert, sich weiter gestalten könnte. Die materialistische Wissenschaft, der äußere industrielle Mechanismus würden den Menschen dem Erdentod überliefern, das heißt, eine ganz andere Welt zimmern, in der der Mensch mehr oder weniger wie ein Petrifikat (Versteinerung) fortleben würde zur Erbauung der ahrimanischen Wesenheiten, wenn nicht die Christus-Auffassung das moderne materialistische, das moderne mechanische Wesen wiederum in geistiger Art durchziehen würde. [2] Wir haben nicht (etwa) Ahriman zu meiden, sondern haben die Kräfte des Ahriman zu erobern für die fortschreitende Menschheitskultur. Wir haben sie (also) hereinzuholen. Der Kampf besteht darinnen, daß Ahriman die Seelen herausholen will. Die Menschheit hat die Aufgabe, Ahriman mit seinen starken Kräften hereinzuholen. [3]

Zitate:

[1]  GA 208, Seite 56   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[2]  GA 208, Seite 57f   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[3]  GA 171, Seite 114   (Ausgabe 1964, 376 Seiten)

Quellen:

GA 171:  Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts (1916)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)