Kindheit

In dem, was der Mensch durch die Geburt ins Dasein hereinbringt, liegt etwas, das viel besser ist als dasjenige, was in späterem Leben der Mensch daraus machen kann. Die luziferischen und die ahrimanischen Kräfte haben in den ersten Kindheitsjahren nur geringen Einfluß auf das Menschenwesen; sie sind im wesentlichen in all dem nur wirksam, was der Mensch durch sein bewußtes Leben aus sich macht. [1] Was wir uns während der alten lemurischen Zeit erst nach und nach angeeignet haben, das Aufrechtgehen-Lernen, das Aufrechtstehen-Lernen, das wiederholen wir, bevor unser Ich bewußt erwacht, jetzt im kindlichen Alter. [2]

Das Ich ist der wichtigste spirituelle Faktor bei der Bildung der drei Hüllen des Kindes, des Astralleibes, Ätherleibes und physischen Leibes. Die physische Hülle des Gehirns wird fortwährend umgebildet. Da haben wir fortwährend das Ich an der Arbeit. Es kann nicht bewußt werden, weil es eine ganz andere Aufgabe hat: es muß erst das Werkzeug des Bewußtseins formen. Dasselbe, was uns später bewußt wird, arbeitet erst an unserem physischen Gehirn in den ersten Lebensjahren. Erst arbeitet es an uns, dann in uns.

Diese Kraft hat das Ich aus dem Grunde, weil in das Ich in den ersten drei Lebensjahren die Kräfte der nächsthöheren Hierarchie, der Angeloi einströmen. (Eine solche) Wesenheit arbeitet in dem Ich und durch das Ich an dem Menschen, ihn plastisch ausgestaltend. Es ist, wie wenn der Mensch den ganzen Strom des spirituellen Lebens hätte, als ob er zu den höheren Hierarchien hinaufflösse und da die Kräfte der höheren Hierarchien auf ihn hereinströmten. Und in dem Augenblick, wo er lernt Ich zu sagen, ist es so, als ob etwas von der Kraft abgetrennt würde, wie wenn er dazu berufen würde, etwas zu tun von dem, was der Angelos vorher tat. [3]

Und wenn tatsächlich derjenige, der selber in die geistigen Welten hineinschauen kann, das Kind vor sich hat mit dem Strom, der in die geistige Welt hinaufgeht, dann ist das so – verzeihen Sie den trivialen Ausdruck –, dann hat derjenige, der in die geistigen Welten hineinzusehen vermag, in dem Kinde etwas wie einen Telefonanschluß in die geistigen Welten. Durch das Kind spricht die geistige Welt. Die Menschen wissen es nur nicht. Der Weiseste kann am meisten von dem Kinde lernen. Das Kind spricht nicht, sondern der Angelos aus dem Kinde. Wir könnten geradezu das Kindes-Ich als das unterste Glied des Angelos aufzählen. Daher sind auch in diesen ersten Lebensjahren am Menschen am intensivsten bemerkbar diejenigen Kräfte, die er aus seinen früheren Inkarnationen mitbringt.

Heute hat der Mensch eben nicht mehr jenen Leib, jenen Ätherleib und seine Beziehungen zum physischen Leib, wie sie bei den heiligen Rishis vorhanden waren. Da blieb das ganze Leben hindurch jenes Vererbungsverhältnis für den Ätherleib und Astralleib, welches möglich machte, daß dieses Ich plastisch arbeiten konnte an der äußeren Hülle des Menschen. Heute erben wir schon mit der Geburt einen so dichten und anspruchsvollen physischen Leib, daß nur ein geringer Teil der Arbeit von dem Ich geleistet werden kann, der früher geleistet worden ist. Unser physischer Leib ist nicht mehr geeignet für das, was wir in den ersten drei Jahren sind. [4]

Zitate:

[1]  GA 15, Seite 18   (Ausgabe 1960, 90 Seiten)
[2]  GA 152, Seite 105   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[3]  GA 127, Seite 62f   (Ausgabe 1975, 256 Seiten)
[4]  GA 127, Seite 64f   (Ausgabe 1975, 256 Seiten)

Quellen:

GA 15:  Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit. Geisteswissenschaftliche Ergebnisse über die Menschheits-Entwickelung (1911)
GA 127:  Die Mission der neuen Geistesoffenbarung. Das Christus-Ereignis als Mittelpunktsgeschehen der Erdenevolution (1911)
GA 152:  Vorstufen zum Mysterium von Golgatha (1913/1914)