Lemurische Zeit

Als die lemurische Zeit heranrückte, da war das, was heute physisch ist, in seinen dichtesten Gebieten im Grunde genommen als Ätherleib vorhanden, das heißt, die Kräfte unseres jetzigen physischen Leibes waren damals wie aufgelöst im Ätherleib. Dieser Ätherleib hatte nur eben solche Kräfte, daß, wenn sie sich ihrer eigenen Natur nach verdichteten, sie dann zu unserem physischen Leibe führen konnten; sie waren also in gewisser Beziehung die Kräfte des physischen Leibes, aber sie waren nicht als physischer Leib vorhanden. Also noch als der Mensch seine lemurische Entwickelung antrat, war im Grunde genommen seine dichteste Leiblichkeit eine ätherische, und alle Verdichtung zu dem physischen Leibe ist erst von der lemurischen Zeit an geschehen. [1]

Die erste Veranlagung zum Ich ging in der alten lemurischen Zeit vor sich, als der jetzige Mond von der Erde sich hinaustrennte. Das konnte nur dadurch geschehen, daß wiederum aus dem Umkreis die Anregung dazu gegeben wurde, daß sich eine Umdrehung (im Tierkreise) vollzog; dann wurde das, wozu die Anregung gegeben worden war, nachdem es sich einmal herumgedreht hatte, reif, das Ich in der ersten Anlage aufzunehmen. Und man hatte hinauszudeuten auf diejenige Stelle des Tierkreises, die wir heute als den Stier bezeichnen. Es drückt sich die allererste Anlage zum «Ich bin» in der Sprache aus, in dem Ton. Es steht aber alle Tonbildung in einer gewissen Beziehung, die jeder Okkultist kennt, es steht die Stimmbildung in einem ganz bestimmten Verhältnis zu den Fortpflanzungsvorgängen, was Sie aus der Tatsache entnehmen können, daß beim männlichen Geschlecht die Umbildung der Stimme mit der Geschlechtsreife eintritt. Da besteht ein verborgener Zusammenhang. Nun hat alles dasjenige, was zusammenhängt mit diesen Fähigkeiten und Vorgängen des Menschen, das alte Bewußtsein zusammengefaßt als die Stiernatur des Menschen. Die ägyptische Geheimlehre wiederholt im wesentlichen in der geistigen Spiegelung die Vorgänge der lemurischen Zeit. Was in dieser lemurischen Zeit sich abgespielt hat, das wissen die Priester der ägyptischen Geheimlehre am allerbesten, denn es spiegelt sich in der eigenartigen Kultur Ägyptens ab. Daher fühlte sich die Kultur Ägyptens verwandt mit dem Sternbild des Stieres, überhaupt mit dem Stierdienst. [2]

Indem der Mensch einen Übergang durchmachte aus einem geistigen Schlafzustand in die wachen Erdenzustände, ging die ganze Evolution damals vom Geistigen in das Sinnliche über. Unser jetziges Sinnensein bekommt erst einen Sinn seit der lemurischen Zeit. [3] So wie die Erde jetzt ist, war sie aber nicht immer, sondern sie hat sogar sehr starke, gewaltige Verwandlungen durchgemacht. Gehen wir nur ins lemurische Zeitalter und etwas weiter zurück, dann finden wir eine ganz andere Erdbeschaffenheit als jetzt. Gehen wir aus von dem Luftkreis, in dem wir leben, und den wir selber als unlebendig, als leblos ansehen. In der von uns heute einzuatmenden Luft spielen der Sauerstoff und der Stickstoff die hervorragendste Rolle. Nun ist es gar nicht möglich eigentlich, für diese älteren Zeiten von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Schwefel und so weiter zu sprechen, einfach weil es das, was heute der Chemiker mit diesen Namen bezeichnet, für diese ältere Zeit gar nicht gibt. Sie sind als solche nur möglich, wenn die Erde eben eine bestimmte Dichte erreicht hat und solche Kräfte hat, wie sie sie heute hat. Dagegen gab es in dieser Erdenumgebung, hier in diesem Umkreis, der dazumal das bildete, wofür wir heute den Luftkreis setzen, etwas, was ungeheuer feinflüssig war, so zwischen unserem heutigen Wasser und der Luft in der Mitte; feinflüssig war es, aber in seiner Feinflüssigkeit war es ähnlich dem Eiweiß. So daß eigentlich die Erde dazumal ganz umgeben war von einer Eiweiß-Atmosphäre. Das heutige Eiweiß im Hühnerei ist viel gröber, aber es läßt sich schon damit vergleichen.

