Feuer

Das Feuer ist die wichtigste, die bedeutsamste Naturerscheinung, die den Menschen auf der Erde umgibt. Bei allen Erklärungen dessen, was auf der Erde vorgeht, wurde in den Mittelpunkt gestellt die geistige Forschung über das Feuer. [1]

Die Geisteswissenschaft sieht in der Wärme oder in dem Feuer nichts anderes als etwas, was eine noch feinere Substantialität hat als die Luft. Gerade wie Erde oder das Feste sich in das Flüssige verwandelt, so geht das Luftförmige allmählich über für die Geisteswissenschaft in den Feuerzustand, und das Feuer ist ein so feines Element, daß es alle übrigen Elemente durchdringt. Wärme ist das erste Element, das auch innerlich wahrgenommen werden kann. Wärme oder Feuer hat also zwei Seiten: eine Außenseite, die sich uns zeigt, wenn wir sie äußerlich wahrnehmen, eine innerliche Seite, wenn wir uns selbst in einem bestimmten Wärmezustand fühlen. Daher sagt die alte Geisteswissenschaft und mit ihr die neue Geisteswissenschaft: Die Wärme oder das Feuer ist dasjenige, wo das Materielle beginnt seelisch zu werden. Wir können daher im wahren Sinne des Wortes sprechen von einem äußeren Feuer, das wir gleich den anderen Elementen wahrnehmen, und einem innerlichen, seelischen Feuer in uns. [2]

Wenn etwas brennt, so sehen wir auf der einen Seite entstehen das Licht. Das erste äußerlich Unwahrnehmbare, dasjenige, was in die geistige Welt hineinwirkt, was nicht mehr bloß äußerlich materiell ist sozusagen, gibt die Wärme, wenn sie so stark ist, daß sie eine Lichtquelle wird. Sie gibt etwas ab, aber sie muß das bezahlen durch den Rauch. Sie muß aus dem, was vorher durchsichtig durchleuchtet war, sich herausbilden lassen das Undurchsichtige, das Rauchige. Und so sehen wir, wie in der Tat die Wärme oder das Feuer sich differenziert, sich teilt. Dafür, daß sie etwas hinaufsendet als Licht in die übersinnliche Welt, dafür muß sie etwas hinuntersenden in die materielle Welt, in die Welt des Undurchsichtigen, aber Sichtbaren. Nichts entsteht einseitig in der Welt. Alles, was entsteht, hat zwei Seiten: wenn durch die Wärme Licht entsteht, so entsteht auf der anderen Seite Trübung, finstere Materie. Das ist uralte geisteswissenschaftliche Lehre. Wenn diese Wärme nun so stark wird, daß Leuchten entsteht und Rauch sich bildet, dann muß etwas von dem Geistigen, das in der Wärme war, in den Rauch hinein, und das ist jetzt in dem Rauch, in dem, was als Trübung erscheint, verzaubert. Geistige Wesenheiten, die mit der Wärme sind, müssen sich sozusagen herbeilassen, in das Dichtwerdende, in das Rauchigwerdende sich hineinverzaubern zu lassen. Und so ist denn mit allem, was sozusagen wie eine Trübung, wie eine Materialisierung herausfällt aus der Wärme, eine Verzauberung geistiger Wesen verbunden. Die Luft selber ist nichts anderes als verdichtete Wärme. Geistige Wesenheiten, die man nun auch Elementarwesen nennt, sind verzaubert in aller Luft, und sie werden noch weiter verzaubert, sozusagen zu einem noch niedrigeren Dasein verbannt, wenn die Luft in Wasser übergeführt wird. Daher sieht die Geisteswissenschaft überhaupt in dem, was äußerlich wahrnehmbar ist, etwas, was aus einem Urzustande des Feuers oder der Wärme hervorgegangen ist. Mit dieser Verdichtung ist immer eine Verzauberung von geistigen Wesenheiten verbunden. [3] Die geistig-göttlichen Wesenheiten, die um uns herum sind, schicken ihre Elementargeister, die im Feuer leben, hinunter, sie sperren sie ein in Luft, Wasser und Erde. [4] In demselben Maße, in dem der Mensch die Dinge der Außenwelt in seinem Geist zu verarbeiten sucht durch Ideen, Begriffe, Gefühle der Schönheit und so weiter, in demselben Maße erlöst und befreit er diese geistigen Elementarwesen. Während früher sozusagen aus dem Feuer Rauch gebildet worden ist, bildet der Mensch (durch die Befreiung der Elementarwesen) wiederum aus dem Rauch geistig das Feuer; er entläßt nur dieses Feuer erst nach seinem Tode. [5]

