Vorwort

In einem Vorwort von Marie Steiner können wir lesen: ►(Zitat:) So bringt Rudolf Steiner uns nun weiterhin, auch nach seinem Tode, das Opfer, das er während seines ganzen Lebens hat bringen müssen: die (in Vorträgen) zerstückelten Bruchteile seines Geistes in der Niederschrift eines anderen den Menschen hinzugeben. Die von seinem Geiste lebten, erzwangen von ihm dieses Opfer. ■ [1] Diese hier vorliegende Arbeit ist nun ein Versuch, dieses immense Werk von über 6000 Vorträgen – soweit dies überhaupt möglich ist – wieder zu einem gewissen Ganzen zu vereinen. Dann wird man auch erst richtig gewahr, mit welch einem Riesenwerk man es eigentlich zu tun hat. So ist es auch dem Verfasser ergangen, dem die Arbeit schließlich zu der siebenfachen Größe gewachsen ist, als er ursprünglich erwartet und eingeplant hatte.

Es war dem Verfasser bewußt, daß es sehr problematisch ist, spirituelle Wissenschaft lexikalisch zu bearbeiten. Doch die Möglichkeiten des leichten Zugriffes auch zu entfernteren Gebieten, haben die Bedenken überwogen. Es wurden dafür die einzelnen größeren Artikel so geschrieben, daß sie aus sich selbst zu verstehen sind. Ebenso wurde als Gegengewicht gegen die notwendige alphabetische Zerstückelung eine ohne Voraussetzungen zu verstehende Gesamtübersicht voraus­gestellt. Wenn man nachstehende Stellen bei Rudolf Steiner liest und auch die Unterstützung kennt, die er dem seinerzeitigen Nachschlagewerke von Adolf Arenson lieh, so kann man zur Ansicht kommen, daß eine solche Arbeit, wie die vorliegende, auch Unterstützung bei Rudolf Steiner fände. Wir lesen: ►(Zitat:) In der Anthroposophischen Gesellschaft ist ja wirklich sehr vieles gegeben worden. Man kann schon einen leisen Schwindel bekommen, wenn man hintereinander alle die Zyklen (die Nachschriften von Vortragsreihen) stehen sieht, die gedruckt worden sind. Aber trotzdem, immer wieder und wiederum kommen einzelne Menschen, die über das eine fragen. In den meisten Fällen ist das gar nicht notwendig, denn wenn tatsächlich das verarbeitet wird, was in den Zyklen steht, so beantworten sich die meisten Fragen auf eine viel sicherere Weise von selber. Man muß wirklich nur dazu die Geduld haben. Es muß für vieles, was die Leute wissen wollen, darauf hingewiesen werden, daß ja alte Zyklen da sind, alte Kurse da sind, die liegengeblieben sind, um die sich, nachdem sie gehalten waren, manche nur insoweit noch kümmern, als sie nun einen «neuen» haben wollen. Den alten aber lassen sie einfach liegen. ■ [2] Und: ►(Zitat:) Die Druckschriften und Zyklen sind nicht eigentlich so gelesen worden, wie sie gelesen werden könnten, so daß man auf alles das käme, was gemeint und gesagt ist, mehr oder weniger sogar handgreiflich gesagt ist. ■ [3] Oder gar: ►(Zitat:) Wenn man auch sagen könnte (über die Werke der H. P. Blavatsky), daß es gut wäre, die «Entschleierte Isis» zu nehmen und sie systematisch und logisch anzuordnen, oder aus der «Secret Doctrine» fünf Sechstel herauszunehmen und das andere Sechstel in einer ordentlichen Weise zu redigieren… ■ [4]

