Menschensohn

Wem verdankt denn dieses selbständige, individuelle Menscheninnere, welches außerhalb des physischen Leibes und Ätherleibes Stärkung (im Schlafe) sucht, sein Dasein? Es verdankt sein Dasein dem physischen Leibe und dem Ätherleibe des Menschen, der sich nach und nach im Laufe der Erdentwickelung gebildet hat. Er hat das herausgeboren, was bei Tag untertaucht in die physischen Sinne und hinaussieht in die physische Welt, was aber bei Nacht in einen bewußtseinslosen Zustand untersinkt, weil es sich herausgelöst hat aus dem Zustande, in dem es früher war. Der okkulte Sprachgebrauch nennt das, was heute im Bette liegt, den eigentlichen Erdenmenschen. Das war der «Mensch». Und das, in dem das Ich drinnen steckt Tag und Nacht, was aber herausgeboren ist aus dem physischen und Ätherleib, nannte man das «Menschenkind» oder den «Menschensohn». Menschensohn ist Ich und astralischer Leib. Dieser Menschensohn, der sich losgeschnürt hat aus dem Schoße der Gottheit, der sich losgelöst hat aus dem Zusammenhange, worin er früher war, aber dafür sich das physische Bewußtsein erobert hat, er soll durch die Kraft des Christus, der auf der Erde erschienen ist, wiederum zum Bewußtsein der Geistigkeit kommen. Durch die Kraft des Christus, der auf die Erde gekommen ist, soll der Menschensohn wiederum zum Göttlichen erhöht werden. Vorher konnten nur einzelne Auserlesene auf die Art der alten Mysterien-Einweihung hineinschauen in die göttlich-geistige Welt. Für solche hatte man in alten Zeiten einen technischen Ausdruck, man nannte sie die «Schlangen». Moses zeigte seine Sendung dadurch, daß er vor seinem Volke das Symbolum aufrichtete der Erhöhung derjenigen, die hineinschauen konnten in die geistigen Welten: die Schlange erhöhte er. Was diese Einzelnen waren, das sollte durch die Kraft des Christus auf der Erde ein jeglicher Menschensohn werden. Das drückt der Christus aus in dem Nikodemus-Gespräch, indem er sagt: «Wie einstmals durch Moses die Schlange ist erhöht worden, so soll der Menschensohn erhöht werden!» [1] Fassen Sie jetzt diesen Menschen ins Auge, der sozusagen der Mensch des physischen Planes ist, der sich im heutigen normalen Bewußtsein zurückerinnert bis zu einem bestimmten Zeitpunkt; vor diesem liegen drei Jahre der Kindheit. Das ist der Geist, der im Sinne des paulinischen Christentums der Menschensohn genannt wird. [2]

Zitate:

[1]  GA 103, Seite 121f   (Ausgabe 1962, 224 Seiten)
[2]  GA 124, Seite 127   (Ausgabe 1963, 254 Seiten)

Quellen:

GA 103:  Das Johannes-Evangelium (1908)
GA 124:  Exkurse in das Gebiet des Markus-Evangeliums (1910/1911)