Elektrizität

Über die Elektrizität bestehen ja nur Hypothesen in der heutigen Wissenschaft. [1] Man studiert die Materie konkret, wenn man Elektrizität und Magnetismus studiert. [2] Man kommt darauf, daß das physikalische Atom sich so verhält zur Kraft der Elektrizität, wie sich ein Klumpen Eis verhält zum Wasser, aus dem es gefroren ist. Das physikalische Atom ist kondensierte Elektrizität. Das Wesen der Elektrizität kann nicht gefunden werden durch irgendwelche äußere Experimente oder durch äußere Anschauung. Das Geheimnis, welches gefunden werden wird, ist, daß Elektrizität genau dasselbe ist – wenn man auf einem gewissen Plan zu beobachten versteht –, was der menschliche Gedanke ist, das eine Mal von innen, das andere Mal von außen betrachtet.

Wer nun weiß, was Elektrizität ist, der weiß, daß etwas in ihm lebt, das in gefrorenem Zustande das Atom bildet. Hier haben Sie die Brücke vom menschlichen Gedanken zum Atom. Man wird die Bausteine der physischen Welt kennenlernen, es sind kleine kondensierte Monaden, kondensierte Elektrizität. In dem Augenblicke, wo die Menschen diese elementarste okkulte Wahrheit von Gedanke, Elektrizität und Atom erkannt haben werden, in dem Augenblick werden sie etwas erkennen, was das Wichtigste sein wird für die Zukunft und für die ganze sechste Unterrasse. Sie werden mit den Atomen bauen können durch die Kraft des Gedankens. Dies wird die geistige Strömung sein, die wieder hineingegossen werden muß in die Formen, die seit Jahrtausenden von den Okkultisten geschaffen worden sind. [3]

Der Geistesforscher findet, daß elektrische Erscheinungen nichts weiter sind als die Ergebnisse der Handlungen gewisser Wesen, welche in höheren Welten ihr Dasein haben. [4] Für ihn sind die Naturkräfte nichts Wirkliches, sondern sie sind die Maya, sie sind die Ausprägung der Naturgeister, die hinter der Sinneswelt wirken. Licht, Wärme, Magnetismus, Elektrizität, Anziehungskraft, Abstoßungskraft, Schwere und so weiter, das sind diejenigen Wahrnehmungen in der Welt der Maya, denen in Wirklichkeit die Welt der Naturgeister zugrunde liegt, der Ätherleib der Erde. [5] Was wir als Elektrizität kennen, das ist Licht, das sich selber zerstört innerhalb der Materie. [6] Wenn man das Licht ins Untermaterielle stößt, also um eine Stufe tiefer als die materielle Welt, also die untere astralische Welt (siehe: Astralplan), das Gebiet des Luzifer, entsteht die Elektrizität. Das Licht ist da in der schwersten Weise zusammengepreßt. [7]

Aus jenen Zeiten, in denen nach der alten Saturnzeit, zur Sonnenzeit, Sonne und Erde eines waren, da ist der Grund zu dem gelegt worden, daß wir auf der Erde Elektrizität haben. Wir haben mit der Elektrizität eine mit der Erde altverbundene Kraft, die Sonnenkraft ist, in der Erde verborgene Sonnenkraft. [8] Ahrimanisch gewordenes aus uralten Zeiten stammendes Licht. [9]

Nur dann, wenn man aufsteigt zur Intuition, die im Willen ihre Grundlage hat, kommt man in die Region auch für die Außenwelt hinein, in welcher die Elektrizität lebt und webt. [10]

Der größte Gegensatz zur Elektrizität ist das Licht. Und es ist ein Vermischen des Guten und des Bösen, wenn man das Licht als Elektrizität ansieht. Man hat eben die wirkliche Anschauung des Bösen in der Naturordnung verloren, wenn man sich nicht bewußt ist, daß man eigentlich die Atome, indem man sie elektrifiziert, zu den Trägern des Bösen macht. Zu den Trägern des Toten macht man sie, indem man sie überhaupt Atome sein läßt, indem man die Materie atomistisch vorstellt. In dem Augenblicke, wo man diesen Teil der Materie elektrifiziert, in demselben Augenblicke stellt man sich die Natur als das Böse vor. Denn elektrische Atome sind böse, kleine Dämonen. Damit ist gesagt, daß die moderne Naturerklärung auf dem Wege ist, sich mit dem Bösen richtig zu verbinden, es wird das Böse zu dem Weltengotte erklärt. Würde man nicht nach althergebrachten Begriffen verfahren, sondern nach der Wirklichkeit, dann würde man eben darauf kommen, daß – ebenso wie die moralischen Impulse, Naturleben haben, wodurch sie sich realisieren als eine spätere sinnlich wirkliche Welt – auch das Elektrische in der Natur Moralität hat, es hatte in der Vergangenheit Moralwirklichkeit. Und wenn wir es heute anschauen, sehen wir die Bilder einer einstigen Moralwirklichkeit, die aber umgeschlagen sind in das Böse. [11]

