Kriegsursachen

Wer tiefer in die Seelen der Menschen hineinsieht, der weiß, daß zwei getrennte, ganz verschiedene Wege dasjenige hervorrufen, was zum Kriege führt. Das eine ist das, was wir Urteilskraft und Verstand, was wir Idealismus nennen, das andere ist die Begierde, die menschlichen Neigungen, die menschlichen Sympathien und Antipathien. Manches wäre anders in der Welt, wenn es ohne weiteres möglich wäre, die Begierden, Wünsche und Leidenschaften nach den Grundsätzen des Herzens und Verstandes zu regeln. Das ist nämlich nicht möglich, sondern das Umgekehrte ist bis jetzt in der Menschheit immer dagewesen. Was die Leidenschaft will, was die Begierde verlangt, dazu schafft der Verstand, dazu schafft selbst das Herz eine Maske mit seinem Idealismus. Und wenn Sie die Geschichte der menschlichen Entwickelung verfolgen, dann können Sie immer und immer wieder die Frage stellen, wenn Sie da oder dort Grundsätze, da oder dort Idealismus aufleuchten sehen: Welche Begierden und Leidenschaften lauern im Hintergrunde? [1]

Eine wirkliche Friedensgesellschaft ist eine solche, die nach Geist-Erkenntnis strebt, und die wirkliche Friedensbewegung ist die geisteswissen-schaftliche Strömung. Wir kämpfen nicht, wir bekämpfen auch nicht den Krieg oder etwas anderes, weil der Kampf überhaupt nicht zur höheren Entwickelung führt. Aus dem Kampf heraus hat sich jede Tierart als eine besondere Rasse entwickelt. Überlassen Sie allen Kampf um uns herum den Bissigen, die noch nicht reif genug sind, das aufzusuchen, was die gemeinschaftliche Seele im Menschengeschlecht im spirituellen Leben aufsucht.

Nicht die gegenwärtigen Menschen mit ihren Grundsätzen, sondern die Zukunftsmenschen, welche immer mehr und mehr das Bewußtsein für die Einheitsseele (siehe: Gruppenseele künftige) entwickeln, die werden es sein, die den Grund zu einem neuen Geschlecht, zu einer neuen Rasse legen, die in gegenseitiger Hilfe ganz aufgeht. [2]

Zitate:

[1]  GA 54, Seite 39f   (Ausgabe 1966, 540 Seiten)
[2]  GA 54, Seite 53   (Ausgabe 1966, 540 Seiten)

Quellen:

GA 54:  Die Welträtsel und die Anthroposophie (1905/1906)