Bei Swedenborg liegt die Sache so, daß er durchaus eine wissenschaftliche Persönlichkeit auf der Höhe seiner Zeit war. Er hat bis zu seinem 40. Jahr Begriffsformulierungen ausgebildet, durch die er gemäß dem wissenschaftlichen Standpunkt seiner Zeit in echt naturwissenschaftlichem Sinne so vorgehen konnte, daß jetzt seine noch nicht gedruckten wissenschaftlichen Manuskripte durch eine Gelehrtengesellschaft als etwas höchst Wertvolles herausgegeben werden. Swedenborg war bis zu seinem 40. Jahre ein tonangebender, repräsentativer naturforschender Gelehrter seiner Zeit. Er war es aus dem Grund, weil in ihm synthetisierende Ideen gelebt haben, durch die er größere Zusammenhänge des Naturgeschehens konstatieren konnte. Dann wurde er in einer gewissen Weise krank, und in einen kranken Organismus hinein ergossen sich diejenigen Begriffsformationen, die er früher für das Naturerkennen ausgebildet hatte. Was gewisse mystische Naturen an Swedenborg verehren, das ist dessen vorherige wissenschaftliche Seelenverfassung in ihrer Erkrankungsmetamorphose. So wie Swedenborg kann gesundes geistiges Anschauen die geistigen Welten nicht sehen, nicht in diesen Personifikationen, in diesen ganz und gar aus der eigenen Konstitution hervorgeholten Bildern, die mit einigen Änderungen eigentlich dem irdischen Leben voll gleichen, wenn man diesem nur eine gewisse Schwere nimmt. Allerdings, dasjenige, was Swedenborg als Seher geleistet hat, kann immerhin dadurch auch von höchstem Interesse sein, weil sich in dies hinein etwas ergossen hat, was aus einer großen, umfassenden, wissenschaftlich denkenden Seele gekommen ist. Von demjenigen nun, was bei Swedenborg in dieser Art begrifflicher Synthese auftauchte, wurde Goethe im höchsten Sinne schon als junger Mann angeregt, und er bildete für seine Morphologie, für die charakteristisch-wissenschaftliche Durchdringung des Pflanzenwesens dasjenige gesund aus, was Swedenborg als krankhaftes Sehen ausgebildet hat. [1]
Swedenborg sah von einem Orte, der sechzig Meilen von Stockholm entfernt war, eine Feuersbrunst. Er teilte dies gleich der Gesellschaft mit, in der er sich befand, und einige Zeit nachher hörte man, daß sich der Brand so abgespielt hat, wie Swedenborg es erzählt hatte. Ein anderes Beispiel. Eine hochgestellte Persönlichkeit fragte nach einem Geheimnisse, welches ein Bruder vor dem Tode nicht ganz mitteilte, weil er vorher starb. Die Persönlichkeit wandte sich an Swedenborg mit dem Ansinnen, ob er ihn nicht auffinden und fragen könne, was er habe sagen wollen. Swedenborg entledigte sich des Auftrages so, daß die betreffende Persönlichkeit keinen Zweifel haben konnte, daß Swedenborg in dieses Geheimnis eingedrungen war. Noch ein drittes Beispiel, um zu zeigen, wie Swedenborg sich in der übersinnlichen Welt bewegte. Ein Gelehrter und Freund besuchte Swedenborg. Der Diener sagte zu ihm: Sie müssen aber etwas warten. Der Gelehrte setzte sich nieder und hörte im Nebengemach ein Gespräch. Er hörte aber immer nur Swedenborg sprechen; antworten hörte er nicht. Noch auffälliger wird ihm die Sache, als er in einem wunderbaren klassischen Latein das Gespräch sich entwickeln hörte, und besonders, als er ihn in intimer Weise über Zustände des Kaisers Augustus sich unterhalten hörte. Dann ging Swedenborg zur Tür, machte einen Bückling und sprach mit einem, von dem der Freund gar nichts sah. Er kam dann zurück und sagte zu dem Freund: Entschuldigen Sie, daß ich Sie habe warten lassen. Ich hatte hohen Besuch – Virgil war bei mir. [2] Swedenborg hat mit dem Akasha-Bild des Vergil gesprochen. [3]
