Luft

Wenn etwas brennt, so sehen wir auf der einen Seite entstehen das Licht. Das erste äußerlich Unwahrnehmbare (Licht ist unwahrnehmbar, nur beleuchtete Körper sind sichtbar), dasjenige, was in die geistige Welt hineinwirkt, was nicht mehr bloß äußerlich materiell ist sozusagen, gibt die Wärme, wenn sie so stark ist, daß sie eine Lichtquelle wird. Sie gibt an das Unsichtbare, an das, was nicht mehr äußerlich wahrgenommen werden kann, etwas ab, aber sie muß das bezahlen durch den Rauch. Und so sehen wir, wie in der Tat die Wärme oder das Feuer sich differenziert, sich teilt. Sie teilt sich nach der einen Seite in Licht, und damit eröffnet sie einen Weg in die übersinnliche Welt hinein. Dafür, daß sie etwas hinaufsendet als Licht in die übersinnliche Welt, dafür muß sie etwas hinuntersenden in die materielle Welt, in die Welt des Undurchsichtigen, aber Sichtbaren. Nun ist aber der Vorgang, wie wir ihn jetzt beschrieben haben, nur die Außenseite, nur der physisch-materielle Vorgang. Diesem liegt nun etwas wesentlich anderes noch zugrunde. Wenn Sie bloß Wärme vor sich haben, also etwas, was noch nicht leuchtet, dann ist darinnen in gewisser Beziehung die Wärme selbst, die Sie wahrnehmen, das äußerlich Physische, aber es ist ein Geistiges darinnen. Wenn die Wärme nun so stark wird, daß Leuchten entsteht und Rauch sich bildet, dann muß etwas von dem Geistigen, das in der Wärme war, in den Rauch hinein. Und dieses Geistige, das in der Wärme war, das in den Rauch, in ein Luftförmiges übergeht, also in etwas, was unter der Wärme steht, das ist jetzt in dem Rauch, in dem, was als Trübung erscheint, verzaubert. Die Luft selber ist nichts anderes als verdichtete Wärme. Das vom Geistigen ist hineingezaubert worden in den Rauch, was eigentlich im Feuer sein möchte. [1]

Die Wärme ist nur die Offenbarung der Seraphim, Cherubim, Throne. Und das ist das saturnische Dasein. Es konnten gewissermaßen nun die Söhne der Seraphim, Cherubim und Throne die Entwickelung weiterleiten. – Und das geschah dann auf die Weise, daß wirklich die von den Seraphim, Cherubim und Thronen hervorgebrachten Wesenheiten der zweiten Hierarchie, die Kyriotetes, Dynamis, Exusiai, daß diese nun eindrangen in diesen Raum, der saturnisch warm gebildet worden war. Diese Wesenheiten der zweiten Hierarchie offenbarten sich im Elemente des Lichtes. Dieses innerliche Durchleuchtetwerden ist verknüpft mit einer Verdichtung der Wärme. Es wird aus dem bloßen Wärmeelement Luft. Licht ist dasjenige, was die Wege dieser Wesenheiten bezeichnet. Bis ins 15., 16. Jahrhundert hat man gewußt, was die Luft ist. Aus dem Kosmos heraus ist die Luft der Schatten des Lichtes. Und wo das entsteht, ist Sonne. [2]

Luft ist gleichsam eine Illusion, und dahinter stehen die mächtigen Wesenheiten, die wir Cherubim nennen. [3] Indem wir das alte Sonnendasein von ferne anschauen, erscheint es als die Illusion eines Luft- und Lichtkörpers; wenn wir es aber näher betrachten, da erscheint es als die große schenkende Tugend der Geister der Weisheit, der Kyriotetes. Webende, wirkende Luft heißt Offenbarung der schenkenden Tugend der Geister des Makrokosmos. Und nur der sieht die Luft richtig an, der sich sagt: Ich nehme hier Luft wahr, in Wahrheit aber wird da geschenkt von den Geistern der Weisheit an die Umgebung, wird etwas ausgestrahlt an die Umgebung. [4]