►(Zitat:) Ich gebe zu, daß durch die Schnelligkeit, mit der die Lehren der anthroposophisch orientierten Weltanschauung an die Mitglieder der anthroposophischen Bewegung herangetreten sind, wirklich zuweilen die Tatsache vorlag, daß das Spätere das Frühere ausgelöscht hat. [5] Indem man das Material verarbeitet, das in den Zyklen geboten ist, schreitet man weiter von einem äußerlichen Aufnehmen zu einem innerlichen Verarbeiten. Dieses innerliche Verarbeiten hat einen hohen Wert für das wirkliche Vorwärtskommen. Aus dem, was jetzt (1915) als Zyklenmaterial vorliegt, kann man, wenn man sie fruchtbar macht, viele Tausende, vielleicht noch mehr, von Zusammenstellungen machen. [6] Die Methode der Geisteswissen­schaft muß so sein, daß man von den verschiedensten Seiten her zusammenträgt, was Aufklärung über die geistige Welt bringen kann. So gilt das, was hier in früheren Jahren vorgebracht worden ist, nach Jahren noch, auch wenn es nun durch das, was wir jetzt hinzubringen können, von neuen Gesichtspunkten aus neu beleuchtet werden kann. [7] Es ist aber besonders wichtig, daß sich für diese in übersinnlichen Welten gesuchte Erkenntnis Leute finden, die kraft des Intellekts die Sache verstehen. Das vernünftige, verständige Begreifen der Geisteswissenschaft, das ist heute ganz besonders notwendig, denn das ist dasjenige, wodurch die widerstrebendsten Kulturmächte gerade überwunden werden. Der Intellekt der Menschen ist heute so groß, daß die ganze Geisteswissenschaft verstanden werden kann, wenn man nur will. (Aber) es gibt einen anderen Anblick: das ist der, wo man möglichst versucht, durch das spirituelle Geistesgut eingelullt zu werden, träumerisch zu werden, hingegossen warm zu werden, aufzugehen in die universellen Kräfte, die Seele zu vereinigen mit dem göttlichen All. [8] (Dagegen) handelt es sich darum, daß geradeso, wie für das einfache Seelengemüt aufgenommen werden können die überall in den Vorträgen, in den Zyklen zerstreuten Bemerkungen, die den Menschen tragen können, auch überall die einzelnen Winke aufgefaßt werden, die zum notwendigen Fortschritt in den einzelnen Wissenschaften führen müssen. ■ [9]

In jedem Buch, das Vorträge Rudolf Steiners wiedergibt, steht der Passus:

Als mündliche, nicht zum Druck bestimmte Mitteilungen waren die Inhalte dieser Drucke gemeint … Wer diese Privatdrucke liest, kann sie im vollsten Sinne eben als das nehmen, was Anthroposophie zu sagen hat. Deshalb konnte ja auch ohne Bedenken … von der Einrichtung abgegangen werden, diese Drucke nur im Kreise der Mitgliedschaft zu verbreiten. Es wird eben nur hingenommen werden müssen, daß in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet…

Wir müssen uns also dem Wortlaute gegenüber in gewissem Sinne kritisch verhalten. So stieß der Verfasser auf diverse Fehler, meist Hörfehler des Stenographen oder Lesefehler bei der Übertragung der Stenogramme. Auch sonstige Ungenauigkeiten oder Verwechslungen, die sich oft erst aus dem weiteren Zusammenhang als Fehler ergaben. Offensichtliche Fehler wurden einfach berichtigt. In allen übrigen Fällen wurde der richtige Wortlaut in den Text in Klammern eingefügt wie ein sonstiger Einschub. Weiter müssen wir nun berücksichtigen, daß wir es fast beim ganzen Werke mit gesprochenem Wort zu tun haben, zum Teil vor Zuhörern mit erheblichem Vorwissen. Dieses Vorwissen mußte in diesem Werke durch Einschiebungen, wenn möglich in einem Originalwortlaut, eingefügt werden. Es wurde versucht, so viel wie nur irgend möglich den Originalwortlaut zu behalten, doch mußte zuweilen – der Lesbarkeit willen – davon abgewichen werden. Erläuterungen und Einschiebsel sind in (runde) Klammern gesetzt und sind so formuliert, daß sie zusammen mit dem Text fortlaufend gelesen werden können [Einschiebsel in eckigen Klammern stammen von der Buchredaktion der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung].

Dieses Vortragswerk wurde während mehr als 20 Jahren in ganz Europa, zwischen Palermo und Helsinki vor ganz verschiedenartigem Publikum gehalten, von Fachvorträgen vor Akademikern bis zu Vorträgen für die Bauhandwerker des Goetheanumbaues. Die Terminologie ist deshalb oft ziemlich vielfältig. Sie wurde in dem Sinne vereinheitlicht, daß immer die Bezeichnung als Sachtitel gewählt wurde, die am meisten den Charakter eines Namens und nicht einer Umschreibung hat – beispielsweise: Archai an Stelle von Geistern der Persönlichkeit. Wenn die umschreibende Form für den Text wesentlich ist, wurde sie stehen gelassen und den lexikalischen Sachbegriff dazu gesetzt, beispielsweise: …die Geister der Persönlichkeit, Archai…; der Unterstrich bedeutet: dieser Name ist ein Sachtitel. Unter diesem Stichwort findet man die Texte zu diesem Sachverhalt. Nicht aufgenommen wurden Ausführungen die nur ein zeitbedingtes Interesse gehabt haben, meist politische oder ökonomische Probleme; ebenfalls solche Ausführungen die allgemeines, nicht spezifisch spirituelles Wissen referieren.