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Dieses Erlebnis: ich werde wahrgenommen, mich schauen die Angeloi, die Archangeloi und so weiter an – das ist eine vollständige Umkehrung in dem ganzen Verhältnis zur Welt. Und man erlangt dann das Bewußtsein: du hast dein Wesen ausgedehnt über die Sphäre der Hierarchien und die Hierarchien wirken in dir und schauen dich an, so wie du auf dem physischen Plan die Gegenstände anschaust. Nun gibt es an der Schwelle, beim Übertritt in die geistige Welt, gewissermaßen eine Region, eine Strömung, in der man die ganze Konfiguration, die ganze Eigentümlichkeit des Verhältnisses zur physischen Welt beibehält. Man kommt nicht los von dem «Ich schaue an», man kann nicht aufsteigen zu dem «Ich werde angeschaut». Aus einem gründlich in sich eingelebten Gewohnten verlangt man von der geistigen Welt, daß sie im Grunde genommen nur eine Kopie, ein verfeinerter Abdruck der physischen Welt sei. Und es gibt nicht wenige Menschen, die haben die Vorstellung: geradeso,wie sie hier in diesem Saale unter physischen Menschen stehen, so könnten sie auch eine Geisterversammlung betreten, und in dieser Geisterversammlung seien die Geister nun genau ebenso versammelt – nur etwas dünner, so daß man durch sie durchgreifen kann – wie auf dem physischen Plan die Menschen. Weil man die Gewohnheit des Wahrnehmens auf dem physischen Plan mitbringt in die geistige Welt, deshalb bleibt als eine Illusion, als eine Täuschung dieses Grunderlebnis vorhanden, «ich schaue die Weltwesen an», und deshalb kann man sich nicht aufschwingen zu dem anderen Grunderlebnis: «Ich werde von den Weltwesen angeschaut.» Nun, sehen Sie, in dieser Illusion blieb der Seher Swedenborg ganz und gar, solange er in dieser Inkarnation, von der die Rede ist, war. Er konnte sich nie aufschwingen zu dem Erlebnis: «Ich werde angeschaut.» – Lesen Sie nur alles das, was von Swedenborg als Seher herrührt, so werden Sie sehen, daß er die höheren Welten wirklich so beschreibt, als wenn sie nichts weiter wären als ein feiner Dunst von der physischen Welt, feine dunstartige Gestalten, die aber im übrigen ganz ähnlich sind der physischen Welt. Gewiß, damit beschreibt Swedenborg die Welt der Imagination in einer ganz zutreffenden Weise; aber beurteilen kann er sie nicht, weil er über die ganze geistige Welt eben den Schleier seiner Gewohnheiten von der physischen Welt her wirft. Und so kommt es, daß ihm alle Wesen der geistigen Welten nur dasjenige zeigen, was sie auch einkleiden können und wollen in die Form der Imaginationen, die man von den Anschauungen der physischen Welt mitbringt. Das heißt, Swedenborg sieht nur so viel von der geistigen Welt, als ihm in seine von den Gewohnheiten der physischen Welt angekränkelten Imaginationen eingekleidet wird. Gewiß sieht er darinnen hochgeistige, bedeutende geistige Wesenheiten, aber eben immer in dem Kleid, das nicht ihr eigenes ist, sondern ihnen übergeworfen wird von ihm selber. Kommt er aber in eine Region hinein, in der die Geister gerade anstreben, ihr Inneres zu verbergen, da kann er sie nicht mehr verstehen, da sind sie ihm rätselhaft, wie diese Marsbewohner, die gelernt haben, ihr Innenleben zu verbergen, es nicht überfließen zu lassen in ihre Sprachweise. Das ist es, was dem, was da Swedenborg