Was aber auf irgendeinem der Planeten vorhanden war, das wiederholt sich in einer späteren Zeit, nur daß das Spätere immer anderes noch hinzufügt, so daß uns das Wesen der Sonne in gewisser Weise wieder entgegentritt in dem, was uns auf der Erde entgegentritt. Die ganze Vorstellung, die ganze Empfindung, die wir uns hier aneignen konnten, die uns ein Bild gibt von den sich opfernden Thronen, von den opferempfangenden Cherubim, von der Glut, die aus dem Opfer ausströmt, von dem Opferrauch, der sich luftartig verbreitet, von dem Licht, das zurückgestrahlt wird von den Archangeloi, die das bewahren, was in den Anfängen geschehen ist, für die späteren Zeiten: diese Empfindung ist etwas, was in uns hervorrufen kann ein richtiges Verständnis alles dessen, was zusammenhängt mit den Schöpfungen, die aus einer solchen Empfindung hervorgehen. So haben wir an diesem Milieu, das ich eben als Seelenmilieu geschildert habe, mehr geistig aufgefaßt, was wir früher an einem mehr physischen Bilde gewonnen haben. [5] In dem, was wir als das Luftelement kennen und vorzugsweise in unserer Luft leben diejenigen Wesenheiten, die wir die Archangeloi nennen. Und es ist durchaus nicht ein Märchen oder eine bloße Sage, wenn wir in der dahinströmenden Luft, in dem dahinbrausenden Sturme die leibliche Offenbarung dieser geistigen Reiche sehen. Wenn gesagt wurde, daß die Angeloi in dem Wasser leben, so ist es vorzugsweise jenes Wasser, das unsere Luft wie ein Wasserdampf durchdringt, das flüchtig ist, in welchem der hellseherische Blick die Verleiblichung dessen wahrnimmt, was wir als die Archangeloi bezeichnen. [6] Da kommen wir in eine Welt hinein, die wir zugleich moralisch und physisch begreifen können. [7]

Die Luft, wie sie uns heute umgibt, war auf dem alten Monde der richtige Körper der Menschenseele. Dazumal war die Luft noch ganz durchgeistigt. Wie die Erde heute nur von physischer Luft umgeben ist, so war der Mond von einer Hülle umgeben, die von Seelensubstanz durchdrungen war. Und nun verstehen Sie, warum die Luft entseelt, physisch geworden ist. Die Seele ging in den Körper ein: «Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein, und also ward der Mensch eine lebendige Seele.» [8] Es reifte der Mensch in einem mehr geistig-ätherischen Dasein heran und suchte die dichte Körperlichkeit erst dann, als die Elohim zu Jahve-Elohim emporgestiegen waren, als Jahve-Elohim die irdische Wesenheit des Menschen bilden konnte, indem er dem Menschen die Luft einhauchte. – Es war der Ausfluß der zu Jahve-Elohim gewordenen Elohim selber, die mit der Luft in den Menschen einströmte. [9] Solange sich die Menschen nicht entschließen, sich selbst für diesen Moment physisch einen Wärme- und Luftmenschen vorzustellen, solange sie glauben, daß da schon etwas vom Fleischmenschen vorhanden war, solange werden die Menschen ihren eigenen Ursprung nicht verstehen. Aus dem Feineren entsteht das Gröbere, nicht aus dem Gröberen das Feinere. Es ist ja für ein heutiges Bewußtsein sehr fremd so zu denken, aber es ist die Wahrheit. Wir haben uns also vorzustellen, daß der Mensch auch noch nach Ablauf der Schöpfungstage, wie sie gewöhnlich genannt werden (siehe: Biblische Schöpfungsgeschichte) ein Wesen ist, das nicht dem Erdboden, sondern dem Erdenumkreise angehört. [10]

Die Luft, die unsere Erde umgibt, die ist überall durchdrungen von lauter Gestaltungskräften. Diese Gestaltungskräfte atmen wir mit der physischen Substanz der Luft ein. Wenn unsere Organe fertig sind, wenn wir eine fertige Lunge haben, dann geschieht das, daß die Gestaltungskräfte, die wir da einatmen mit der Substanz der Luft, sozusagen zusammenfallen mit der Form der Lunge, daß sie dann, wenn wir geboren sind, keine große Bedeutung mehr haben, nur zum Wachstum. Aber während der Embryonalzeit, während der physischen Absonderung von der Außenluft, da wirken zuerst durch den mütterlichen Leib die Gestaltungskräfte der Luft. Die bauen die Lunge auf, wie alle Organe des Menschen daraus auferbaut werden, mit Ausnahme der Muskeln und der Knochen. Alle inneren Organe, die das werdende Leben erhalten, sind auferbaut aus den gestaltenden Kräften der Luft. Was da geschieht, kann man vergleichen mit den Chladnischen Klangfiguren. Die Lunge ist tatsächlich aus den Atmungskräften gebildet, aber ebenso die anderen Organe. Nur sind es die anderen Organe mehr oder weniger auf Umwegen, während die Lunge direkt gebildet ist. Aber dies, was da vorliegt, daß die Organe des Menschen herausgebildet werden aus den sich gestaltenden Schwingungen der Luft, das ist nur durch Inspiration zu begreifen. Das, was sich herausgestaltet aus dem Luftförmigen, eben Geformtes, das ist in der Auffassung gleich dem Musikalischen, wie den Klangfiguren auch ein Musikalisches zugrunde liegt. [11]

