Verfolgungswahn

Manche Leute leiden an Verfolgungswahn dadurch, daß sie allerlei Gestalten sehen, die nicht da sind. In früheren Zeiten namentlich – und es war das eine ganz gute Kur – hat man ihnen dann zur Ader gelassen, namentlich hat man ihnen irgendwo Blutegel aufgesetzt, die ihnen das Blut abgezapft haben. Dann ist das Blut weniger tätig gewesen. Nicht gerade bei Säufern, aber bei anderen Wahnsinnsanfällen ist das Blut dann weniger tätig gewesen. Dann ist es ihnen besser gegangen. [1] Wenn der Mensch die antipathischen Gefühle ganz besonders stark ausbildet, so daß es auch in sein Wachleben hereinspielt, dann geschieht es, daß dieses antipathisierende Wesen seinen Astralleib ergreift. Alle Arten des Verfolgungswahnes treten durch diese Verhältnisse auf. [2]

Je weiter Sie vom physischen Plan durch die Astralwelt in die Devachanwelt aufsteigen, desto mehr stellt sich Ihnen alles dar als ein Spiegelbild des physischen Planes, das Sie erst lesen lernen müssen. Auch die Zeit geht rückwärts. Die Leidenschaften, die von dem Menschen ausströmen, sehen Sie wie in einem Tableau; sie strahlen vom Mittelpunkte aus. Die widergespiegelten Leidenschaften erscheinen, wie wenn lauter Tiere auf Sie einstürmten. Die niederen Leidenschaften sieht der Mensch als allerlei wildes Getier, als Mäuse, Ratten und so weiter um sich herum. Wenn der Schüler das nicht gelernt hat, und es geht ihm die erste Erfahrung davon auf, wenn er seine eigenen Leidenschaften als Mäuse und Ratten auf sich zustürmen sieht, dann können leicht pathologische Zustände wie Verfolgungswahn und so weiter auftreten. [3]

Das ist das Charakteristische der Wahnvorstellungen, der Illusionen, daß die von ihnen Befallenen zugleich einen überwältigenden Glauben an sie ausbilden. Es ist ja nichts schwieriger, als einem Menschen, der Illusionen hat – sie brauchen sich nicht einmal bis zum Grade der Halluzinationen zu gestalten, sondern nur gewöhnliche Wahnvorstellungen, paradoxe Ideen zu sein –, solche Vorstellungen auszureden. Wenn zum Beispiel ein Mensch beginnt, in krankhafter Weise die Idee in sich auszubilden, daß er von anderen Menschen verfolgt werde, so ist es ungeheuer schwierig, etwa durch bloße Überredung diese Idee von ihm wegzubringen, und es kommt vor, daß ein solcher die wunderbarsten logischen Gedankengebäude ausbildet, um zu beweisen, wie richtig das alles ist, was er als solche Wahnvorstellungen hat. [4] Wenn der Mensch die antipathischen Gefühle, das antipathische Wesen ganz besonders stark ausbildet, so daß es auch in sein Wachleben hereinspielt, dann geschieht es, daß er sich ganz mit Antipathie durchdringt und daß dann dieses antipathisierende Wesen seinen astralischen Leib ergreift. Dann wird sein astralischer Leib vom antipathisierenden Wesen durchströmt. Er strömt sie vor sich selber aus, ich möchte sagen, wie eine anormale Aura strömt er vor sich selber hin die Antipathie. Und da kann es ihm passieren, daß er Menschen, zu denen er sich sonst neutral verhält, ja sogar Menschen, die er sonst liebt, antipathisch empfindet, Menschen, mit denen er im Leben bekannt war, antipathisch empfindet. Alle Arten des Verfolgungswahnes treten durch diese Verhältnisse auf. [5] (Siehe auch: Antipathie).

Wer so etwas durchmacht, daß er zum Beispiel den Symptomen des Verfolgungswahnes in einer bestimmten Inkarnation verfällt, der wird, wenn er neuerdings wieder durch die Pforte des Todes tritt, alle die Tatsachen vor sich haben, welche er sich geleistet hat infolge seiner ahrimanischen Schädigung, und er wird sie in seiner ganzen Absurdität vor sich haben. Das wird für ihn wieder die Kraft sein, welche ihn für die nächste Inkarnation gründlich heilt. [6]

Zitate:

[1]  GA 348, Seite 214f   (Ausgabe 1983, 348 Seiten)
[2]  GA 208, Seite 163   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[3]  GA 101, Seite 224   (Ausgabe 1987, 288 Seiten)
[4]  GA 62, Seite 127f   (Ausgabe 1960, 499 Seiten)
[5]  GA 208, Seite 163   (Ausgabe 1981, 220 Seiten)
[6]  GA 120, Seite 156f   (Ausgabe 1975, 230 Seiten)

Quellen:

GA 62:  Ergebnisse der Geistesforschung (1912/1913)
GA 101:  Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole (1907)
GA 120:  Die Offenbarungen des Karma (1910)
GA 208:  Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil:. Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen (1921)
GA 348:  Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre (1922/1923)