Diese Erdenumgebung, die ist so geartet, daß, als später die Erde dichter wurde, da trennte sich heraus, differenzierte sich heraus aus dieser Umgebung, was wir heute als Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und so weiter bezeichnen. Aber das war da drinnen nicht so, daß man sagen kann, diese damalige Eiweiß-Atmosphäre war daraus zusammengesetzt; denn (sie) hatte diese einzelnen Stoffe nicht als Teile. Heute denkt man sich überhaupt bei allem: es sei zusammengesetzt; aber das ist Unsinn. Dasjenige, was man als gewisse höher geartete Substanzen kennt, das ist nicht immer aus dem zusammengesetzt, was dann erscheint, wenn man es analysiert; sondern die Dinge hören auf, in der höheren Substanz darinnen zu sein. Der Kohlenstoff ist da drinnen nicht Kohlenstoff, der Sauerstoff nicht Sauerstoff und so weiter, sondern das ist eine höher geartete Substanz. Und wie gesagt, eigenschaftlich kann ich sie als sehr, sehr flüssiges Eiweiß bezeichnen. Aber diese ganze, die Erde damals umgebende Substanz war durchdrungen vom Weltenall herein mit kosmischem Äther, der diese ganze Substanz belebte. Dadurch, daß dieser kosmische Äther hereinragte, dadurch lebte diese Substanz. Sie lebte aber nicht nur, sondern sie differenzierte sich in eigentümlicher Weise. Da erschien an einer Stelle einmal ein größeres Gebilde, in dem man ersticken konnte; an einer anderen Stelle erschien ein größeres Gebilde, in dem man besonders regsam hätte aufleben können, wenn man als Mensch schon hätte da sein können und so weiter. Es waren da nicht chemische Elemente im heutigen Sinne drinnen, aber es entstanden solche Bildungen, die an die Wirkungen der chemischen Elemente von heute erinnern. Dann war das Ganze von Licht-Spiegelungen, Licht-Erglänzungen, Licht-Erstrahlungen, Licht-Erfunkelungen durchsetzt. Und endlich war das Ganze vom Weltenäther durchwärmt. [4]

Das alles waren Eigenschaften der damaligen Erd-Atmosphäre, wenn ich den heutigen Ausdruck gebrauchen darf. Das erste, was nun aus dem Kosmos herein sich bildete, waren die ersten Urgebirge. Die bildeten sich aus dem Kosmos herein. So daß die Quarze, die Sie draußen im Urgebirge finden in ihrer schönen Gestalt, in ihrer relativen Durchsichtigkeit, gewissermaßen vom Weltenall in die Erde herein gebildet sind. Deshalb ist es ja so, daß, wenn sich heute der imaginativ Schauende in diese Urgebirgsgesteine, in diese heute härtesten Gestaltungen der Erde hinein versetzt, so sind sie ihm die Augen hinaus nach dem Weltenall. Aber das Weltenall hat auch diese Augen der Erde eingesetzt. Nur war das Quarzige, das Kieselsäure-Ähnliche, das da in die ganze Atmosphäre hereindrang und sich allmählich ablagerte als Urgebirge, nicht so hart wie heute. Das ist erst später, durch die späteren Verhältnisse, dieser Erhärtung, in der es heute dasteht im Urgebirge, anheimgefallen. Das alles, was sich da hereinbildete aus dem Weltenall, war in der damaligen Zeit kaum härter als Wachs. Das war dazumal durch das Leben, das in alles hineinragte, weich wie Wachs. So daß man also sagen könnte: Als träufelndes Wachs aus dem Kosmos kommen die Urgebirgsgesteine. Und das alles ist durchsichtig, wie es aus dem Kosmos da herein sich schiebt, kann in seiner relativen Härte nur beschrieben werden so, daß man den Tastsinn darauf anwendet: man würde es spüren, wenn man es angreifen könnte, wie man Wachs spürt. So also setzt sich das Urgebirge aus dem aus dem Kosmos hereingeträufelten Wachs ab, verhärtet sich dann.

