Schulung esoterische
► Änderungen im Verhältnis zu den Naturreichen

Wenn man etwas vordringt in der Erkenntnis, dann verwandelt sich in einer gewissen Beziehung sowohl der Anblick des Mineral- und Pflanzenreiches wie auch der Einblick in das Verhältnis zu Tier- und Menschenreich. Die Menschen haben unbewußt heute schon in hohem Grade eine eben nicht zum Bewußtsein kommende Empfindung von dieser Verwandlung. Man wird immer etwas empfinden wie Furcht. Es ist immer etwas bei der vorgerückten Erkenntnis, wenn man das Mineralreich und Pflanzenreich dann ins Auge faßt, wie Leichengeruch, den man empfindet, ein Leichengeruch, der einem wie in einem lebendigen Gefühl das charakterisiert, was im Mineral- und Pflanzenreich lebt. Dagegen, wenn man das Tier- und das Menschenreich in der verwandelten Erkenntnis anschaut, dann hat man immer die Empfindung, die man so charakterisieren kann, daß man sagen möchte: Eigentlich bleiben doch die Menschen, auch die vorgerücktesten, solange sie in diesem physischen Leibe weilen, gegenüber dem, was in ihnen in Wirklichkeit steckt, immer Kinder, richtige Kinder. Es ist einfach wahr, daß im Menschen viel mehr steckt, als er herausentwickeln kann, herausoffenbaren kann aus seinem Wesen zwischen Geburt und Tod. Sie sehen daraus, weil man ja in dieser übersinnlichen Erkenntnis vom Schein allmählich immer mehr zu der wahren Wirklichkeit aufsteigt, daß – indem man diese Welt außen, so wie sie ist, ansieht, betrachtet –, man es eigentlich nur mit einem Schein zu tun hat. Denn der Leichengeruch und die Kinderei der Menschen verhüllen sich. Der Leichengeruch findet, wenn ich so sagen darf, an unserem physischen Menschen eine zu stumpfe Nase, die ätherische Nase ist nicht genügend ausgebildet. Und die Kinderei der Menschen, die läßt uns nicht recht zum Geständnis kommen, daß sie da ist, weil wir als Menschen schon einmal zu eingebildet sind dazu. Man kann sich dann die Frage aufwerfen: Ja, in Mineralien, in Pflanzen nimmt der Mensch keine Wirklichkeiten wahr; in Tieren, und nicht einmal in seinem eigenen Menschenwesen, nimmt er auch nicht Wirklichkeiten wahr. Worauf ist denn eigentlich dann der Mensch eingestellt hier auf der Erde? Auf eine Art Pflanzentiere oder Tierpflanzen ist er eingestellt. Wenn es Wesen geben würde hier auf der Erde, die weder Pflanzen noch Tiere sind, sondern die bloße Pflanzennatur haben in bezug auf ihre innere Organisation, aber die gehen könnten. Für solche Wesen würde der Mensch in seiner ganzen Seelenverfassung wirklich eingestellt sein. Diese Wesen können ihrerseits nicht im Erdendasein sein, diese Wesen sind nur in anderen Welten zu finden. [1]

Aber auch zu sich selbst steht der Mensch hier auf der Erde in einem merkwürdigen Verhältnisse. Der Mensch ist auf der einen Seite ein vorstellendes Wesen. Wenn er aber das Vorstellungsvermögen betätigt, dann verliert er im Vorstellen seine eigene Wesenheit. Und diese eigene Wesenheit, die im Vorstellen nicht zutage treten kann, die hat er eigentlich nur dadurch, daß etwas, der Wille, aus dem Unbewußten heraufwirkt. [2]

Könnten Sie mit jenem Bewußtsein, das über die Geburt nach rückwärts hinausgeht, gedächtnismäßig behaftet bleiben nach der Geburt, könnten Sie also das Geborenwerden als ein solches Ereignis in Ihrem Leben betrachten, wie etwa, sagen wir, den Übergang vom 15. zu dem 16. Jahre, würde nicht nach rückwärts der Faden des Bewußtseins abreißen, weil das Bewußtsein ganz andersartig war vor der Geburt beziehungsweise vor der Empfängnis, so würden Sie ohne weiteres eine ganz andere Ansicht über das Mineral- und Pflanzenreich bekommen, als Sie nur dadurch bekommen, daß Sie sie anschauen vom Standpunkte des Lebens zwischen Geburt und Tod. Denn Sie würden sich dann folgendes sagen: Ich bin herausgetreten aus dem geistigen Reich durch die Geburt. Ich bin in dieses physische Reich eingetreten. Warum habe ich denn das getan? Warum bin ich denn da nicht drinnen geblieben in dem geistigen Reiche? Warum hat es mich denn überhaupt auf die Erde heruntergelockt? – Denn man kann von einem solchen Locken sprechen. Da könnten Sie dann sagen, wenn Sie sich erinnern könnten: Es hat mich auf die Erde heruntergelockt aus dem Grunde, weil plötzlich im Laufe meiner Entwickelung zwischen Tod und neuer Geburt ich in eine Sphäre hineinkam, wo es so aussah, als ob gewisse Wesen herausgeflohen wären, als ob sie eigentlich drinnen sein sollten, fehlten und nicht drinnen sind. Und tritt man jetzt durch die Geburt, so sind in den Mineralien und in den Pflanzen diese Wesen da, aber wie Verbannte, wie wenn diese Wesen verbannt wären aus der Welt, in der man drinnen war, und wie wenn sie nicht vollständig gedeihen könnten, halb sterben würden und daher den Leichengeruch bilden. Denn in der Welt, in die man eingetreten ist, können sie nicht anders sein als einbalsamiert, mumifiziert, vertrocknet. [3]

