Medium

Die medialen Erscheinungen sind im Grunde genommen eine Fortbildung der Traumwelt. Beim gesunden Menschen bleibt der Traum ein Erlebnis, das nicht in die äußere Organisation übergeht. Beim medialen Wesen ist es so, daß das, was sonst vom Ich und Astralleib erlebt wird und sich formt in die Bilder des physischen Leibes und des Ätherleibes, dann auch übergeht in die Erlebnisse des physischen Leibes und des Ätherleibes, und dadurch entstehen alle diejenigen Erscheinungen, die beim Mediumwesen zutage treten. [1]

Wenn einer herumgeht und zu einer bestimmten Zeit überhaupt nicht hineinkann in seinen physischen Leib, dann ist er ein Medium. Wenn einer zur rechten Zeit in seinen physischen Leib hineinkommt und ihn wieder gebraucht, dann ist er ein normaler Mensch. Wenn aber einer immerfort in dem Zustand herumgeht, ohne daß das Ich in den physischen Leib hineingegangen ist – man kann ja sogar als Nachtwandler herumgehen; sogar sprechen kann man als Nachtwandler, oder wenn man im Bette liegt, sprechen –, dann braucht man sich nicht darüber zu verwundern; denn wenn man (zum Vergleich), sagen wir, eine Kugel wirft, und es ist alles eben, so rollt sie auch allein weiter. (Eben)so kann unter Umständen, wenn der Mensch nicht ganz gesund ist, wenn sein Körper nicht die richtige Festigkeit hat, die Tätigkeit, die sonst im Bewußtsein ist, noch nachwirken. Dann ist aber der Mensch ein Automat. Aber wenn das halb der Fall ist, wenn der Mensch nur halb ein Automat ist – das Hineinrücken geschieht nämlich so, daß der Mensch von der hinteren Seite des Gehirnes aus nach vorne hineinrückt – wenn da der Mensch nur halb hineinrückt, so kann er die Augen schließen, und dann nimmt er, weil da hinten die Sehnerven sind, etwas wahr, was aber phantastisch ist. Und dann kann er einem auch allerlei Phantastisches vorreden, denn, nicht wahr, er sieht nicht, sondern er bekommt die Bilder. Das Gehör sitzt da, und der Sprachsinn, der sitzt da (im Großhirn, wie der Sehsinn), da(durch) kann er Ihnen auch vorreden. Die Medien reden daher, aber sie sind nicht in der Welt drinnen. Daher ist gar nichts auf dasjenige zu geben, was die Medien sagen, weil sie halb in ihrem physischen Leibe sind. Dasjenige, was die Medien sagen, das ist eben nur das, was der Mensch in seiner Seelenhaftigkeit wahrnimmt. Ich habe aber auch schon von Medien gehört, die wirklich großartige Dinge sagen. Aber das braucht einen nicht zu verwundern. Denn, sehen Sie, wenn zum Beispiel irgendwo ein starkes Erdbeben ausbricht, dann wandern (vorher) zunächst die Tiere aus; die Menschen bleiben und lassen sich vom Erdbeben zugrunde richten. Die Tiere sind von vornherein prophetisch, weil der Verstand überall ist; sie haben den Verstand noch nicht in sich hineingeschoppt. So ist das Medium etwas, was bis zum Tier heruntersteigt. Es kann wunderbare Sachen sagen, sogar Verse machen, die schöner sind als die Goetheschen Verse – nun ja, weil es heruntersteigt bis zum Tierverstand. [2]

Eine mediale Persönlichkeit ist eine solche, welche das Geistige aus dem physischen Leibe sprechen, aus dem physischen Leibe schreiben läßt, oder auch auf eine andere Weise noch sich kundgeben läßt. Daß die Medien sich äußern, indem ihr Bewußtsein, aus dem sonst das Schreiben und Sprechen kommt, herabgedämmert ist, wie einst bei den Guruschülern der alten Zeiten, das beweist, daß der menschliche Leib nicht bloß der physische ist, daß aus ihm spricht ein Geistiges, aber ein mechanisches Geistiges, ein Geistiges untergeordneter Art. Diese medialen Persönlichkeiten, sie wollen das Geistige unmittelbar in ihrem Leib nicht nur erleben, sie wollen es auch offenbaren bei sich. Die Eigentümlichkeit solcher medialer Persönlichkeiten ist diese: sie werden redselig, sie werden schreibselig, sie schreiben gern, sie reden gern, aber sie mischen Unzähliges, das der gewöhnlichen Logik als fragwürdig erscheinen muß, hinein in das, was durch ihren Körper der Geist kundgibt. Diese medialen Persönlichkeiten sind gerade der Beweis, daß wir nicht auf die alte Art zurückgreifen dürfen zu der Verbindung mit dem Göttlich-Geistigen, daß wir eine neue Art suchen müssen. [3]

Medien haben die Anschauung dadurch, daß sie imstande sind, den Ätherleib aus dem schlafenden physischen Leib mit herauszunehmen und in dem schlafenden physischen Körper bewußt zu schauen. Sie können sich dann auch noch des physischen Körpers bedienen, dann wird dieser in merkwürdiger Weise hellsichtig. Das vollzieht der Geistes-Schüler bewußt, während es das Medium unbewußt vollzieht. Durch ein solches hellsehendes Bewußtsein sind die Planetensysteme (beispielsweise) entdeckt worden. Alle die Zustände, in die die Geistesschüler und Adepten sich versetzen können, sind nichts anderes als das Bewußtsein durch den physischen Körper; sie machen das alles durch bei völligem Bewußtsein. [4] Der Initiat hat seine Schwierigkeiten, wenn er da untertaucht in die Traumwelt, um sie imaginativ zu durchströmen, weil er ja das Gefühl hat, die Schwere geht verloren, das Gewicht geht verloren, alle die Dinge der Außenwelt, die festen Boden geben, die gehen verloren. Wenn der Initiat sich einlebt – und er muß sich nun bewußt einleben, er muß ein Bewußtsein dafür entwickeln, so herauszugehen, wie unbewußt die Somnambule herausgeht in die Welt –, dann hat er das Gefühl, daß er in jedem Moment bewußtlos werden kann, das Bewußtsein verlieren kann. Man hat immer die Notwendigkeit, sich stramm, straff innerlich zu halten, damit das Bewußtsein ja nicht verlorengeht. [5]

