Olav Åsteson

Es ist keine bloße Legende, sondern entspricht einer Wahrheit, wenn in alten Legenden erzählt wird, daß in den dreizehn Nächten, die dem 6. Januar vorangehen, gewisse besonders geeignete Seelen initiiert wurden, so daß sie hineingehen konnten in die geistige Welt, daß sie dort erleben konnten dasjenige, was wir Kamaloka und Devachan nennen. Olaf Åsteson hat in den dreizehn Nächten schlafend durchgemacht den ganzen Weg, der der Weg sein kann durch Kamaloka und Devachan. Olaf Åsteson erzählt dann, was er erlebt hat in diesen dreizehn Tagen. [1]

Von ihm wird erzählt, daß er während dieser 13 Nächte (zwischen Weihnachtsabend und dem 6. Januar) in einer Art hellsichtiger Erfahrung dasjenige durchmachte, was der nordische Mensch in seiner Art als Vision empfinden kann. Er erfuhr zunächst, wie sich die menschlichen Taten weiter gestalten, wenn der Mensch durch die Todespforte gegangen ist, er erfuhr aber auch, wie in das Walten und Weben der Seele nach der Entkörperung das eingreift, was wir die Christus-Wesenheit nennen, wie hineinfällt in die nordische Geistesordnung des Lebens nach dem Tode das Richteramt des Jesus, des Christus, der da an die Seite tritt des alten Weltenrichters, des sogenannten Angesichtes Jahves, des Michael. Welchem Bewußtsein wird das klar? Das wird schon im Namen angedeutet. Der von den Ahnen sein Bewußtsein, sein inneres Wesen ererbt Habende: das ist in dem Namen Olaf enthalten. Und Åste heißt die Liebe, die Liebe, die sich im Blute fortpflanzt von Generation zu Generation. Dieser Liebe Sohn, Åsteson, ist Olav, ist das Bewußtsein, das sich von Generation zu Generation von der alten hellsichtigen Zeit her fortgepflanzt hat. [2] Die Kamalokawelt wird dargestellt in der Schilderung von «Brooksvalin». [3] Die Vorstellung liegt zu Grunde, daß die Seele nach dem Tode in die Sternenwelten wandelt, daß sie zum Beispiel in Gebiete kommt, wo die Sternbilder des Stieres, der Himmelsschlange, des Hundes nahe sind, daß sie in die geistige Nähe des Mondes kommt. In diese Welten dringt die Seele ein, indem sie die Gjallarbrücke überschreitet, welche die irdische Welt mit der geistigen verbindet. In vielen Volkssagen wird der Regenbogen als diese Brücke vorgestellt. [4]

Denn das Olafs-Lied enthielt in Wirklichkeit das Miterleben der geistigen Welt nach der Weihnachtszeit im Jahreslaufe. Das ist, ich möchte sagen, noch eine Erinnerung an jene Blütezeit des Miterlebens des Jahreslaufes, wie es in sehr alten Zeiten gerade dort war, wo die höchste Zivilisation der Menschheit geblüht hat, im alten Orient. Und da hat man etwas verstanden, was später nur mehr aus der Tradition heraus verstanden wurde, man hat verstanden, Feste zu machen im Laufe des Jahres. Man hat den Jahreslauf miterlebt. [5] (Siehe auch: Weihnachtsfest- Vorläufer).

Zitate:

[1]  GA 159, Seite 51   (Ausgabe 1980, 388 Seiten)
[2]  GA 158, Seite 152f   (Ausgabe 1993, 234 Seiten)
[3]  GA 158, Seite 168   (Ausgabe 1993, 234 Seiten)
[4]  GA 158, Seite 188   (Ausgabe 1993, 234 Seiten)
[5]  GA 226, Seite 102   (Ausgabe 1978, 140 Seiten)

Quellen:

GA 158:  Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt. Kalewala – Olaf Åsteson – Das russische Volkstum – Die Welt als Ergebnis von Gleichgewichtswirkungen (1912-1914)
GA 159:  Das Geheimnis des Todes. Wesen und Bedeutung Mitteleuropas und die europäischen Volksgeister (1915)
GA 226:  Menschenwesen, Menschenschicksal und Welt-Entwickelung (1923)