sehr gewissenhaft schildert, zugrunde liegt und was man erkennen muß, um zu verstehen, welcher Art die Seherwelt Swedenborgs war. Hätte Swedenborg das gekonnt, sich daran zu gewöhnen, daß die Wesenheiten der höheren Hierarchien einen anschauen und vorstellen, dann hätte er nicht bloß erfahren: diese Marsbewohner verstehe ich nicht, aber oben die Angeloi verstehen sie. Er konnte nicht mit dem Wahrnehmen der Angeloi selber erkennen, sondern nur mit seinem Erkennen. Das muß man aber können. Man muß nicht bloß vorstellen, sondern man muß Vorstellung werden; man muß nicht bloß denken, sondern man muß Gedanke werden, ein Gedanke, den die Wesen der höheren Hierarchien denken. So wie der Gedanke sich zu uns verhält, so müssen wir uns zu den Wesen der höheren Hierarchien verhalten lernen. Das konnte Swedenborg nicht. [4]
Das ist das Bedeutsame, was man festhalten muß: Der Mensch kann in dieser Epoche der Entwickelung, weil er so organisiert ist, eben nur diejenigen Welten erkennen, die für seine Auffassungsorgane zugänglich sind. Will er weiter kommen, so muß er das Bewußtsein der über ihm stehenden geistigen Wesenheiten in sich aufnehmen, und das, was die geistigen Wesenheiten erleben, muß Gegenstand seines eigenen Bewußtseins werden. Er muß sich in dem Chor der geistigen Wesenheiten darinnen fühlen. Das ist das Wesentliche. Und Sie können nun die ganze vorliegende Literatur von Sehern durchgehen und deren Beschreibungen von der geistigen Welt lesen, so werden Sie zumeist lauter solche Illusionen lesen. Man darf sich nicht täuschen lassen von diesen Illusionen; denn sich täuschen lassen von den Illusionen an der Schwelle zur geistigen Welt ist viel schlimmer, als sich täuschen zu lassen von den Täuschungen der physischen Welt. [5]
Mit den gewöhnlichen Sinnen, mit der gewöhnlichen Augenkraft konnte Swedenborg diese Wesenheiten, die Marsbewohner sind, nicht sehen; er hat sie ja in der geistigen Welt gesehen. Also mit der Augenkraft konnte er sie nicht sehen, mit der Ohrenkraft nicht hören, mit all den sonstigen Sinneswerkzeugen, auch mit der gewöhnlichen Denkfähigkeit konnte er sie nicht erfassen. Denn ich habe Ihnen auseinandergesetzt, daß diese Denkfähigkeit eigentlich eine alte Mondengabe war, also etwas, was entwickelt war vor der Marskraft (siehe unter: Eisen). Er hatte also unter den bekannten Erkenntniskräften des Menschen keine Kraft, um diese Wesen zu erkennen. So haben wir die eigentümliche Tatsache vor uns, daß Swedenborg geistige Wesen vor sich hatte, die er unzweifelhaft erkannte, aber er erkannte sie nicht mit höheren Kräften; er sah sie mit etwas, mit was er sie eigentlich nicht hätte sehen können, weil er das Bewußtsein nicht dazu hatte. Denn die gewöhnlichen Bewußtseinskräfte des physischen Planes reichen nicht aus, um das zu erklären, was er da sah. Was war es denn dann, womit er gesehen hat? Nun, Swedenborg war einfach nicht nur ein großer Gelehrter, sondern auch ein reiner Mensch in seinem Leben (siehe dazu die Vorinkarnation in: karmische Reihen); und umgewandelt hatte sich in ihm die Kraft, die der Mensch auf dem physischen Plan hat und die schon etwas Ähnliches ist wie die hellseherische Kraft, nur daß sie auf dem physischen Plan eine andere Aufgabe hat, als die hellseherische Tätigkeit auszuüben. Wodurch hat nun also Swedenborg gesehen? Ja, sehen Sie, Swedenborg hat gesehen mit einer Kraft, die das Äußere wahrnimmt, ohne es anzugreifen, ohne es zu