Und dasjenige, was heute mehr geistig vorhanden ist, wenn man sich hineinversetzt, Bilder des Kosmos hat, das war dazumal ganz anschaulich da, und zwar so da, daß, wenn da eine solche Partie «Wachs-Kiesel» herankam in seiner Durchsichtigkeit, so konnte man in ihm etwas unterscheiden wie eine Art Pflanzenbild. Wer sich umgesehen hat in der Natur, der wird ja wissen, daß, man möchte sagen wie Merkzeichen an eine alte Zeit, so etwas sich schon heute in der mineralischen Welt findet. Man findet Gesteine, man nimmt sie in die Hand, man schaut sie an und Sie haben in ihnen so etwas, wie wenn in ihrem Innern ein Pflanzenbild wäre. Das war aber dazumal etwas ganz Gewöhnliches, was in die Atmosphäre, in diese Eiweiß-Atmosphäre hereinkam, mitgeschoben gewisser-maßen wie Bilder, die nicht nur gesehen wurden, sondern wie Bilder, die im Innern dieses Wachskörpers abfotografiert waren, aber körperlich abfotografiert waren, daß damit diese Bilder aus dem Kosmos hereingeschoben wurden. Und dann gestaltete sich das Eigentümliche heraus, daß das flüssige Eiweiß, das da war, diese Bilder ausfüllte; dadurch wurden sie wiederum etwas härter, etwas dichter; sie waren dann nicht mehr Bilder. Das Kieselige fiel von ihnen weg, zerstreute sich in der übrigen Atmosphäre, und wir haben in der ältesten lemurischen Zeit die mächtigen schwimmenden, an unsere heutigen Algen erinnernden Pflanzen-bildungen, die nicht im Boden eingewurzelt waren – ein solcher Boden war überhaupt noch nicht da –, die in diesem flüssigen Eiweiß, aus dem sie ihre eigene Substanz herausbildeten, mit der sie sich durchdrangen, die in diesem flüssigen Eiweiß drinnen schwammen, aber nicht nur schwammen, sondern die Sache war so, daß sie aufglänzten, möchte ich sagen, aufleuchteten, dann wieder vergingen, wieder da waren, wieder vergingen. Sie waren wandelbar bis zu dem Grade, daß sie entstanden und verschwanden. [5] Man würde überall sehen: da taucht auf ein Pflanzenbild, ein mächtiges Pflanzenbild, unseren Algen oder auch Palmen ähnlich, aber es schießt in der Frühlingszeit heraus – die Frühlingszeit ist viel kürzer – und dann erlangt es seine Mächtigkeit, dann verschwindet es wiederum im flüssig-eiweißähnlichen Elemente. Diesen Anblick des immer Ergrünenden und immer wieder Vergrünenden würde ein solcher Beobachter haben. Und er würde nicht sprechen von den Pflanzen, die die Erde bedecken, sondern er würde sprechen von den Pflanzen, die wie Luftwolken aus dem Kosmos herein erscheinen, dicht werden, sich auflösen – ein Ergrünendes in der Eiweiß-Atmosphäre. Man würde aber zu dem Grün mehr hinaufschauen als hinunterschauen. So daß man auf diese Art die Vorstellung bekommt, wie das Kieselige der Erdatmosphäre hereinzieht in das Irdische und die Pflanzenkraft, die eigentlich draußen im Kosmos ist, an sich heranzieht; wie die Pflanzenwelt aus dem Kosmos auf die Erde herunterkommt; man muß allerdings sagen: Diese Pflanzenwelt, sie ist ein in der Atmosphäre Entstehendes und Vergehendes. [6]

So wirkten also dazumal die kosmischen Kräfte auf dieses flüssige Eiweiß in der Erdenumgebung. Und diese kosmischen Kräfte wirkten auf manche Partien dieses Eiweißes so, daß sie es wie gerinnen machten. Aber das waren nicht beliebige Wolken dieses kosmisch geronnene Eiweiß, sondern das war Lebendiges in bestimmten Formen. Es waren eigentlich Tiere, die aus diesem geronnenen Eiweiß bestanden, das sich bis zur Dichtigkeit von Gallerte, ja bis zu der Dichtigkeit unserer heutigen Knorpelmasse herausbildeten. Solche Gallert-Tiere, die waren in dieser flüssigen Eiweiß-Atmosphäre. Sie hatten die Gestalt, welche im kleinen vorhanden ist bei unseren Reptilien, bei unseren Eidechsen und dergleichen; aber sie waren eben nicht von einer solchen Dichtigkeit, sondern sie waren in dieser gallertartigen Masse vorhanden, und sie waren in sich beweglich. Bald hatten sie lange Gliedmaßen, bald waren die Gliedmaßen wieder in sich zusammengezogen; kurz, alles an ihnen war so, wie es an der Schnecke ist, die ihre Fühler einziehen kann. Während dieses da draußen sich bildete, war aber in der Erde schon außer dem Kieseligen aus dem Weltenall abgesetzt dasjenige, was Sie heute als Kalkbestandteile der Erde finden. Das Kalkgestein ist auch aus dem Kosmos geradeso wie das Kieselige an die Erde herangekommen. Im Wesentlichen bewirkt dieses Kalkige, daß die Erde in ihrem Kern immer dichter und dichter wird. Aber dieses Kalkige, das behält die kosmischen Kräfte. Der Kalk ist noch etwas ganz anderes als die grobe Materie, als die ihn die heutigen Chemiker vorstellen. Der Kalk enthält überall verhältnismäßig nicht herauskommende Gestaltungskräfte. [7]