Wenn wir ein Streichholz anzünden, irgend etwas abbrennen, dann verursacht das in einem Seelenwesen, das in diesem Verbrennungsprozeß wirkt, ganze innere Ströme von Wollust. [6] Überall wo Feuer ist, ist wirkender Wille. [7] Das physische Feuer ist nur der äußere Ausdruck eines inneren, für dasjenige, was die Geheimlehre als die Seele des Feuers kennt. Das lebt auch im Menschen in gewisser Weise als seine Triebe, Begierden und Leidenschaften. Nur hat sich bei der weiteren Entwickelung (siehe: Lemuria) dasjenige, was im Menschen lebt als Triebe, Begierden und Leidenschaften, abgetrennt. Es ist nicht mehr mit dem äußeren Feuer in Verknüpfung, aber die Geheimlehre weist darauf hin. Sie zeigt, wie Leidenschaften und Begierden in ähnlicher Weise mit dem Feuer zusammenhängen wie der positive und der negative Pol eines Magneten: die Leidenschaften sind der eine Pol und das physische Feuer der andere, sie gehören aber zusammen. [8] Wo ist nun das Feuer hingekommen, das auf der Erde geglüht hat? Wo ist es? – In Ihrem Blute. Alle Wärme, welche seit jeher in den Menschen und Tieren war und ist, das ist die Feuerglut der Erde. Und wenn Sie imstande sein werden, Ihr Blut wieder umzugestalten, daß es leuchtet – das wird dann der Fall sein, wenn des Menschen Kehlkopf umgestaltet ist zum heiligen Gral –, dann wird der Mensch wieder leuchtende Massen hinaussenden. [9] Wir können (in der Geistesschulung) auch den Übergang finden zu dem Wärme-oder Feuerelemente; aber das ist eigentlich nur möglich in einem Momente, der sich praktisch für den Menschen ergibt, wenn er die Fähigkeit erlangt hat, nicht nur bewußt aus seinem Leibe herauszugehen, sondern mit diesem Bewußtsein in die anderen Wesen unterzutauchen. Das ist ein Unterschied. Man kann lange die Fähigkeit haben, aus seinem Leibe herauszugehen, wenn noch etwas Egoismus zurückgeblieben ist gegenüber der Welt, dann kann man noch nicht in diese äußere Welt wirklich untertauchen, man kann sich ihr nicht hingeben. Kommen solche Elemente einer wirklichen übersinnlichen Liebe hinzu, eines Untertauchens in diejenige Welt, in der man lebt zwischen dem Einschlafen und Aufwachen, dann erst lernt man eigentlich praktisch das Element der Wärme oder des Feuers kennen. Und dann lernt man im Grunde genommen erst kennen das wahre Wesen des Menschen, wie er als ewiger Mensch ist, den lernt man nur kennen innerhalb des Elementes der Wärme. [10] (Denn) wir kommen endlich zu dem universellen Außerräumlichen, zu dem, was auch die Zeit noch überwindet, wenn wir in das Feuerelement hineinkommen, in das Wärmeelement. Da aber lernen wir erst den ganzen in sich abgeschlossenen Menschen kennen. [11]

Erhebt man sich dann herauf zum Elemente des Feuers, dann hat man nicht bloß das Seelische, sondern das Geistige, das uns mit dem Ich durchdringt, dann hat man auch das, was mit dem Elemente des Blutes seinen physischen Ausdruck gewinnt. Wie man das Verhältnis der Menschenseele zur Weltenseele durch das Luftelement wahrnimmt, so durch das Wärme- oder Feuerelement das Verhältnis des Menschengeistes, des Menschen-Ich zu dem Weltengeiste. [12] (Siehe auch: Agni).

Zitate:

[1]  GA 110, Seite 30   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[2]  GA 110, Seite 31f   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[3]  GA 110, Seite 34ff   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[4]  GA 110, Seite 36   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[5]  GA 110, Seite 38f   (Ausgabe 1981, 198 Seiten)
[6]  GA 98, Seite 182   (Ausgabe 1983, 272 Seiten)
[7]  GA 316, Seite 83   (Ausgabe 1980, 246 Seiten)
[8]  GA 54, Seite 380   (Ausgabe 1966, 540 Seiten)
[9]  GA 98, Seite 26   (Ausgabe 1983, 272 Seiten)
[10]  GA 205, Seite 77   (Ausgabe 1967, 247 Seiten)
[11]  GA 205, Seite 78   (Ausgabe 1967, 247 Seiten)
[12]  GA 205, Seite 40   (Ausgabe 1967, 247 Seiten)

Quellen:

GA 54:  Die Welträtsel und die Anthroposophie (1905/1906)
GA 98:  Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt (1907/1908)
GA 110:  Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos (1909)
GA 205:  Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil:. Der Mensch als leiblich-seelische Wesenheit in seinem Verhältnis zur Welt (1921)
GA 316:  Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst (1924)