berühren, die es wahrnimmt, ohne mit dem Auge zu wirken. Was ist das für eine Kraft? Das ist auf der Erde, auf dem physischen Plan die Kraft, die sich im sexuellen Leben, im richtigen sexuellen Leben äußert; jene geheimnisvolle Kraft, die die Menschen in der irdischen Liebe zusammentreibt, die sich unterscheidet von allen anderen Erkenntniskräften. Diese Kraft hatte Swedenborg konserviert, aufbewahrt, und in einem gewissen Alter wurde sie bei ihm umgewandelt, blieb aber gewissermaßen sexuelle Kraft. Er sah die geistige Welt durch die sexuelle Kraft. Das heißt, Swedenborgs Hellsehen ist wirklich ein solches, dem die umgewandelte sexuelle Kraft zugrunde liegt. Daraus werden Sie nun den Schluß ziehen können, daß dem Menschen während seiner Erdentwickelung eben eine Kraft gegeben ist, die sich während der Erdentwickelung als Sexualität auslebt, die aber einmal in umgewandelter Form auftreten wird, wenn sie nicht mehr an das Physische gebunden sein wird (siehe: Kriyashakti). Aber Sie werden andererseits auch den Schluß daraus ziehen können, wie innig verwandt diejenigen Kräfte sind, die zum bildhaften Hellsehen führen, mit diesen Kräften, die mit den gegenwärtig niedersten Trieben der Menschennatur zusammenhängen, und wie sozusagen eine Sphäre da von der anderen Sphäre angezogen werden kann. Daraus folgt, daß mit der Hellsichtigkeit nicht zu spielen ist. Gewiß bezieht sich das, was ich jetzt sage, nicht auf die Geisteswissenschaft als solche, aber es bezieht sich auf jedes erhaschte, jedes ungerechtfertigt erstrebte und erworbene Hellsehen. Es muß dies wirklich ernst genommen werden, daß Hellsichtigkeit nicht angestrebt werden soll so, daß bloß die umgewandelte Anschauungsform des physischen Planes hinaufgetragen wird, sondern daß eine neue Art der Anschauung für die höheren Plane erstrebt wird, eine neue Anschauungsweise der geistigen Welt, die dann nichts zu tun hat mit der Sexualkraft, denn die ist physisch, die ist nur für den physischen Plan da. Dieselbe Art der Anschauung wie im Physischen hinaufzutragen in die geistigen Welten, vorauszusetzen, daß man sagen kann: Ich nehme wahr, wie man auf dem physischen Plan wahrnimmt –, das bringt in dem Menschen den Hang hervor, die Verbindungsbrücke zu schlagen zwischen dem Hellsehen und den sexuellen Kräften. [6] So ist gerade Swedenborg ein starkes Beispiel dafür, was gemieden werden soll auf dem Wege zu den geistigen Welten hin in der neueren Zeit. Denn solches Streben, das irgendwelche Ähnlichkeit hat mit dem Swedenborgschen, das bringt den Menschen immer in Gefahr, daß – während er das Hellsehen anstrebt – die Sexualsphäre sich regt und die beiden Sphären sich miteinander vermischen. [7]
Swedenborg ist bis in einem hohen Grade zu dem Gebrauche, zu der Anwendung desjenigen gekommen, was man imaginative Erkenntnis nennen kann. Diese imaginative Erkenntnis braucht jeder, der in die geistige Welt hinein will. Er kann sie nicht entbehren, aber sie ist doch nichts anderes als eine Art Übergang zu den höheren Erkenntnisstufen. [8] Swedenborg setzt auseinander, daß die Seele im Zusammenhang steht durch ihre Kräfte mit einer geistigen Sonne, daß aber alles das, was physisch ist, von Geistig-Seelischem abhängig ist. Also er setzt auseinander, ich möchte sagen, in einer neuen Weise dasjenige, was wir mit Bezug auf die Mysterien das Sonnengeheimnis genannt haben, dasjenige Geheimnis, das ´Julian Apostata vorgeschwebt hat, als er von