Dasjenige, was hier auf der Erde ist von den Tieren, das ist eigentlich krank, das ist so, daß es eigentlich verdirbt, weil es in eine andere Welt gehört und in diese Welt hinein verbannt ist. Und der Mensch seiner äußeren physischen Gestalt nach ist auch in diese Welt hinein verbannt; daher bleibt er verkrüppelt, bleibt ein Kind. Der Mensch bleibt ein Kind. Das Tier ist überhaupt in seinem Wesen seiner physischen Gestalt nach vertrocknet, denn das, was zu Tier und Mensch gehört, das findet man, wenn man durch den Tod geht und in die geistige Welt unmittelbar eintritt, die man nun nach dem Tode betrachtet. Über das Mineral- und pflanzliche Reich ist man eigentlich nicht erstaunt, wenn man durch die Geburt ins Dasein tritt, denn man hat es erwartet. Daß man auch hier auf der physischen Erde Tiere findet und den Menschen mit seiner äußeren Gestalt, die nur vollkommener ist, aber an das Tier erinnert, das ist etwas, was einen einigermaßen erstaunt, nachdem man geboren worden ist mit der Bewußtseinsveranlagung. Man fängt aber an, es zu begreifen, wenn man weiß: Mit dieser äußeren Gestalt der Tiere und Menschen ist ja ein Anfang gegeben, der erst weiterwächst in der Welt, in die man eintritt durch die Todespforte. [4]

Wenn man sich das leibfreie, durch Meditation herangepflegte Denken ausgebildet hat, so sieht man erstens auf das andere Denken hin, sieht, wie es fortwährend mineralisiert, verknöchert die menschliche Substanz, und man lernt den Mineralisierungsprozeß kennen, man lernt in sich das Mineralreich kennen. Und indem man das Denken in sich erhebt über den Grad des Todes, in sich selber erweckt, indem man erlebt, daß in uns etwas sterben muß, damit die Gedanken entstehen, indem man dieses erlebt, lernt man erkennen auch das Geheimnis des Weltenalls. Man lernt erkennen, was eigentlich dieses Mineralreich da draußen bedeutet. Die rechte Welterkenntnis wird einem eigentlich nur durch die intime Menschenerkenntnis. [5]

Dadurch, daß das Fühlen leibfrei wird, und man zurückschauen kann auf das alltägliche Fühlen, wie es gebunden ist an das menschliche Drüsensystem, lernt man erkennen, wie dieses alltägliche Fühlen an einen ähnlichen Prozeß im Organismus gebunden ist, wie es der Pflanzenprozeß in der äußeren Welt ist. Ebenso wie man leibfrei machen kann das Denken und Fühlen, so auch den Willen. Und erlangt man diesen leibfreien Willen, durch Selbstzucht, dann lernt man erkennen das besondere Wesen im Menschen, das nun verwandt ist dem tierischen Reiche. [6]

Zitate:

[1]  GA 188, Seite 54ff   (Ausgabe 1982, 262 Seiten)
[2]  GA 188, Seite 56   (Ausgabe 1982, 262 Seiten)
[3]  GA 188, Seite 59f   (Ausgabe 1982, 262 Seiten)
[4]  GA 188, Seite 61f   (Ausgabe 1982, 262 Seiten)
[5]  GA 334, Seite 261f   (Ausgabe 1983, 312 Seiten)
[6]  GA 334, Seite 263f   (Ausgabe 1983, 312 Seiten)

Quellen:

GA 188:  Der Goetheanismus, ein Umwandlungsimpuls und Auferstehungsgedanke. Menschenwissenschaft und Sozialwissenschaft (1919)
GA 334:  Vom Einheitsstaat zum dreigliedrigen sozialen Organismus (1919)