Gerne hätte der Verfasser Vergleiche aus der damaligen und auch heutigen okkultistischen Literatur herangezogen, ebenso neuere wissenschaftliche Ergebnisse. Er muß sich dies alles versagen, da die Arbeit sonst ausufern würde. Mögen das Spezialisten künftiger Zeiten in Angriff nehmen. Überhaupt sollte man diese Arbeit als einen ersten Beginn nehmen – es sind ja auch noch nicht alle Vorträge publiziert – künftige Generationen werden noch ganz andere Zusammenhänge finden, die nicht gerade handgreiflich gesagt wurden. Der Verfasser möchte daher den geneigten Leser für alle Unvollkommenheiten, die einer solchen Arbeit in einem «noch unbebauten Gelände» notwendigerweise anhaften, um Entschuldigung bitten.

Zu dieser neuen Version ist noch anzumerken, daß viele frühere Verweise ausgedruckt worden sind, da wir ja nicht mit dem Platz haushälterisch umgehen müssen, wie bei einer gedruckten Version. Es können sich daher gewisse Doppelspurigkeiten ergeben.

Zum Schlusse möchte der Herausgeben noch all jener Personen gedenken, deren Vorarbeiten erst überhaupt diese hier vorliegende Arbeit möglich gemacht haben. Zeitlich zuerst wäre hier Elisabeth Vreede zu nennen. Sie hat Hörernotizen der ersten Vorträge systematisch gesammelt und gesichtet und den Grundstock des Rudolf Steiner Archivs gelegt. Ohne das Wirken von Marie Steiner-von Sievers wären die Vorträge in den Kreisen der Mitgliedschaft der damaligen Gesellschaft zum größten Teil einfach verhallt, daß genaue Nachschriften und gedruckte Vortragszyklen existieren ist ihr Werk. Damit ist jede Arbeit über die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners ihr zum tiefsten Dank verpflichtet. Ihr Wirken wurde fortgeführt durch die Herausgabe einer Gesamtausgabe durch die Rudolf Steiner Nachlaßverwaltung, deren Mitglieder diese außerordentlich schwierige Aufgabe auf das vorzüglichste bewältigt haben und noch bewältigen.

Diesen allen ist der Verfasser zu tiefstem Dank verpflichtet. Des weiteren muß er an dieser Stelle noch einer weiteren Person seinen Dank aussprechen – seiner Ehefrau Inge Schwendener-Kaatz, denn ohne ihre Leistung hätte der Verfasser überhaupt nicht die Zeit finden können sich dieser Aufgabe zu stellen. Diese Arbeit sei deshalb ihr gewidmet. Auch sei ihr an dieser Stelle noch für das Lesen der Korrekturen und für die vielen Hinweise auf Unklarheiten und Möglichkeiten zu Mißverständnissen ausdrücklich gedankt.

Diese neue Computer-Version, als Vorstufe für eine gedruckte Neuauflage in doppelter Größe, haben wir einem Freund des Verfassers, Edy Hunziker, zu verdanken. Er hat dem Verfasser die ganze EDV-Einrichtung, sowohl Hard- als auch Software, installiert, ihm den Computer einigermaßen schmackhaft machen können und ihn auch tatkräftig unterstützt, wenn das ganze Projekt zu kentern drohte.

Die Idee, dieses Lexikon in Form einer Datenbank umzuwandeln, damit es im Internet eingesehen werden kann, wie es bei den heutigen Naturwissenschaften möglich ist, kam von Kurt Schäfer-Vincent. Er war es dann, der seine Idee in die Tat umsetzte und dem wir nun den Zugang über das Internet verdanken.

Dornach, September 2009

Urs Schwendener

Zitate:

[1]  GA 279, Seite 262   (Ausgabe 1979, 276 Seiten)
[2]  GA 236, Seite 127   (Ausgabe 1988, 310 Seiten)
[3]  GA 147, Seite 151   (Ausgabe 1969, 168 Seiten)
[4]  GA 133, Seite 16   (Ausgabe 1964, 175 Seiten)
[5]  GA 185a, Seite 177   (Ausgabe 1963, 237 Seiten)
[6]  GA 161, Seite 21f   (Ausgabe 1980, 292 Seiten)
[7]  GA 141, Seite 189   (Ausgabe 1983, 200 Seiten)
[8]  GA 183, Seite 57f   (Ausgabe 1967, 195 Seiten)
[9]  GA 326, Seite 148   (Ausgabe 1977, 196 Seiten)

Quellen:

GA 133:  Der irdische und der kosmische Mensch (1911/1912)
GA 141:  Das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt im Verhältnis zu den kosmischen Tatsachen (1912/1913)
GA 147:  Die Geheimnisse der Schwelle (1913)
GA 161:  Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung (1915)
GA 183:  Die Wissenschaft vom Werden des Menschen (1918)
GA 185a:  Entwicklungsgeschichtliche Unterlagen zur Bildung eines sozialen Urteils (1918)
GA 236:  Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge - Zweiter Band (1924)
GA 279:  Eurythmie als sichtbare Sprache (Laut-Eurythmie-Kurs) (1924)
GA 326:  Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seitherige Entwickelung (1922/1923)