der Sonne als einem geistigen Wesen sprach, was ihn namentlich zu einem Gegner des Christentums gemacht hat, weil das Christentum seiner Zeit es ablehnen wollte, den Christus mit der Sonne in Zusammenhang zu bringen. Swedenborg erneuerte für seine Zeit, soweit das möglich ist, durch seine imaginative Erkenntnis das Sonnengeheimnis. [9] Nach dem 40. Jahre überkam ihn eine Kraft, die seinen Ätherleib etwas zusammenzog, in sich zusammenzog, so daß er dichter wurde, dadurch auch unabhängiger wurde vom Gehirn, aber doch all die Gescheitheit behielt. Wenn man als Somnambule herumgeht, dann hat man seinen Astralleib so, daß er der Mondenkraft sehr stark unterliegt. Die Willensorgane stellen sich dann oftmals auf die Mondenkraft ein. Wenn man so ist, wie Jakob Böhme, dann richtet sich das Erkenntnisvermögen nach den Sonnenkräften, schlägt zurück die physischen Sonnenwirkungen. Wenn man so wird wie Swedenborg, wenn da so ein Zusammenziehen des Ätherleibes stattfindet, da ist die Kraft, die das bewirkt, die Saturnkraft, jene Kraft des Saturns, in der eigentlich etwas liegt wie eine Art Innerlichkeit unseres ganzen Planetensystems, wie man auch sagen kann, der Saturn enthält die Kräfte des Gedächtnisses unseres Planetensystems. Dadurch kam er in die Lage, die Dinge in solchen Visionen zu schauen. In die Vorgänge der Hierarchien sah nun Swedenborg nicht mit seinem Schauen, aber all die Vorgänge, die da wirklich außerhalb der Äthersphäre vor sich gehen, die spiegeln sich nicht bloß im Äther, sondern die rufen, ich möchte sagen, reale Bildvorgänge im Äther hervor. So daß da oben in den Hierarchien irgend etwas vorgeht, was man ganz anders beschreiben müßte, was aber hereinwirkt in die Äthersphäre der Erde, so daß die Äthergestalten agieren im Erdenäther. Gestalten agieren um uns herum, das sind nicht die wirklichen Engel, das sind die Äthergestalten, die aus dem Äther heraus gebildeten Gestalten, die nun aber auch ihre Taten so umsetzen, daß sie dem Menschen verständlich sind. Diese – Spiegelungen kann man es nicht nennen, aber vielleicht Realspiegelungen –, diese Realspiegelungen der höheren Hierarchien im Erdenäther sah Swedenborg. Er sah also nicht, was Engel taten, aber er sah, was man dann sehen kann, wenn man da oben die Engeltaten hat, diese nicht als solche sieht, sondern das, was da unten im Erdenäther in der Sphäre der Menschen vor sich geht. Das, was da oben die Engel tun, das kann ja unmittelbar nicht auf die Erdenmenschen wirken; gerade diese Realspiegelungen, die wirken dann unter den Menschen, die gehen unter uns herum. Die sah Swedenborg, auf die wurde er aufmerksam.
Wenn also diejenigen Leute, die wir mondsüchtig nennen, uns vor allen Dingen veranlassen, hinzuschauen auf ihr vorirdisches Dasein, wenn wir bei Menschen, wie bei Jakob Böhme oder Paracelsus, hinschauen auf ihr gegenwärtiges Erdendasein, dann haben wir alle Veranlassung, bei solchen Menschen wie Swedenborg hinzuschauen auf das nachirdische Dasein. Das irdische Dasein gewinnt eigentlich erst einen Sinn, wenn wir auf das nachirdische Dasein Hinblicken. Denn diese Menschen sind es vorzugsweise, welche dann noch nach dem Tode in der Lage sind, auf andere, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, belehrend einzuwirken, ihnen vieles von dem zu sagen, was unverständlich bleiben muß in den höheren Welten, wenn man nicht etwas von den höheren Welten in der irdischen Welt schon kennengelernt hat.
