Ahriman
► Ahriman als Folge von Luzifer

Dadurch, daß der Mensch verfrüht herunterversetzt worden ist in die irdische Sphäre (dies ist die Folge des Luzifereinflusses), daß ihn seine irdischen Interessen und Begierden heruntergedrängt haben, dadurch haben sich hineingemischt in das, was der Mensch hat sehen und begreifen können, die ahrimanischen Geister. Dadurch verfiel der Mensch in Irrtum, verfiel in das, was man eigentlich erst die bewußte Sünde nennen könnte. Sie haben ihn dazu verführt, daß er das, was in seiner Umgebung ist, für stofflich, für materiell hält, daß er nicht durch dieses Stoffliche hindurchsieht auf die wahren Untergründe des Stofflichen, auf das Geistige. [1] Luzifer hat erst den Einfluß des Ahriman möglich gemacht und man wird daher, wenn man auf Ahriman sieht, auf einen Ureinfluß Luzifers zurückgeführt, der erst vor unsere Seele treten konnte (bei der Geistesforschung), nachdem wir lange Vorbereitungen dazu gemacht haben, um diesen inneren Zusammenhang zu erkennen. [2] Es hängt vom menschlichen Inneren ab, wie der Mensch die Außenwelt an sich herantreten läßt. Und gerade so, wie Sie mit einem Auge, in welchem etwas zerstört ist, wegen des inneren Fehlers die Außenwelt nicht richtig sehen, so bekommt der Mensch die Außenwelt durch den luziferischen Einfluß überhaupt nicht so zu sehen, wie sie ist. Und weil ein Grund gegeben war für den Menschen, die Außenwelt nicht so zu sehen, wie sie ist, so konnte sich in das nicht richtige Bild der Außenwelt der ahrimanische Einfluß hineindrängen. [3] Man sollte gewissermaßen die Rechtfertigung für das Auftreten einer solchen Kraft im Weltenlauf, deren Wirkung auch ihre bösen Folgen hat, in der Notwendigkeit suchen, die sie für die Entwickelung des Menschenwesens hat. Wäre das luziferische Element ohne Gegensatz voll wirksam, so würde es beim Eintritte der Seele in das sinnenfällige Leben die Anziehungskraft des Menschenwesens für dieses Leben überwinden; und der Mensch käme überhaupt nicht zu diesem Eintritte. In dem Zeitpunkte, in dem die Möglichkeit einer Abkehr der Menschenseele vom sinnenfälligen Leben eintritt, wird das Luziferische von einem anderen überwunden, das diese Seele in stärkerem Maße zum sinnenfälligen Dasein hinzieht, als es durch ihr eigenes Wesen geschieht. (Aber) auch dieses Ahrimanische hat seine Schattenseiten, (denn) in ihm liegt der Ursprung der Verirrungen des Denkens. [4] Gewisse Kräfte, die im Weltenwerden spielen und auch den Menschen in ihren Strömungen drinnen haben, fassen wir (also) zusammen als luziferische auf der einen Seite und als ahrimanische Kräfte auf der anderen Seite. Mit solchen Worten ist es eben so, daß man sich jahrelang das aneignen muß, was solchen Worten inneliegt, sonst bleiben sie Phrase. Hat man aber den Inhalt, dann hat man in diesen Worten geradeso etwas, was man haben muß, wie der Elektriker an seiner positiven und negativen Elektrizität zwei Impulse hat, die er haben muß, um von den Sachen reden zu können. Genau dieselbe Denkweise, die auf unorganischem Felde richtig von positiv und negativ spricht, redet auf seelisch-geistigem Felde von luziferisch und ahrimanisch. Wir können sagen: Der Mensch, wie wir ihn eigentlich vor uns haben, wie wir selber ja sind, ist ein Gleichgewichtszustand; er ist eigentlich immer nur etwas, was Ausgleich ist zwischen zwei Polen, zwischen dem luziferischen Pol und dem ahrimanischen Pol. Alles neigt in uns auf der einen Seite nach dem Phantastischen, Schwärmerischen, nach dem Einseitigen, der andere Pol ist das Verknöcherte, das Verstandesmäßige, das Nüchterne. [5] Wenn Sie einen Magneten haben, so wissen Sie, wir haben zweierlei Magnetismus im Magneten. Wir haben positiven und negativen Magnetismus. Nicht wahr, im Physischen geniert man sich durchaus nicht, den Sachen Namen zu geben. Beim Magnetismus ist etwas Unsichtbares im Eisen drinnen. Ebenso ist etwas Unsichtbares, Übersinnliches in dem Verhärten drinnen. Und dieses Unsichtbare, Übersinnliche, Wesenhafte, das man beobachten kann, wenn man dazu die Gabe hat, nennt man ahrimanisch. Ahrimanisch sind also die Kräfte, die aus dem Menschen fortwährend eine Art von Leichnam machen möchten. Wären nur ahrimanische Kräfte da, würden wir fortwährend Leichnam werden, und wir würden Pedanten werden, ganz versteinerte Menschen. Wir würden fortwährend aufwachen, wir würden nicht schlafen können. Die Kräfte, die uns nun verweichen, verjüngen, die uns zur Phantasie bringen, das sind die luziferischen Kräfte, das sind diejenigen Kräfte, die wir brauchen, damit wir eben nicht ein lebender Leichnam werden. Aber wenn nur die luziferischen Kräfte da wären, da blieben wir unser ganzes Leben lang Kinder. [6]

Zitate:

[1]  GA 107, Seite 244f   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[2]  GA 107, Seite 172   (Ausgabe 1973, 328 Seiten)
[3]  GA 120, Seite 136   (Ausgabe 1975, 230 Seiten)
[4]  GA 35, Seite 416f   (Ausgabe 1965, 484 Seiten)
[5]  GA 192, Seite 169f   (Ausgabe 1964, 403 Seiten)
[6]  GA 349, Seite 242f   (Ausgabe 1961, 264 Seiten)

Quellen:

GA 35:  Philosophie und Anthroposophie (1904-1923)
GA 107:  Geisteswissenschaftliche Menschenkunde (1908/1909)
GA 120:  Die Offenbarungen des Karma (1910)
GA 192:  Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen (1919)
GA 349:  Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums (1923)