Was da unter der Erde als elektrisches Wesen waltet, das ist zurückgebliebener Mondenimpuls. Er gehört eigentlich gar nicht zur Erde, das ist zurückgebliebener Mondenimpuls und wurde von den Griechen so angesprochen. Die Griechen kannten nämlich noch die Verwandtschaft dieser über die ganze Erde verteilten Kraft mit den Kräften der Fortpflanzung – diese Verwandtschaft gibt es nämlich –, mit den Kräften des Wachsens, Gedeihens. Das war eine der Mütter (aus Goethes Faust zweiter Teil). In den griechischen Mysterien wurde allerdings diese Kraft vor allen Dingen an die Einzuweihenden kundgegeben, diese Kraft neben den anderen beiden Müttern. Die Griechen haben alles, was mit der Elektrizität zusammenhängt, mysterienhaft im Geheimen gehalten. Darinnen wird ja die Dekadenz liegen der Erdenzukunft, daß diese Kräfte nicht mehr heilig, nicht mehr mysterienhaft gehalten werden, sondern herauskommen. Eine ist ja während der fünften nachatlantischen Zeit herausgekommen: die Elektrizität. Die anderen werden im sechsten und siebenten Zeitraum herauskommen bei der Dekadenz. [12] (Zu dieser Problematik: Atlantische Katastrophe).

Nachdem die Menschheit den Zeitpunkt in der lemurischen Zeit durchgemacht hatte, wo sie sich selbst jene Kräfte in ihr Inneres eingepflanzt erhalten hat die Kräfte, die heute durch den Draht gehen, und die auf unsichtbare Weise im Menschen wirken. Nachdem dieses Zeitalter vorübergegangen war, lebte gewissermaßen die Elektrizität im Inneren des Menschen. Nun geht die Entwickelung nicht so vorwärts, wie man es so leichthin zeichnet, so mit einem einfachen Strich. Man glaubt nur die Zeit geht so vorwärts, daß sie ins Unendliche verfließt. Das ist aber eine ganz abstrakte Vorstellung. In Wahrheit geht die Zeit so, daß sie sich weiterbewegt, daß die Entwickelung wieder umgekehrt wird und zurückläuft. Nicht nur im Raume gehen die Bewegungen in der Lemniskate vor sich, sondern auch in der Zeit.

Lemniskate Da (*) war die Menschheit während der lemurischen Zeit, als sie sich eingepflanzt hat in sich selber das elektrische Kraftprinzip. Diesen Weg ist sie gegangen in der atlantischen Zeit, und kam mit Bezug auf gewisse Kräfte in der nachatlantischen Zeit an um die Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts an den Punkt, genau an den Punkt in der Weltentwickelung, wo sie war in der alten lemurischen Zeit, als sie sich selber vom Kosmos herein das Elektrizitätsprinzip eingepflanzt hatte. Und das ist der Grund, daß Galvani dazumal die Elektrizität fand! Und die ganze Menschheit erinnerte sich dazumal des Hereinbrechens der Elektrizität in den Menschen, und daher imprägnierte durch diese Erinnerung die Menschheit die Kultur mit dem elektrischen Prinzip. Das, was als Seele und Geist im Menschen lebt, das fand das wiederum, was einmal durchlebt war. Solche Wahrheiten werden der Menschheit wiederum klar werden müssen, denn mit diesen Wahrheiten allein wird man die Dekadenz der Zukunft vermeiden. [13]

Die Elektrizität, die nach ihrer Entdeckung als die Seele des natürlichen Daseins gepriesen wurde, sie muß erkannt werden in ihrer Kraft, von der Natur in die Unternatur hinabzuleiten. Es darf der Mensch nur nicht mitgleiten. [14]

Mit der Elektrizität betritt man ein Gebiet, das sich dem imaginativen Anschauen (siehe: Imagination) anders darstellt als andere Naturgebiete. Wer jemals mit wirklicher geistiger Anschauung den elektrischen Strom bewußt durch sein Nervensystem gehen gefühlt hat, der weiß, daß Elektrizität nicht bloß eine Naturströmung ist, sondern daß Elektrizität in der Natur zu gleicher Zeit ein Moralisches ist, und daß in dem Augenblicke, wo wir das Gebiet des Elektrischen betreten, wir uns zugleich in das Moralische hineinbegeben. Sie können die Eigenelektrizität, die im Menschen liegt, in keinem anderen Gebiete suchen, als wo zugleich die moralischen Impulse herauskommen. In der Elektrizität sind allerdings schwimmend die moralischen Impulse, die Naturimpulse – aber das sind die unmoralischen, das sind die Instinkte des Bösen, die durch die obere Welt überwunden werden müssen. [15]