Und man möchte sagen: Es liegt im allgemeinen geistigen Weltenplan, daß menschliche Persönlichkeiten von der Art des Swedenborg hier auf der Erde eingeführt werden in die Realschatten, Realspiegelbilder der Vorgänge in den höheren Hierarchien, damit sie dann gut vorbereitet dort hinaufkommen, weil sie es brauchen werden gerade im nachirdischen Dasein. Während bei den Somnambulen ihr Erdendasein etwas von einer Besserungsanstalt hat gegenüber den geistigen Welten, hat das Leben solcher Persönlichkeiten, wie Swedenborg, etwas Vorbereitendes für die Leistungen, die sie nach dem Tode zu vollbringen haben. [10]
Wie kaum ein anderer Mensch in der Welt lernte Swedenborg das Wissen, die Erkenntnis als solche lieben. Das brachte ihn in einem gewissen Zeitpunkt seines Lebens dahin, in seiner Art hineinzuschauen in die geistige Welt, empfindlich sich zu machen für die verborgenen Wärme- und Kälteverhältnisse des Weltenraumes. Die Wesenheiten, die in der rein geistigen Welt lebend tätig sind, die müssen eingreifen in das Erdenleben. Deshalb müssen sie das, was sie in der rein geistigen Welt tun, dem Erdenäther mitteilen. Diese Tätigkeit strahlt herein in das irdische Gebiet, strahlt aber wiederum zurück und bildet sich ab im Erdenäther. Swedenborg hat im Erdenäther geschaut die Art und Weise, wie die überirdischen Wesenheiten im Erdenäther Kräfte entwickeln, die dann durchaus eine Rolle spielen im Menschenleben und auch sonst im irdischen Leben. Denn diese Ätherkräfte, die nicht die Engel, die Erzengel selber sind, aber die im Äther vibrierenden Kräfte sind, die spielen durchaus eine Rolle im Erdenleben und im Menschenleben. Heute ist es abnorm, daß irgend jemand in diese verborgenen Ätherkräfte hineinschaut, die in dem umgebenden Äther durchaus ein ätherisches Abbild der höheren Urbilder des Geistes entwerfen. [11] Dasjenige, was bei Swedenborg, weil im ätherischen Abbilde auftauchend, unbewußte Imagination war, das wird, wenn man sorgfältig, was Swedenborg nicht konnte, die Mahnungen des Hüters der Schwelle beobachtet, aus der ätherischen Imagination metamorphosiert zu der astralischen Inspiration, die vollbewußt wiederum beim Menschen auftreten kann. [12]
Gerade nachdem Swedenborg auf die Höhe der gewöhnlichen Wissenschaft seiner Zeit hinauf geklommen war, fing er an, hineinzuschauen in die geistige Welt. Und da sozusagen sein Hineinschauen seinen Kopf ergriff, dasjenige Organ, das er – er nun wirklich – ganz besonders ausgebildet hatte, da das nun ergriffen wurde von Geistigkeit, von saturnhafter Geistigkeit, konnte er auf seine Art hineinschauen – nicht wie Jakob Böhme, der gespiegelt bekam an der Finsternis die inneren Geheimnisse der Natur – in den unmittelbaren Äther, da, wo die Abbilder höherer Geistigkeit im Äther erscheinen. Und er beschrieb diese geistige Welt so, wie sie eben Swedenborg beschrieben hat. Es ist nicht dasjenige von ihm geschaut worden, was er sich vorgestellt hat. Die Geistwesen sind anders, auf die er anspielt. Er sah aber auch nicht bloß eine Erdenspiegelung von diesen Geistern, sondern er sah die Wirkungen der Geister – die allerdings selbst nicht geschaut wurden – im Erdenäther. Während Jakob Böhme Spiegelbilder der Natur sah, sah er dasjenige, was im Erdenäther bewirkt wurde von diesen Geistern, deren Wirkungen er nur sah. Wenn also Swedenborg Engel beschreibt, so sind das nicht Engel, sondern Äthergestalten. Aber das, was ihm als Engel erschien, als Äthergestaltungen, das ist von Engeln bewirkt, das ist ein Abbild dessen, was der Engel tut. Und so muß man eben auf die Realität solcher Dinge immer hinschauen. Es ist natürlich ein Fehler, wenn man sagt: Swedenborg schaute die geistige Welt als solche, denn das war ihm eben nicht eigen. Aber er schaute eine Wirklichkeit. [13]
