Zeus

Zeus ist ein Wort, ein Name, der schwankend ist, wenn er gebraucht wird in älteren Zeiten. Man gebraucht ihn für geistige Individualitäten auf den verschiedensten Stufen der Entwickelung. Diejenigen aber, die im älteren Griechenland etwas gewußt haben von Einweihung, die haben in Zeus gesehen den ihnen erkennbaren Anführer der Sonnengeister. Zeus ist dasjenige, was lebt in den Wirkungen, die von der Sonne auf die Erde ausgeübt werden. So können wir das zweite Reich, das Reich der Sonnengeister als das Zeusreich von Pherekydes von Syros bezeichnet (finden). [1] – In der griechischen Zeit, also schon in das 8. bis 5. Jahrhundert vor dem Mysterium von Golgatha, da sah man nicht mehr die Geheimnisse der Sonne, da sah man nur noch dasjenige, was sich um die Erde herum als Wirkung der Sonne zeigte. Da sah man gewissermaßen nur die Wirkung der Sonne in dem Äther, der den Raum um die Erde herum erfüllt. Und das, was sich als Äther um die Erde herum ausbreitet, was auch den Menschen durchdringt, das bezeichneten die griechischen Initiierten – nicht das Volk, aber die griechischen Initiierten – als den Zeus. [2]

Für den alten Griechen war es ein geistiges Wesen, das herausgebar aus dem gesamten universellen Äther alle diese Erscheinungen, die Morgen- und Abendröte, den Regenbogen, den Glanz und Schein der Wolken, den Blitz und Donner. Und aus diesem Gefühl, das, wie gesagt, nicht intellektuelle Erkenntnis geworden ist, sondern elementarisches Gefühl war, da entstand die Anschauung: Das ist Zeus. – Und man bekommt keine Vorstellung und noch weniger eine Empfindung von dem, was die griechische Seele als Zeus empfand, wenn man sich nicht auf dem Wege unserer geisteswissenschaftlichen Anschauungsweise dieser Empfindung und diesem Gefühle nähert. Zeus war ein unmittelbar fest gestaltetes Wesen, aber man konnte es sich nicht vorstellen, wenn man nicht ein Gefühl hatte, daß die Kräfte, die in uns den Gedanken aufblitzen lassen, auch im äußeren Blitze wie im Regenbogen und so weiter wirken. Wenn wir uns von den Kräften unterrichten wollen, welche in uns so etwas hervorrufen wie den Gedanken, wie die Vorstellung, wie alles das, was da aufleuchtet und aufblitzt innerhalb unseres Bewußtseins: Alles das umfaßt, was wir den menschlichen Astralleib nennen. Gerade so wie der astralische Leib in unserem Mikrokosmos ausgebreitet ist, so sind die Raumesweiten, so ist der universelle Äther durchzogen vom makrokosmischen Gegenbilde unseres astralischen Leibes. Und wir können auch sagen: Das, was der alte Grieche unter Zeus sich vorstellte, ist das makrokosmische Gegenbild unseres astralischen Leibes. Der heutige Mensch hat nicht einmal mehr eine Wortbezeichnung für das, was der alte Grieche sich unter Zeus dachte. [3] In der alten griechischen Mythologie wird Zeus dargestellt mit mächtigen Frauenbrüsten, ähnlich der ephesischen Artemis. [4] Vor dem Mysterium von Golgatha war dasjenige, was als menschliche Täuschung bezeichnet werden kann, Lebenstäuschung; nach dem Mysterium von Golgatha ist es Bewußtseinstäuschung. Wenn man dies weiß, so versteht man, warum vor dem Mysterium von Golgatha die Menschen, die ja atavistisches Hellsehen hatten, das, was sie sahen, doch nicht in der wahren Gestalt sahen, sondern sie sahen die geistigen Wesenheiten der höheren Hierarchien als Dämonen. Man sah die Wesenheiten der dritten Hierarchie, dichtete sie nur um durch die Lebenstäuschung in Zeus, Apollo und so weiter. [5] Im Griechischen haben Sie eine hübsche Allegorie. Die drei Götter Uranos, Kronos und Zeus stellen symbolisch die drei Welten dar. Uranos stellt uns die himmlische Welt dar: Devachan; Kronos stellt uns das Astralische dar; Zeus das Physische. Von Kronos wird uns gesagt, daß er seine Kinder aufzehrte. Im Astralen wird also nicht geboren, sondern verzehrt. [6]

Zitate:

[1]  GA 113, Seite 81   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)
[2]  GA 211, Seite 181   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)
[3]  GA 129, Seite 60f   (Ausgabe 1960, 254 Seiten)
[4]  GA 93, Seite 344   (Ausgabe 1979, 370 Seiten)
[5]  GA 184, Seite 40f   (Ausgabe 1968, 334 Seiten)
[6]  GA 324a, Seite 35   (Ausgabe 1995, 1922 Seiten)

Quellen:

GA 93:  Die Tempellegende und die Goldene Legende. als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen (1904/1906)
GA 113:  Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi (1909)
GA 129:  Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen (1911)
GA 184:  Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit (1918)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)
GA 324a:  Die vierte Dimension. Mathematik und Wirklichkeit (1905-1922)