Wenn wir die Luft betrachten, so sind in ihr Sauerstoff und Stickstoff in einem solchen Zusammensein, das es nicht zu einer chemischen Verbindung bringt, sondern in einem loseren Zusammensein als einer chemischen Verbindung. Wie hängt das mit dem Menschen zusammen? Es hängt mit dem Menschen dadurch zusammen, daß es das kosmische Abbild dafür ist, daß der astralische Leib und der Ätherleib im Menschen in einer loseren Verbindung sind. Wären Sauerstoff und Stickstoff in der Luft in einer chemischen Verbindung, hielten sie chemisch aneinander, dann wären auch der Ätherleib und astralischer Leib so scharf verbunden, daß sie sich nicht lösen könnten, so daß wir niemals einschlafen könnten. [12] Der Mensch atmet den Sauerstoff ein, es kommt auch etwas Stickstoff in ihn. Er atmet dann wieder Sauerstoff, an den Kohlenstoff gebunden, aus, er atmet auch wieder etwas Stickstoff aus. Man mißt die Prozente, beschreibt es und glaubt damit den Vorgang im wesentlichen beschrieben zu haben. Aber an das eigentliche Menschliche kommt man im Grunde genommen wenig heran. Denn das eigentliche Menschliche geht einem dann auf, wenn man über folgende Frage nachdenkt: Es gibt einen bestimmten Prozentsatz Stickstoff in der Luft, der gut sein soll für das Atmen, und einen bestimmten Prozentsatz Sauerstoff. Nehmen wir an, der Mensch ist in eine Luft versetzt, die weniger Stickstoff enthält als den normalen Prozentgehalt, eine stickstoffarme Luft. Lassen Sie den Menschen darin atmen, die Luft wird allmählich durch das menschliche Atmen stickstoffreicher. Der Mensch atmet aus seinem Leibe heraus Stickstoff, den er sonst nicht ausatmen würde, um die Luft in seiner Umgebung in ihrem Stickstoffgehalt zu korrigieren. Und so macht er es auch mit dem normalen Sauerstoffgehalt. Der Mensch hat ein so inniges Verhältnis zur Umgebung, daß in dem Moment, wo die Umgebung nicht so ist, wie sie sein soll, er sie korrigiert, er sie verbessert. So daß wir sagen können, der Mensch ist wirklich so geartet, daß er nicht nur für sich etwas in bezug auf Stickstoff und Sauerstoff in seiner Umgebung nicht nur ebenso notwendig, sondern sogar noch viel notwendiger in einem gewissen Prozentsatz haben muß als in sich selber. Dem Menschen ist seine Umgebung für seine unterbewußten Kräfte wichtiger als die Zusammensetzung seines eigenen Leibes. [13]

Es gibt toten Stickstoff. Das ist derjenige, der in unserer Luftumgebung ist, der dem Sauerstoff beigemischt ist, und der eine Rolle spielt bei unserem ganzen Atmungsprozeß und bei dem Prozeß des Zusammenlebens mit der Luft. Der darf nicht lebendig sein (wie der Stickstoff im Boden beispielsweise), aus dem einfachen Grunde, weil, wenn wir in lebendiger Luft leben würden, wir fortwährend ohnmächtig sein würden. Daß die Luft tot ist, der Sauerstoff tot ist, der Stickstoff tot ist, das ist die Bedingung einer Luft, in der viele Menschen so atmen sollen, daß sie bewußt, besonnen denken können. [14]

Zitate:

[1]  GA 110, Seite 34f   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[2]  GA 291, Seite 222ff   (Ausgabe 1980, 248 Seiten)
[3]  GA 121, Seite 92   (Ausgabe 1982, 214 Seiten)
[4]  GA 132, Seite 31   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[5]  GA 132, Seite 37   (Ausgabe 1979, 102 Seiten)
[6]  GA 105, Seite 66   (Ausgabe 1983, 208 Seiten)
[7]  GA 205, Seite 45   (Ausgabe 1967, 247 Seiten)
[8]  GA 96, Seite 239   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)
[9]  GA 122, Seite 151   (Ausgabe 1961, 200 Seiten)
[10]  GA 122, Seite 153f   (Ausgabe 1961, 200 Seiten)
[11]  GA 316, Seite 94f   (Ausgabe 1980, 246 Seiten)
[12]  GA 302a, Seite 62   (Ausgabe 1983, 160 Seiten)
[13]  GA 302a, Seite 131f   (Ausgabe 1983, 160 Seiten)
[14]  GA 327, Seite 21   (Ausgabe 1963, 306 Seiten)

Quellen:

GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)
GA 105:  Welt, Erde und Mensch, deren Wesen und Entwickelung sowie ihre Spiegelung in dem Zusammenhang zwischen ägyptischem Mythos und gegenwärtiger Kultur (1908)
GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 121:  Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie (1910)
GA 122:  Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das Sechstagewerk im 1. Buch Moses (1910)
GA 132:  Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen (1911)
GA 205:  Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil:. Der Mensch als leiblich-seelische Wesenheit in seinem Verhältnis zur Welt (1921)
GA 291:  Das Wesen der Farben (1914-1924)
GA 302a:  Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis (1920-1923)
GA 316:  Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst (1924)
GA 327:  Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. (Landwirtschaftlicher Kursus) (1924)