Wenn der Mensch untertaucht in den physischen Leib, so kann die Ahnung übergehen in das Durchdringen des Raumes. Während die Ahnung nur andere Zeiten sieht, kann in der Deuteroskopie das gesehen werden, was mit physischen Augen nicht gesehen werden kann, was in fernen Fernen geschieht. Die Bilder stellen sich dar wie eine Fata Morgana. Erscheinungen wie sie zum Beispiel von Swedenborg berichtet werden (seine Vision einer Brandkatastrophe in einer fernen Stadt zur genauen Zeit des Brandes und in den genauen Einzelheiten), gehören hierher. [14]
Von Swedenborg ist die ganze spiritistische Bewegung ausgegangen. Das ganze 18. Jahrhundert stand unter seinem Einfluß. Selbst Kant setzte sich mit ihm auseinander. [15]
Sobald man in dieses Gebiet tritt, das den Swedenborgschen Anschauungen zugrunde liegt, sieht man in diesem Gebiet dasjenige, wozu man selbst veranlagt ist; man sieht dasjenige, was man in sich selbst ausgebildet hat. [16] (Siehe auch unter: Karmische Reihen).
[1] | GA 78, Seite 105f | (Ausgabe 1986, 183 Seiten) |
[2] | GA 52, Seite 289f | (Ausgabe 1972, 442 Seiten) |
[3] | GA 89, Seite 311 | (Ausgabe 2001, 234 Seiten) |
[4] | GA 253, Seite 54ff | (Ausgabe 1989, 201 Seiten) |
[5] | GA 253, Seite 57 | (Ausgabe 1989, 201 Seiten) |
[6] | GA 253, Seite 93ff | (Ausgabe 1989, 201 Seiten) |
[7] | GA 253, Seite 96 | (Ausgabe 1989, 201 Seiten) |
[8] | GA 175, Seite 372 | (Ausgabe 1982, 416 Seiten) |
[9] | GA 175, Seite 374 | (Ausgabe 1982, 416 Seiten) |
[10] | GA 225, Seite 213ff | (Ausgabe 1990, 192 Seiten) |
[11] | GA 227, Seite 180ff | (Ausgabe 1982, 270 Seiten) |
[12] | GA 227, Seite 183 | (Ausgabe 1982, 270 Seiten) |
[13] | GA 228, Seite 128f | (Ausgabe 1964, 155 Seiten) |
[14] | GA 57, Seite 398 | (Ausgabe 1961, 434 Seiten) |
[15] | GA 52, Seite 288 | (Ausgabe 1972, 442 Seiten) |
[16] | GA 52, Seite 291 | (Ausgabe 1972, 442 Seiten) |
GA 52: | Spirituelle Seelenlehre und Weltbetrachtung (1903/1904) |
GA 57: | Wo und wie findet man den Geist? (1908/1909) |
GA 78: | Anthroposophie, ihre Erkenntniswurzeln und Lebensfrüchte (1921) |
GA 89: | Bewußtsein – Leben – Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie (1903-1906) |
GA 175: | Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917) |
GA 225: | Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kulturphänomene, geisteswissenschaftlich betrachtet (1923) |
GA 227: | Initiations-Erkenntnis. Die geistige und physische Welt- und Menschheitsentwickelung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vom Gesichtspunkt der Anthroposophie (1923) |
GA 228: | Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis. Der Mensch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vom Gesichtspunkt der Bewußtseinsentwickelung (1923) |
GA 253: | Probleme des Zusammenlebens in der Anthroposophischen Gesellschaft. Zur Dornacher Krise vom Jahre 1915 (1915) |