Wenn wir in eine etwas spätere Zeit gehen, als diejenige ist, die ich Ihnen da für das Hereinkommen des Ergrünens und Vergrünens beschrieben habe, da finden wir, daß diese ganze Eiweiß-Atmosphäre eigentlich ein fortwährendes Hinauf- und Hinabgehen des Kalkes ist. Es bildet sich Kalkdunst und wiederum Kalkregen. Und da entsteht das Eigentümliche: dieser Kalk, der hat eine besondere Anziehungskraft zu diesem Gallert, zu diesen Knorpelmassen. Die durchdringt er, die imprägniert er mit sich selber. Und durch die Erdenkräfte, die in ihm sind, löst er die ganze Gallertmasse auf, die sich da als geronnenes Eiweiß gebildet hat. Der Kalk nimmt dem Himmel das, was der Himmel in der Eiweiß-Substanz gebildet hat, weg und trägt es näher an die Erde heran. Und daraus entstehen dann allmählich die Tiere, die kalkhaltige Knochen haben. Das ist etwas, was in der späteren lemurischen Zeit sich ausbildet. So daß wir in den Pflanzen zuerst in ihrer ältesten Gestalt zu sehen haben reine Himmelsgaben, und in den Tieren und in aller tierischen Bildung etwas zu sehen haben, was die Erde, nachdem ihr der Himmel den Kalk gegeben hat, dem Himmel abgenommen hat und zu einem Erdengebilde gemacht hat. [8]

Während das geschehen ist, was ich Ihnen da beschrieben habe, ist die ganze Atmosphäre ja noch angefüllt mit fein verteiltem Schwefel. Und aus dem Verbinden des fein verteilten Schwefels mit anderen Substanzen entstehen dann, was in den Erzen vorhanden ist.

Das alles, was ich Ihnen hier beschrieben habe, war notwendig, das mußte der Mensch abscheiden, wie er heute den Schweiß oder anderes abscheiden muß. Das mußte der Mensch abscheiden, damit er nicht mehr ein Wesen war, in dem bloß die Götter wollten, sondern damit er ein Wesen werden konnte mit eigenem Wollen, daß er ein eigenes, wenn auch noch nicht freies Wollen haben konnte. Das alles war also zur Vorbereitung der irdischen Natur des Menschen notwendig. Als dann die Erze abgesondert in der Erde da waren, da verwandelte sich auch die ganze Atmosphäre. Sie wurde eine andere, sie wurde weit weniger schwefelhaltig. Der Sauerstoff bekam allmählich die Oberhand über den Schwefel, während in den alten Zeiten der Schwefel eine sehr starke Bedeutung hatte für die Erden-Atmosphäre.

In dieser erneuerten Umgebung konnte der Mensch anderes wiederum aus sich heraussetzen, anderes absondern. Was er jetzt absonderte, erscheint wie die Nachkommen der früheren Pflanzen und der früheren Tiere. Jetzt allmählich bildeten sich die späteren Pflanzenformen aus, die eine Art Wurzel faßten, aber in noch durchaus weicher Erdensubstanz. Und es bildete sich heraus aus dem, was eidechsenähnliche Tiere waren (siehe: Lemuria), komplizierte Tiere, solche Tiere, welche die heutige Geologie in Abdrücken und dergleichen noch findet. [9]

Zitate:

[1]  GA 129, Seite 167   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[2]  GA 110, Seite 137f   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[3]  GA 138, Seite 102   (Ausgabe 1986, 168 Seiten)
[4]  GA 232, Seite 73ff   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)
[5]  GA 232, Seite 75f   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)
[6]  GA 232, Seite 77f   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)
[7]  GA 232, Seite 79f   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)
[8]  GA 232, Seite 80   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)
[9]  GA 232, Seite 82f   (Ausgabe 1974, 222 Seiten)

Quellen:

GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 129:  Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen (1911)
GA 138:  Von der Initiation. Von Ewigkeit und Augenblick. Von Geisteslicht und Lebensdunkel (1912)
GA 232:  Mysteriengestaltungen (1923)