Indem wir zum eigentlich Massenhaften, zum Materiellen vorschreiten, nähern wir uns demjenigen, was verwandt ist mit den Kräften, die sich in uns entwickeln, wenn wir schlafen. Genau denselben Weg machen wir, wenn wir aus dem Gebiet des Lichtes, des Schalles, der Wärme hinuntersteigen in das Gebiet der elektrischen Erscheinungen. Wir betreten nämlich für die Aussenwelt, ich möchte sagen, denselben Orkus, indem wir schlafen, den wir betreten in uns selbst, wenn wir aus unserem vorstellenden bewußten Leben hinuntersteigen in unser Willensleben. Überall, wo Wille durch den Stoffwechsel wirkt, wirkt ein den äußeren elektrischen und magnetischen Erscheinungen Ähnliches. Und man steigt eigentlich in dasselbe Gebiet hinunter, in das man hinuntersteigen muß, wenn man überhaupt nur zur Masse kommt. Man studiert die Materie, wenn man die Elektrizität und Magnetismus studiert. [16] Dasjenige, was in Elektrizität und Magnetismus besteht, hat einen innigen Bezug zu dem Irdischen als solchen. Sie wissen ja, daß die Elektrizität sich selber fortleitet von einer Erdleitung (Erdung) zur anderen. Von einem Morsetelegraphen zu dem anderen ist immer nur eine Drahtverbindug, der (Strom)Kreis schließt sich unter der Erde, wir haben es da zu tun mit demjenigen elektrischen Felde, welches sich die Erde schon angeeignet hat. Im Grunde genommen ist dasjenige, was sich unter Elektrizität und Magnetismus verbirgt, außerirdisch und innerirdisch; aber die Sache ist so, daß sich die Erde nur das Elektrische aneignet, und elektrische Wirkungen, die eigentlich außerirdisch sind, in sich hat, daß aber zurückgehalten werden können die elektrischen und die magnetischen Wirkungen, ohne daß sie von der Erde angeeignet sind, im Umkreis der Erde. Das sind alle diejenigen elektrischen und magnetischen Wirkungen, die wir eben in unseren elektrischen und magnetischen Feldern haben.

Wenn wir Eisen magnetisieren, so bedeutet das der Erde gegenüber das, daß wir den Magneten zu einem kleinen Dieb machen. Wir übertragen ihm die Fähigkeit, dasjenige, was die Erde eigentlich aufnehmen will aus dem Weltenall, ihr, bevor sie es aufnehmen kann, abzustehlen und für sich zu behalten. Alle elektrische und magnetische Felderumgebung, die wir auf der Erde haben, ist eigentlich etwas, was wir der Erde für den Menschengebrauch gestohlen haben, womit wir die Natur selber zum Stehlen verleiten, wo wir das Außerirdische oben behalten, trotzdem die Erde mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung steht, es in sich bekommen möchte, Und deshalb müssen wir in elektrischen und magnetischen Feldern ganz besondere Bekämpfer unrhythmischer menschlicher Vorgänge suchen (als Therapie). [17]

Zitate:

[1]  GA 294, Seite 120   (Ausgabe 1966, 202 Seiten)
[2]  GA 320, Seite 161   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[3]  GA 93, Seite 112f   (Ausgabe 1979, 370 Seiten)
[4]  GA 34, Seite 384   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[5]  GA 136, Seite 45f   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[6]  GA 130, Seite 95   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[7]  GA 130, Seite 102f   (Ausgabe 1962, 354 Seiten)
[8]  GA 224, Seite 167   (Ausgabe 1966, 232 Seiten)
[9]  GA 224, Seite 169   (Ausgabe 1966, 232 Seiten)
[10]  GA 320, Seite 174   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[11]  GA 220, Seite 184f   (Ausgabe 1966, 214 Seiten)
[12]  GA 273, Seite 90f   (Ausgabe 1981, 286 Seiten)
[13]  GA 171, Seite 216ff   (Ausgabe 1964, 376 Seiten)
[14]  GA 26, Seite 258   (Ausgabe 1976, 270 Seiten)
[15]  GA 220, Seite 183   (Ausgabe 1966, 214 Seiten)
[16]  GA 320, Seite 161   (Ausgabe 1987, 204 Seiten)
[17]  GA 313, Seite 59   (Ausgabe 1984, 176 Seiten)

Quellen:

GA 26:  Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie – Das Michael-Mysterium (1924/1925)
GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)
GA 93:  Die Tempellegende und die Goldene Legende als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen (1904/1906)
GA 130:  Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit (1911/1912)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 171:  Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts (1916)
GA 220:  Lebendiges Naturerkennen. Intellektueller Sündenfall und spirituelle Sündenerhebung (1923)
GA 224:  Die menschliche Seele in ihrem Zusammenhang mit göttlich-geistigen Individualitäten.. Die Verinnerlichung der Jahresfeste (1923)
GA 273:  Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust» Band II: Das Faust-Problem. Die romantische und die klassische Walpurgisnacht (1916-1919)
GA 294:  Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches (1919)
GA 313:  Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie (1921)
GA 320:  Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I. Erster naturwissenschaftlicher Kurs: Licht, Farbe, Ton – Masse, Elektrizität, Magnetismus (1919/1920)