Stoff oder Materie

Wenn wir uns den Begriff des Stoffes im geisteswissenschaftlichen Sinne nähern wollen, so tun wir das am besten, wenn wir uns bildlich zunächst vorstellen, wie es ist. Es ist (aber) nur eine Verbildlichung. Wenn wir eine Flasche Selterswasser mit den Kohlensäurekügelchen vor uns haben, da sehen wir vor allen Dingen die Kohlensäurekügelchen, die eigentlich viel dünner sind als das umgebende Wasser. Und man möchte sagen, natürlich relativ: Wir sehen also eigentlich das eingebettete Nichts. Geradeso geht es uns, wenn wir geisteswissenschaftlich die Welt betrachten, mit dem Stoff. Die Sinne sehen im Raum die Raumausfüllungen, die wir dann Stoff benennen. Der Geist kommt darauf, daß da, wo die Sinne den Stoff sehen, es den Sinnen so geht, wie es uns geht mit der Kohlensäure. Wir sehen tatsächlich dasjenige, was herausgeschnitten ist aus der geistigen Welt. So daß wir eigentlich sagen müssen: Was wir empfinden, wenn wir auf den Stoff aufstoßen, das ist im Grunde genommen die Wahrnehmung, daß da der Geist aufhört. Also nicht, daß wir an den Stoff ankommen, haben wir als das Wesentliche zu betrachten im geisteswissenschaftlichen Sinne, sondern daß da, wo die Sinne uns sagen: Wir kommen an den Stoff an –, daß da der Geist aufhört. So daß wir den Stoff tatsächlich zu beschreiben haben als die Hohlräume im Geistigen. [1] Ein Stoff sieht nur äußerlich so aus, als ob er etwas in sich Ruhendes wäre. In Wirklichkeit webt und lebt ja alles in dem Stoffe. Und so nimmt der auch dieses Weben und Leben, wie es sich chemisch und physisch abspielt in der Natur, in seinen Organismus auf, aber er verwandelt es alsogleich. [2] (Siehe auch: Substanz und Auf- und Abbauprozesse).

Zitate:

[1]  GA 73, Seite 247   (Ausgabe 1973, 398 Seiten)
[2]  GA 259, Seite 144   (Ausgabe 1991, 949 Seiten)

Quellen:

GA 73:  Die Ergänzung heutiger Wissenschaften durch Anthroposophie (1917/1918)
GA 259:  Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft. Vom Goetheanumbrand zur Weihnachtstagung (1923)