(Die Fähigkeit) der Imagination hängt mit der Ausbildung der sogenannten Lotusblumen (siehe: Astralleib-Organe) zusammen. Diese Organe haben für die seelische Welt dieselbe Bedeutung wie die physischen Sinne für die Wahrnehmung der Sinnenwelt. Durch die genannten Übungen (siehe: Schulung) werden sie zuerst heller, dann beginnen sie sich zu bewegen. Beim heutigen Menschen sind sie unbeweglich, beim Atlantier waren sie noch beweglich, beim Lemurier noch sehr lebhaft bewegt. Aber sie drehten sich damals in entgegengesetzter Richtung als heute beim okkult Entwickelten, wo sie sich in der Richtung des Uhrzeigers drehen. Eine Analogie zu dem traumhaft hellseherischen Zustand der Lemurier ist die Tatsache, daß sich auch bei den heutigen Medien mit atavistischem Hellsehen noch immer die Lotusblumen in der Richtung drehen, wie einst in der atlantischen und lemurischen Zeit, nämlich gegen den Uhrzeiger. Das Hellsehen der Medien ist ein unbewußtes, ohne Gedankenkontrolle, (daher) ist die Mediumschaft sehr gefährlich, die gesunde Geheimschulung (siehe: Schulung) aber gänzlich ungefährlich. [6]

Es kann auch während des Lebens eine Art geistigen Todes vorkommen, der durch die verfrühte Trennung von Geist und Körper verursacht wird, wenn Astralplan und physischer Plan durcheinander geraten. Nietzsche ist ein Beispiel dafür. In seiner Schrift «Jenseits von Gut und Böse» hat Nietzsche, ohne es zu wissen, den Astralplan auf den physischen Plan heruntergeholt. Daraus entstand eine Verwirrung und Umkehrung aller Begriffe und in der Folge Irrtum, Wahnsinn und Tod. Das traumhafte Leben einer großen Zahl von Medien ist ein analoges Phänomen. Unfehlbar verliert das Medium die Orientierung zwischen den verschiedenen Welten und kann nicht mehr zwischen Wahr und Falsch unterscheiden. [7]

Die Medien sind jedenfalls zumeist viel weniger naiv und viel klüger nicht nur als der Durchschnittsgelehrte, sondern manchmal als recht hervorragende Gelehrte. Nun soll man nicht denken, daß solch ein Gelehrter, der keine Ahnung hat, wie das einfachste Taschenspielerkunststückchen zustande kommt, nicht betrogen werden sollte in seiner Naivität von all den Kniffen und Pfiffen, die ja aus den unterbewußten Regionen gerade Medien entfalten. [8]

In dem natürlich Medialen (wirkt) Ahriman, in dem ausgebildeten Medialen (wirkt) Luzifer. Alle Mystik des Mittelalters von Meister Eckhart, Suso, Tauler etc. ist Gefühlsmystik; in dieser ist Luzifer, er hat in ihr versucht, fromm zu werden. In der Fernschau, aller Mystik des Swedenborg, haben wir ahrimanische Impulse; in allem, was willensmäßig, was sich bis in die Geste, in die Tat, in Eingebungen zum Niederschreiben drängt, (haben wir) ahrimanische Impulse. Von außen gesondert also Luzifer, durch den Menschen hindurchwirkend Ahriman. Menschen, die aus sich anfangen, Übungen zu machen und diese dann nach einiger Zeit lassen, verfallen Luzifer. Das Meditieren sollte man niemals aus Bequemlichkeit unterlassen, es muß uns so notwendig werden wie das Atmen dem Leibe – dann ist es richtig. [9]

Zitate:

[1]  GA 223, Seite 127   (Ausgabe 1980, 168 Seiten)
[2]  GA 349, Seite 148f   (Ausgabe 1961, 264 Seiten)
[3]  GA 218, Seite 215   (Ausgabe 1976, 336 Seiten)
[4]  GA 93a, Seite 198   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[5]  GA 243, Seite 188f   (Ausgabe 1983, 246 Seiten)
[6]  GA 94, Seite 173   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[7]  GA 94, Seite 64   (Ausgabe 1979, 312 Seiten)
[8]  GA 171, Seite 264   (Ausgabe 1964, 376 Seiten)
[9]  GA 266/3, Seite 168   (Ausgabe 0, 0 Seiten)

Quellen:

GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 94:  Kosmogonie. Populärer Okkultismus. Das Johannes-Evangelium. Die Theosophie an Hand des Johannes-Evangeliums (1906)
GA 171:  Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts (1916)
GA 218:  Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus (1922)
GA 223:  Der Jahreskreislauf als Atmungsvorgang der Erde und die vier großen Festeszeiten. Die Anthroposophie und das menschliche Gemüt (1923)
GA 243:  Das Initiaten-Bewußtsein. Die wahren und die falschen Wege der geistigen Forschung (1924)
GA 266/3:  Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. Band III (1913, 1914; 1920 – 1923) (1913-1923)
GA 349:  Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums (1923)