Ideen

Man muß sich der Idee erlebend gegenüberstellen können; sonst gerät man unter ihre Knechtschaft. [1] In Gedanken, in der Idee kann man sehr vieles erfassen. Aber die Idee hat keine Wirklichkeit. Die Idee ist nichts anderes als das, was auf den physischen Plan von den höheren Planen heruntergeholt wird. Was der Mensch darüber denkt, ist aber das Wirkungsloseste dabei, weil dieses nur auf dem physischen Plane vorhanden ist. Anders ist es, wenn dieser Idee etwas entgegengebracht wird, das auch aus den höheren Sphären stammt. Nehmen Sie zum Beispiel die Lehre der Sphärenmusik des Pythagoras, wie er sie seinen Schülern beigebracht hat. Die Philosophen suchen die okkulte Musik des Pythagoras als ein ganz einfaches System darzustellen. Der Verstand kann das schnell auffassen. Aber ihm kam es darauf an, daß der Schüler erst dann dazu kam, wenn sein Gemüt, seine Stimmung dafür vorbereitet waren. So ist es auch unmöglich, demjenigen, der keinen Sinn hat für Bilder, die dem Astralischen entstammen, das Bild der Sixtinischen Madonna von Raffael in seinem tieferen Sinne erklären zu wollen. Das Gefühl, das Gemüt muß sich an ihm hinaufranken. Dasjenige, was sonst in der Idee kalt läßt, erscheint ihm hier im Bild künstlerisch lebensvoll als der göttliche Weltgedanke, als dasjenige, wonach die göttlichen Kräfte die Welt geschaffen haben, und eine einfache Linie wird zu etwas Heiligem! Dadurch daß die Gedanken sich um das Element des Göttlichen herumschlingen, wird der Gedanke entgegengebracht göttlicher Einwirkung. [2]

Zitate:

[1]  GA 4, Seite 271   (Ausgabe 1973, 278 Seiten)
[2]  GA 93, Seite 204   (Ausgabe 1979, 370 Seiten)

Quellen:

GA 4:  Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung – Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode (1894)
GA 93:  Die Tempellegende und die Goldene Legende. als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen (1904/1906)